Was ist der Unterschied zwischen - sagen wir - einem Lehrer und einem Politiker? Beide haben eine wichtige gesellschaftliche Funktion, beide sollten deshalb auf ihre Weise Vorbild sein, beide sollten andere begeistern, mitreißen. Doch einer von beiden ist ziemlich unbeliebt.
Es ist der Politiker.
Nur noch sechs Prozent der Deutschen haben laut einer aktuellen Allensbach-Umfrage ein positives Bild von unseren Politikern - bloß die Ackermanns und Kerners sind noch weniger geachtet (Banker und Fernsehmoderatoren kommen auf jeweils vier Prozent). Die Lehrer werden dagegen von 42 Prozent geschätzt, allein Ärzte und Krankenschwestern sind noch angesehener.
Man muss sich nur das Kommunikationsverhalten mancher Politiker anschauen um eine Ahnung davon zu bekommen, warum ihr Berufsstand inzwischen ganz unten angekommen ist im Ansehen der Bevölkerung, und das hat erst einmal nichts mit Atomausstieg oder der Möwenpicksteuer zu tun. Politische Wendemannöver und Klientelpolitik hat es immer gegeben. Allerdings hatten 1972 noch 27 Prozent der Bürgerinnen und Bürger ein positives Bild von unseren Politikern, sechs Jahre später waren es 24 Prozent, seitdem geht es bergab mit dem Ansehen:
Wenn unsere Politiker im Volk immer unbeliebter werden - kann es vielleicht sein, dass die Volksvertreter nicht mehr durchdringen mit ihrer Botschaft? Dass sich im Jahr 2011 nicht mehr kommunizieren lässt nach der jahrhundertelang praktizierten Methode: Der Politiker sendet, der Bürger empfängt? Dass Bürger sich emanzipiert haben von diesem top-down Prinzip und Dank neuer Technologien inzwischen lieber selbst senden als nur zu empfangen? Und dass einige Politiker das noch nicht mitbekommen haben?
Vergangenen Samstag saß der Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach, der als Talkshowgast besonders gerne sendet, auf einem Podium beim Medienkongress "tazlab" der
tageszeitung. Das Thema lautete "Wie verändert sich die Politik durch das Internet?" Bei Lauterbach bekam man den Eindruck, als halte er das Internet für eine nützliche Sache um Informationen zusammenzuklauben, aber ansonsten für eine ziemliche Bedrohung. Natürlich sei er viel im Netz unterwegs um sich zu informieren, aber er müsse dort ja nicht gleich mit den Bürgerinnen und Bürgern korrespondieren. Denn erstens lade das Internet zu Missbrauch ein (es kann ja jeder jederzeit unter jedem Namen irgend etwas posten), zweitens fehle ihm dazu die Zeit, und drittens seien viele gesellschaftliche Gruppen wie Immigranten oder Hartz IV-Bezieher dort gar nicht aktiv. Er halte es deswegen mit dem direkten Austausch, der Bürgersprechstunde, dem Gespräch vor Ort.
Alles schön und gut. Doch darf man sich dann - wie Lauterbach am Samstag - darüber beschweren, wenn die Wahlbeteiligung in einigen Bezirken seines Wahlkreises bei nur noch 25 Prozent liegt? Lassen sich die übrigen 75 Prozent etwa auschließlich am Wahlkampfstand oder in der Bürgersprechstunde überzeugen, dass auch ihre Stimme etwas ausrichten kann, zum Beispiel bei der Entscheidung, ob Karl Lauterbach beim nächsten Mal wieder in den Bundestag gewählt werden soll oder lieber nicht? Sollte ein Politiker nicht auch dorthin gehen, wo inzwischen 51 Millionen Deutsche anzutreffen sind, anstatt darauf zu hoffen, dass diese zu ihm kommen?
Einige Abgeordnete stemmen sich mit großer Vehemenz gegen die neuen Technologien. Bei manchen kann man es verstehen, sie sind groß geworden, als man zum Nachrichten gucken noch ins Kino gehen musste, wo die Wochenschau in schwarz-weiß über der Leinwand flimmerte. Bei anderen allerdings hat man den Eindruck, als kämpften sie in erster Linie gegen die Transparenz und Öffentlichkeit, die das Netz herstellt. Wer sich dem Internet verweigert, braucht keine unangenehmen Fragen zu beantworten, auch nicht zu seinem Doktortitel.
