Es ist eine ständige Gratwanderung: Geht es um Angelegenheiten der Partei oder der Fraktion? Bei jedem Social Media-Post, jeder Kampagne, jeder Anzeige stellt sich diese Frage. Der Grund: Fraktionen erhalten für ihre parlamentarische Arbeit Steuergelder, die sie unter anderem für Öffentlichkeitsarbeit nutzen können. Doch das Geld darf in keinem Fall für die Parteizwecke eingesetzt werden. Dies wäre eine illegale Parteienfinanzierung.
Doch das kommt immer wieder vor. So hatte die FDP-Fraktion kurz vor der Bundestagswahl 2013 Werbespots finanziert, die bundesweit in den Kinos liefen - und damit rechtswidrig für die Partei geworben. Laut einem Bericht des Bundesrechnungshofes ist dieses Beispiel aber nur eines von vielen, wie die Bundestagsfraktionen Steuermittel missbrauchen.
Werden Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen nachgewiesen, droht der Partei die Rückzahlung der öffentlichen Zuschüsse. Bei einem Verstoß gegen das Parteiengesetz kommen noch empfindliche Strafzahlungen obendrauf. Trotz einer Bewertung des Bundesrechnungshofes, dass die FDP Steuergelder "in erheblichem Umfang" missbraucht hatte, kam die Bundestagsverwaltung zu einem anderen Schluss - und ließ die FDP straffrei davonkommen.
Verfassungsrechtler Hans-Herbert von Arnim fordert Sanktionen bei zweckentfremdeten Steuermitteln
Wie aber legt man fest, was die Partei und was die Fraktion betrifft? Klare Regeln dafür existieren nicht. „Manchmal gibt es da einen gewissen Interpretationsspielraum“, sagt Stefan Koch, Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Ein Beispiel: Vor kurzem jährten sich die Anschläge vom 11. September – die Union wollte den Opfern gedenken. Ist das nun Sache der Partei oder Fraktion? Es war der Beginn einer internen Debatte. Das Ergebnis: Es ist Angelegenheit der Fraktion. Aber warum? Erstens: Die Abgeordneten mussten dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan mehrfach zustimmen. Und zweitens: Bei der Bundeswehr handelt es sich um eine Parlamentspartei. „In dieser Sache gab es also einen klaren Fraktionsbezug“, so Koch. Doch das ist nicht immer so.
Der renommierte Verfassungsrechtler Hans-Herbert von Arnim kritisiert die fehlende Grundlage, auf der Entscheidungen wie diese getroffen werden. „Der Bundesrechnungshof müsste endlich klare Regeln für die Fraktionen aufstellen. Aber das macht er nicht. Er schiebt den Schwarzen Peter ans Parlament und damit an die Fraktionen, die ja davon profitieren und dementsprechend nicht dagegen vorgehen“, erklärte von Armin gegenüber abgeordnetenwatch.de.
Oppositionsfraktionen erhalten mehr Steuergelder als die Regierung
Knapp 120 Millionen Euro erhalten die Bundestagsfraktionen jährlich für ihre parlamentarische Arbeit. Wie viel genau jede Fraktion davon bekommt, hängt von ihrer Größe ab, und ob sie in der Regierung oder der Opposition sitzt. So erhalten die Bundestagsfraktionen einen monatlichen Grundbetrag in Höhe von 452.121 Euro sowie einen monatlichen Betrag in Höhe von 9.438 Euro für jedes ihrer Mitglieder. Die Fraktionen, die in der Opposition sitzen, bekommen dazu noch einen Zuschlag – 15 Prozent auf den Grundbetrag, 10 Prozent für jedes Mitglied.
Mit den Steuermitteln soll sichergestellt werden, dass die Fraktionen ihre Arbeit im Parlament verrichten können. Dazu zählt auch die Organisation von Pressekonferenzen oder der Druck von Informationsbroschüren, sprich – die Öffentlichkeitsarbeit. Laut einem Bericht von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), der die Rechnungen der Fraktionen kürzlich geprüft hat, sind die Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit gegenüber dem Vorjahr gestiegen.
FDP-Fraktion gibt mehr Gelder für Öffentlichkeitsarbeit aus, als Union und SPD zusammen
Insbesondere die FDP-Fraktion sticht hier ins Auge. Bereits von 2018 auf 2019 hatten sich die Ausgaben der Fraktion für Öffentlichkeitsarbeit auf mehr als 1,4 Millionen Euro beinahe verdoppelt. Auf Nachfrage von abgeordnetenwatch.de, warum die Ausgaben deutlich höher seien als bei den anderen Fraktionen, antwortete ein Sprecher damals: „Die FDP-Fraktion war nach ihrer Gründung 2017 in den Folgejahren noch im personellen wie organisatorischen Aufbau. Entsprechend stiegen die Ausgaben für die Öffentlichkeitsarbeit ebenso wie auch die meisten anderen Ausgabenposten 2018 und 2019 an.“ Doch damit nicht genug. Auch im vergangenen Jahr sind die Ausgaben noch einmal deutlich angestiegen – auf jetzt mehr als 1,9 Millionen Euro. Das ist mehr, als Union und SPD gemeinsam für ihre Öffentlichkeitsarbeit ausgeben.
