Verfassungsreform in Schleswig-Holstein: Bürger machen nicht mit

Unter Beteiligung der Bevölkerung soll die Landesverfassung von Schleswig-Holstein überarbeitet werden. Doch nur wenige machen von der Möglichkeit Gebrauch. Warum?

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 05.09.2014

Die seit 1990 geltende Landesverfassung von Schleswig-Holstein soll überarbeitet werden, so wollen es die Volksvertreter. „Angesichts der vielen Ergänzungen und Änderungswünsche“ sei es an der Zeit gewesen, die „Systematik der Landesverfassung auf den Prüfstand zu stellen“, erklärte Landtagspräsident Klaus Schlie.

An der Reform sollte eigentlich auch die Bevölkerung mitwirken. Im Juni 2013 gab der Parlamentspräsident eine Pressemitteilung heraus, wonach ein Sonderausschuss des Landtages „zu Beginn der Beratungen interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit [gibt], dem Ausschuss eigene Vorschläge zu unterbreiten“. Der Stichtag war der 15. September 2013 – also rund drei Monate, um Vorschläge online oder per Post einzuschicken.

Ein Jahr später sieht die Bilanz äußerst dürftig aus. Nach Angaben des Sonderausschusses gingen lediglich fünf Vorschläge von Privatpersonen ein, weitere stammen von Organisationen wie dem Deutschen Mieterbund oder offiziell mitwirkenden Personen wie der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung. Die öffentlichen Tagungen - insgesamt gab es zehn - wurden laut Medienberichten kaum besucht.

Ein Artikel im Hamburger Abendblatt vom 17. Juli beschrieb die Reformarbeit als „verpufft“. Eka von Kalben, Vorsitzende der Grünen-Fraktion in Schleswig-Holstein, beklagte demnach, dass das, "was wir im Landtag machen, beim Bürger oft nicht ankommt“. Einzelne Parlamentarier sollten sich ihrer Meinung nach in den Wahlkreisen stärker engagieren.

Patrick Breyer, Landtagsabgeordnete der Piraten, sieht Gründe für die schwache Resonanz der Bürger u.a. bei den Politikern sowie einer fehlenden Berichterstattung. Für die Medien sei die Reform möglicherweise nicht kontrovers genug gewesen, so der Pirat, der in seinem Blog den Reformprozess dokumentiert.

Über den umstrittenen "Gottesbezug“ wurde zwar öffentlich debattiert. Konkret geht es um die Frage, ob in der Präambel der Verfassung die Formulierung „in Verantwortung vor Gott und den Menschen“ eingefügt werden soll. Andere Themen waren dagegen für die meisten Menschen offenbar nicht besonders kontrovers, etwa niedrigere Quoren für Volksbegehren und Volksentscheide, der Schutz der digitalen Privatsphäre oder die Inklusion.

So gesehen ließe sich die Zurückhaltung der Bevölkerung auch als Vertrauensbeweis für die Schleswig-Holsteinischen Abgeordneten interpretieren, nach dem Motto: Unsere Volksvertreter werden schon die richtige Entscheidung treffen...

Ob die dürftige Bilanz bei der Bürgerbeteiligung nun einem Vertrauen in die Politiker oder einer Verdrossenheit in der Bevölkerung geschuldet ist: Der Versuch, mehr Bürgerbeteiligung und damit Nähe zur Politik zu schaffen, war in jedem Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Leider haben viele Bürger diese Chance nicht wahrgenommen.

Beim nächsten Versuch sollte der Landtag in Erwägung ziehen, mit ganzer Kraft für die Bürgerbeteiligung zu werben – dann sollte es auch mit den Vorschlägen aus der Bevölkerung klappen.

Über die Verfassungsreform abgestimmt werden soll im Herbst.

Lilly Murmann

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