Er sei ein großer Befürworter von Transparenz, erklärte dann auch Lauterbach, etwa wenn es darum geht, welche Politiker mit welchen Unternehmen verbandelt seien. Bei sich selbst macht er aber auch schon mal eine Ausnahme (mehr: "Karl Lauterbach und das Versteckspiel mit dem Nebenverdienst", 23.1.2011). Da er auf abgeordnetenwatch.de keine Bürgerfragen beantwortet und sich auch nicht bei Facebook von anderen auf die Pinnwand schreiben lässt, bleibt Lauterbach von bohrenden Bürgern ziemlich unbehelligt.
So ist es auch bei Abgeordneten wie Wolfgang Thierse, von dem man als Bürger gerne wüsste, warum er sich zum Beispiel auf einem Bundestagsbriefpapier über einen lärmenden Wochenmarkt vor der eigenen Wohnungstür beschwerte. Und wenn sein Kollege Philipp Mißfelder einmal näher erläutern würde, warum er 85-Jährigen ein neues Hüftgelenk verwehren wollte, wäre dies aus Wählersicht (vor allem für Senioren) ebenfalls von großem Mehrwert. Außerdem erführe man von Axel E. Fischer gerne, was ihn als Vorsitzenden der "Enquête-Kommission Internet und digitale Gesellschaft" qualifiziert, wo er es mit dem Internet nach eigener Angabe nicht so hat und auch schon mal ein digitales Vermummungsverbot fordert. Allein: auf öffentliche Antworten wartet man bei den dreien vergeblich.
Es verwundert deswegen auch nicht, wenn ausgerechnet jene Abgeordnete sich weigern Bürgern öffentlich Rede und Antwort zu stehen, bei denen eine Auskunft zu ihren Nebentätigkeiten überaus erhellend wäre. Zum Beispiel Norbert Schindler, der Inhaber eines Agrarunternehmens, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd, Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Mitglied in vier Aufsichts- und drei Verwaltungsräten. Er begrüßt die Besucher seiner Homepage so:
Ich freue auch mich sehr, wenn mich die Bürgerinnen und Bürger meines Wahlkreises unter meiner E-Mail Adresse norbert.schindler@bundestag.de oder auf dem Gästebuch dieser Homepage kontaktieren, nehme jedoch Abstand von der Teilnahme an wenig seriösen (kommerziellen) Diskussionsforen wie abgeordneten- oder kandidatenwatch.de.
Um ernst gemeinte Mails, deren sorgfältige Bearbeitung viel Zeit in Anspruch nimmt, von sogenannten „Spaßmails“ besser unterscheiden zu können, bitte ich Sie, auch stets Ihre vollständige Adresse anzugeben, damit mein Büro die Mails individuell und angemessen beantworten kann.
Oder Heinz Riesenhuber, Mitglied in zahlreichen Aufsichts-, Bei- und Verwaltungsräten. Oder Michael Glos. Oder Peer Steinbrück. Schlimm genug, dass sie alle nicht gerade den Eindruck erwecken, als stehe ihr Bundestagsmandat im Mittelpunkt der Abgeordnetentätigkeit. Beklagenswert auch, dass sie uns Bürgern gegenüber keine öffentliche Rechenschaft ablegen wollen. Wer als Volksvertreter seinem Volk diktieren will, auf welchem Weg es im 21. Jahrhundert mit ihm in Kontakt zu treten hat, hat nichts begriffen und trägt außerdem dazu bei, dass sich der Frust der Ungehörten über "die Politiker" sowohl on- als auch offline Bahn bricht. Erst durch sein Verhalten, seine Nebentätigkeiten, seine Politik kritische Wortmeldungen provozieren, doch dann nicht die Traute haben, sich diesen zu stellen - besser kann man einen allgemeinen Politikerverdruss nicht befördern. Das Tragische ist, dass einige wenige Politiker einen ganzen Berufsstand in Verruf bringen. Die allermeisten Abgeordneten, auf abgeordnetenwatch.de etwa 90 Prozent, sind zumindest zugänglich für öffentliche Fragen und Kritik, in den meisten Landesparlamenten ist die Quote ähnlich hoch.
