Werbung mit Bundestagsmandat: Wie Abgeordnete auf unsere Recherche reagierten

Es ist verboten, dass Abgeordnete mit ihrem Mandat im Nebenjob werben – dennoch verstießen einige gegen diese Vorschrift. Durch die Recherche von abgeordnetenwatch.de haben mehrere Politiker die unzulässigen Hinweise von geschäftlichen Internetseiten entfernen lassen. Ob es Sanktionen gab, will der Bundestag nicht sagen. Derweil wird noch immer gegen die Verhaltensregeln verstoßen.

von Sabrina Winter, 28.02.2019
Grafik: Lebenslauf Karl Holmeier

Auf der Website der Kanzlei „Jotzo & Partner Immorecht“ (JJ+P) wurde der Anwalt und FDP-Abgeordnete Christoph Meyer lange Zeit als „Mitglied des Deutschen Bundestages“ aufgeführt. Laut den Verhaltensregeln des Bundestages ist genau das verboten – aus gutem Grund: Abgeordnete sollen sich bei ihren Nebentätigkeiten keinen Vorteil gegenüber Mitbewerbern verschaffen, indem sie auf ihr Mandat hinweisen. Um das zu verhindern, gibt es den §5 der Verhaltensregeln. Die Vorschrift verbietet es, in beruflichen oder geschäftlichen Angelegenheiten auf die Mitgliedschaft im Bundestag hinzuweisen.

Der FDP-Politiker Meyer sah in dem Eintrag zunächst kein Problem. Als abgeordentenwatch.de ihn fragte, ob er darin einen Verstoß gegen die Verhaltensregeln erkenne, antwortete er schlicht: „Nein“, die Angabe gehöre zum Lebenslauf. Doch mit einem Mal verschwand der Hinweis auf Meyers Bundestagsmandat – nun ist auf der Kanzleiwebseite von einer „Politische[n] Haupttätigkeit (seit 2017)“ zu lesen. Warum er die Angabe plötzlich erneuerte, wollte Meyer auf Nachfrage nicht sagen.

„Ich habe umgehend veranlasst, dass die entsprechenden Hinweise auf mein Abgeordnetenmandat kurzfristig entfernt werden. Es gibt schlicht keinerlei Grund für diese Hinweise auf mein Mandat.“

Katja Keul (Grüne)


Abgeordneter beharrt auf Eintrag

Der FDP-Abgeordnete ist nicht der Einzige, der Hinweise auf sein Bundestagsmandat von einer geschäftlichen Seite entfernte. Durch die Recherche von abgeordnetenwatch.de entfernten mehrere Politiker die unzulässigen Angaben von Internetseiten – zum Beispiel Jürgen Pohl (AfD) und Jens Beeck (FDP).

Andere wiederum hielten eine Löschung für nicht erforderlich. Der CDU-Politiker und Anwalt Hans-Jürgen Thies ließ den Hinweis „MdB“ auf der Seite der Kanzlei „Wolter Hoppenberg“ stehen. Zur Begründung sagte er uns im vergangenen Herbst: „Damit meine Mandanten erfahren, dass ich nunmehr hauptberuflich in Berlin einer anderen, sehr zeitaufwändiger Tätigkeit nachgehe.“ Außerdem werde er Ende 2018 aus der Kanzlei ausscheiden. Doch auch heute noch findet sich ein Hinweis auf sein Mandat auf der Webseite. 

„Ich habe veranlasst, dass die von Ihnen problematisierten Stellen unverzüglich gelöscht werden. Die Veröffentlichung auf der Homepage der Partnergesellschaft war mir in dieser Form nicht bewusst.“

Matthias Miersch (SPD)


Bundestag legt Vorschrift streng aus

Aus dem Bundestag ist zu hören, dass die Bundestagsverwaltung, die in dieser Angelegenheit von zahlreichen Abgeordneten um Rat gefragt wurde, die Verhaltensregeln derzeit eher streng interpretiert. Das könnte ein Grund dafür sein, warum mehrere Politikerinnen und Politiker den Hinweis auf ihr Mandat entfernen ließen.

Nichtsdestotrotz wird weiterhin gegen die Verhaltensregeln verstoßen. So werben zum Beispiel diverse Lobbyverbände damit, dass sie Abgeordnete in ihren Reihen haben. Der Internetseite des „Vereins zur Förderung der Wettbewerbswirtschaft“ (VFW) ist beispielsweise zu entnehmen, dass der Vorstand der Lobbyorganisation zur Hälfte aus Bundestagsabgeordneten besteht. Zwei von ihnen fallen dabei besonders ins Auge. Bei den Vorstandsmitgliedern Karl Hohlmeier (CSU) und Matthias Heider (CDU) bekommen die verlinkten Lebensläufe einen hoch-offiziellen Anstrich, denn im Seitenkopf wird der Bundesadler verwendet. Dieses Staatswappen ist besonders geschützt. Nicht einmal in "in privaten Angelegenheiten, die keinen beruflichen oder geschäftlichen Charakter haben", dürfe der Bundesadler verwendet werden, heißt es in den Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages. 

„Nach Rücksprache mit der Bundestagsverwaltung habe ich die Hinweise zu meinen beruflichen Stationen im Europäischen Parlament und im Deutschen Bundestag, die lediglich in der Kurzvita als Teil meines beruflichen Werdegangs enthalten waren, von der Kanzlei GSK Stockmann sofort löschen lassen.“

Anja Weisgerber (CSU)


Keine Angaben zu möglichen Sanktionen

Auch wenn einige Abgeordnete gegenüber abgeordnetenwatch.de erklärten, die Hinweise auf ihr Mandat nicht selbst veranlasst zu haben, enthebt sie dies nicht von der Verantwortung. Die Bundestagspressestelle teilt dazu mit: „Verpflichtete der Verhaltensregeln sind die Abgeordneten. Als Teil des Geschäftsordnungsrechts des Deutschen Bundestages begründen sie keine Pflichten Dritter.“

Ob die Verstöße Konsequenzen haben, ist unklar. Die Bundestagsverwaltung wollte hierzu keine Auskunft geben. Mögliche Sanktionen sind intern ausgesprochene Ermahnungen, die von der Öffentlichkeit nicht nachzuvollziehen sind. 

Um zu erfahren, wie viele interne Ermahnungen es wegen des Verstoßes gegen die Verhaltensregeln in der Vergangenheit gab, hat abgeordnetenwatch.de vor kurzem Klage gegen den Bundestag eingereicht. 

Update 18.03.2019:

Nach unserer Recherche hat sich Matthias Heider (CDU) bei abgeordentenwatch.de gemeldet: Er ließ den Eintrag von der VFW-Website entfernen.

Update 08.05.2019:

Während der Recherche hat abgeordnetenwatch.de auch beim Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) nachgefragt, ob er etwas gegen diese Verstöße unternimmt. Nun kam die Antwort: Ein Mitarbeiter von Schäuble teilte mit, dass "beachtliche Erwägungen für eine Konkretisierung des Verbots" sprechen. Zurzeit bemühen sich die Fraktionen des Deutschen Bundestages um eine genauere Eingrenzung der Vorschrift bzw. deren Anwendung. Wie lange das dauern wird, bleibt offen.

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