Kommentare
Karl-Heinz Rohmann am 24.09.2021 um 20:05 Uhr
PermalinkWenn solche Funktionszulagen gegen geltendes Recht bzw. gegen die Rechtssprechung verstoßen, sollte abgeordnetenwatch.de unverzüglich Klage gegen die Fraktionen bzw. Parteien einreichen!
Markus Windgassen am 25.09.2021 um 09:38 Uhr
Antwort auf Wenn solche Funktionszulagen… von Karl-Heinz Rohmann
PermalinkFür spezielle Themen kann abgeordnetenwatch vielleicht auch direkt "Thementöpfe" für Spenden einrichten. Das wäre dann auch eine mehr als zielgerecht Spende möglich.
Nach Erfolg , bei Auflösung einen Überschuss dann auf die anderen Themen verteilen.
Frank Wagner am 27.09.2021 um 14:29 Uhr
Antwort auf Wenn solche Funktionszulagen… von Karl-Heinz Rohmann
PermalinkSoweit mir bekannt kann Abgeordnetenwatch wegen der Fraktionszulagen nicht klagen, dies koennen nur Fraktionen selbst. Da aber alle Fraktionen sich diese Gelder zahlen wird wohl keine Fraktion klagen und wenn Sie das mal bei Parteien hinterfragen, behaupten diese das waere schon rechtmaessig und das obige Urteil fuer ihr Parlament nicht relevant. Aber solche Merkwuerdigkeiten gibt es auch bspw. im BetrVG, im Grunde darf ein BR nur das verdienen, was ein Angestellter mit gleicher Funktion im originaeren Job bekommt. Aber in der Realitaet kassieren bspw. bei VW, Siemens oder Daimler die BRs als wenn sie ploetzlich Manager waeren. Aber nur der Arbeitgeber, Gewerkschaften und der BR kann Anzeige erstatten, wenn das Gesetz gebrochen wird. Bei VW versucht eine Staatsanwaltschaft, dies nun ein wenig tricky ueber Untreue der VW Manager gegen diese Art der Korruption vorzugehen. Normale Arbeitnehmer jedenfalls koennen keine Anzeige erstatten und die Staatsanwaltschaft auch nicht von selbst taetig werden.
G. E. Gleich am 24.09.2021 um 20:23 Uhr
PermalinkSchade, dass abgeordnetenwatch.de dem "watch" im Namen allzu gerecht wird, vielleicht wäre eine Umbenennung in abgeordnetenwatchandACT.de zielführender.
Markus Windgassen am 25.09.2021 um 09:35 Uhr
Antwort auf Schade, dass… von G. E. Gleich
PermalinkDas würde uns alle freuen, erst recht wenn wir das "act" mit Spenden ermöglichen können.
Guter Spendenaufruf 👍😀
Bernhard Sommer am 24.09.2021 um 23:40 Uhr
PermalinkIch hoffe doch sehr oder gehe eigentlich davon aus, dass alle Kritiker regelmäßig an Abgeordnetenwatch spenden. Von nichts kommt nichts und ich bedanke mich für das geduldige Bohren dicker Bretter. Weiter so!
Harald Schmitz am 25.09.2021 um 09:09 Uhr
PermalinkDie Arbeit von "abgeordnetenwatch.de" wirft Schlaglichter auf Missstände, die leider systemimmanent sind. Man wird den Sumpf nicht austrocknen, weil die Frösche ( die Nutzniesser ) in unserem bestem Systemlobbyisten, Herrn Schäuble, einen allzumächtigen Schutzengel haben. Das 'junge Volk' geht für die Umwelt , Erwärmung und CO2-Belastung auf die Strasse, leider aber nicht für die unsägliche Geldverschwendung in und durch alle Parlamente - mit dem größten Pfuhl in Brüssel. Ein Volk bekommt immer das, was es verdient !
Carsten Last am 19.10.2021 um 10:58 Uhr
PermalinkIn dem Artikel ist euch ein Fehler unterlaufen. Die Entscheidung des BVerfG zu den Fraktionszulagen (2 BVH 3/91 vom 21. Juli 2000) betraf den Fall von gesetzlichen (!) Zulagen. Im Thüringer Abgeordnetengesetz war geregelt, dass eine Fraktionsvorsitzende und weitere Fraktionsämter gesetzlich zusätzlich entschädigt werden. Dass der Gesetzgeber einige Abgeordnete mit einer zusätzlichen Diät ausstatte, verstoße gegen die Gleichheit der Abgeordneten, entschied Karlsruhe. Im Bundestag gibt es keine (!) solchen gesetzlichen Zulagen für Fraktionsfunktionen. Lediglich für Parlamentsfunktionen gibt es im AbgG eine zusätzliche Entschädigung (Präsidentin, Vizepräsidentin, Ausschussvorsitzende, etc). Die Zahlungen der Fraktionen selbst erfolgt im Rahmen ihrer Autonomie und nach entsprechendem Beschluss in den Fraktionsversammlungen (nur diese können über den Fraktionshaushalt entscheiden). Dies ist rechtlich ein völlig anders gelagerter Fall. Ob man solche Zulagen politisch in Ordnung findet, ist eine andere Frage. Allerdings bestreitet bislang niemand, dass eine Fraktionsvorsitzende gegenüber ihren Kolleginnen ohne Fraktionsamt in erheblicher Weise zusätzliche Aufgaben stemmt.
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