Anstatt in ihrer Wagenburg zu hocken, wäre es für die Offline-Politiker ein guter Anfang, herauszutreten, das Visier hochzuklappen und sich Fragen und Kritik zu stellen. In der Bürgersprechstunde unter vier Augen, aber auch im Internet, vor den Augen Tausender.
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Kommentare
In eigener Sache: Warum Abgeordnetenwatch die Kommentar-Funktion abgeschaltet hat
Sabine Engelhardt am 13.04.2011 um 11:06 Uhr
PermalinkMeine Erfahrung mit der Ansage, man möge sich persönlich (per E-Mail) in Verbindung setzen, besteht darin, daß dann einfach gar keine Antwort mehr kommt. Da das jedoch nicht mehr öffentlich zu sehen ist, fällt die Sache damit im allgemeinen komplett unter den Tisch. So schafft man Politik(er)verdrossenheit.
So warte ich bis heute noch auf eine Antwort von Philip Mißfelder. Die Frage war vom Februar 2009: http://blog.atari-frosch.de/2009/02/18/netter-versuch-herr-missfelder/
Ich hatte zwei Tage später nochmal drüber gebloggt, und meine Vermutung, es werde keine Antwort kommen, hat sich bis heute bestätigt:
http://blog.atari-frosch.de/2009/02/20/missfelder-weicht-weiter-aus/
Daran änderte auch eine Erinnerung einen Monat später nichts:
http://blog.atari-frosch.de/2009/03/17/erinnerung-an-herrn-missfelder/
Der Herr Mißfelder schweigt weiter. Offensichtlich kann er nur austeilen, aber nicht einstecken: Kritik unerwünscht.
Gast am 14.04.2011 um 02:47 Uhr
PermalinkAufgelesen und kommentiert 2011-04-13...
ARD-Kurzvideo: Die Wahrheit hinter glänzenden Vermittlungszahlen Schwarz/Gelb beschliesst Rentenerhöhung um 0,99 Prozent Teuer, bürokratisch und jetzt auch noch Rückforderungen: Bund vergrätzt Riester-Sparer Ansehen der Politik auf Tiefststand seit 196...
Christoph W. Eckard am 15.04.2011 um 10:38 Uhr
PermalinkSchade, dass es so etwas wie abgeordnetenwatch.de nicht auch für Kirchenvertreter gibt. Die schotten sich noch mehr ab und antworten auf Fragen noch weniger wie Politiker.
Manfred Bensel am 16.04.2011 um 13:58 Uhr
PermalinkWär doch mal ne Idee!
@Martin Reyher: Habt bei denen schon mal nachgefragt?
Luciér Waldér am 18.04.2011 um 09:22 Uhr
PermalinkIch habe kürzlich ein Kommentar gelesen, die Staatsgewalt geht vom Volke aus, davon kann man nur träumen, aber es ist nicht so. Wer hier von demokratie redet, ist da falsch gewickelt. Demokratie ist, wenn man nach dem demokratischen konsens lebt, sie sollte vermitteln, dass Bürger frei Ihre Meinungen äussern. Nein für Ihr offenes Begehren, (Demo) werden sie niedergeschlagen von Polizisten und Wasserwerfernde Ihre Frust loswerden möchte. Im Grundgesetz ist die Demokratie verankert, aber welcher Bürger weis dass, viele wissen es nicht. Wenn man nur bedenkt was in Stuttgart passierte, statt anhörung gab es dafür prügel und für sowas muss der Steuerzahler hinnehmen. Selbst die Polizisten sind nicht mehr glaubwürdig, auch sie ecken in jeder hinsicht beim Volk an, wie die Politiker beides fängt mit P an.
Wenn man bedenkt, die schlappe kam nach der Wahl, aber keiner hat wohl damit gerechnet, es gab gewinner und Verlierer. Warum, die Politiker haben über die Köpfe der Bürger regiert belogen und betrogen und dass rächt sich auf irgendeiner Weise, schreibe hier nochmals die Poltiker sind nicht mehr glaubwürdig.
Angele Merkel klammert sich vehemend an Ihrer Macht mit Lügen, schmeicheleien, Sand in Augen streuen, was will den die Frau, die ist doch nicht fähig zu regieren.
Hier wird ja die Demokratie in Deutschland im 00 runtergespült, und von anderen Länder wo Krieg herrscht, wird demokratie verlangt dass die Machthaber Ihr Feld verlassen. Dass ist doch ein Widerspruch.
Ein letzter Satz noch, bis jetzt ist noch Frieden zum Teil auf dieser Welt, aber man brauche sich nicht zu wundern, wenn in den nächsten 40 Jahren auf dieser Welt kann es dennoch zu einem Weltkrieg kommen, wir sind fast 80 Milliarden Menschen auf dieser Welt, wer soll die Völker noch Ernähren wo Not und Hungerleid ist. Kriege führen nur dazu, Menschen zu vermindern um wieder alles Neu aufzubauen.
Dass ist der Sinn der Politiker auf dieser Welt, Völker untereinander aufzuhetzen.
Luciér Waldér am 18.04.2011 um 09:48 Uhr
PermalinkHallo Christoph.W
Als Napoleon in Deutschland ein u.ausmaschierte, hat er die Kirchensteuer in Deutschland abgeschaft wie in Frankreich.
Unsere Kirchenfürsten hatten auf Gnade von K.Adenauer die Wiedereinführung nach dem Krieg die Kirchensteuer bekommen, dafür durften sie sich auch erlauben, sexuelle übergriffe an Schüler zu begehen. Da ja wenig von der der Kirche nach aussen geht, bleibt sowieso alles hinter der Mauer der Kirche geheim.
Viele Nonnen hatten Kinder bekommen, die wurden alle umgebracht. Man sollte die Kirchensteuer wieder abschaffen.
Auch da haben Politiker nur zugeschaut, es gab ein runder Tisch, aber was kam dabei heraus nicht. Wird alles nur vertuscht. Tolle Gesellschaft zwischen Kirche und Politiker, die stinken wie tote Fische.
Martin Reyher (abgeordnetenwatch.de) am 20.04.2011 um 13:26 Uhr
PermalinkSorry für die späte Rückmeldung!
Das Prinzip von abgeordnetenwatch.de ist für alle gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen, kirchlichen Gruppen und Körperschaften denkbar und praktikabel. Unser kleines Team ist mit den Abgeordneten und Kandidierenden im Moment aber ganz gut ausgelastet ;-)
Christiani Hoffmeier am 20.04.2011 um 20:24 Uhr
PermalinkMit Haß auf alles and Jeden macht man die Welt nicht besser! Detailierte und fundierte Beiträge mit konstruktiven Verbesserungsvorschlägen käme meinem Demokratieversändnis schon näher.
Renate Back am 05.05.2011 um 09:43 Uhr
PermalinkWenn ich an Rente denke, bekomme ich einen dicken Hals. Mein Mann hat 46 Jahre Vollzeit gearbeitet, war nie arbeitslos und hat immer im Durchschnitt oder darüber verdient. Dafür wird er jetzt mit 1100 Euro belohnt. Die Mär vom reichen Rentner stimmt schon lange nicht mehr. Riesterfaktor, Nachhaltigkeitsfaktor und sonstige Kürzungen haben dazu beigetragen. Ausserdem wurde die Rentenkasse Anfang der neunziger Jahr massiv geplündert. Als damals die Aussiedler kamen (aus Polen und Russland hauptsächlich) wurde während einer Umschulung oder während der Sprachkurse Unterstützung aus der Rentenkasse bezahlt. Ich habe die Bescheide selbst gesehen. Außerdem hätten die Renten für die neuen Länder und sonstige Zuwanderer nicht aus der normalen Rentenversicherung bezahlt werden dürfen. Wer keine Beiträge einbezahlt hat, kann auch nichts entnehmen. Das kann ja gar nicht gutgehen. Aber den Rentnern die Jahrzehnte einbezahlt haben, versucht man jedes Jahr ein schlechtes Gewissen zu machen, weil die Rentenkasse einen Zuschuss braucht. Ja warum wohl????