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Frage von Andreas N. •

Frage an Klaus Brähmig von Andreas N. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Brähmig,

laut (leider nicht repräsentativen) Umfragen verschiedener Medien, lehnen zwischen 72% (Umfrage der Bayrischen Rundfunks) und 77% (Freenet) der Deutschen den Einsatz der Bundeswehr-Tornados in Afghanistan ab.

Bei der Abstimmung im Bundestag hingegen, stimmten jedoch über 65% der Abgeordneten für den Einsatz, wobei die Zustimmungsquote der CDU/CSU-Fraktion annähernd 90% erreichte. Auch Sie haben am 09.03.07 Ihre Stimme zur Beteiligung der Bundeswehr an einem völkerrechtlich zumindest fragwürdigen Einsatz abgegeben, der Deutschland ins Visier muslimischer Terroristen bringen könnte.

Wie kann es in einer Demokratie passieren, dass sich Parlamentsentscheidungen so gegenläufig zur Mehrheitsauffassung des Volkes verhalten? Warum haben Sie für den Einsatz gestimmt, der für Deutschland keinen erkennbaren Vorteil, sondern nur immense Kosten und eine mögliche Verschärfung der Sicherheitslage bringen wird?

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Antwort von
parteilos

Sehr geehrter Herr Neubauer,

vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de vom 04. April 2007, in der Sie sich kritisch mit dem Tornadoeinsatz der Bundeswehr in Afghanistan auseinandersetzen. Weiterhin sprechen Sie die Repräsentation der Volksmeinung im Deutschen Bundestag an. Dazu möchte ich wie folgt Stellung nehmen:

Wie Sie schon richtig bemerkt haben, können die beiden von Ihnen angesprochenen Umfragen nicht als repräsentativ bezeichnet werden. Daher sind sie für eine Wiedergabe der allgemeinen Volksmeinung bezüglich der Tornadoeinsätze in Afghanistan ungeeignet. Fehlerhafte und nicht repräsentative Umfragen bergen immer die Gefahr, das Gesamtbild nur verzerrt wiederzugeben und sind daher stets mit dem nötigen kritischen Abstand zu lesen. Weiterhin möchte ich Sie darauf hinweisen, dass die Bundesrepublik Deutschland eine repräsentative Demokratie ist. Die repräsentative Demokratie ist eine Form der indirekten Demokratie, in der Volksvertreter gewählt werden, die souverän und ohne direkte Eingriffsmöglichkeit des Volkes die politischen Entscheidungen treffen. Dies wird auch in Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 GG näher bestimmt. Dort heißt es: „Sie (die Abgeordneten) sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ Aus diesem Grund spricht man auch davon, dass der deutsche Abgeordnete über ein freies Mandat verfügt. Das freie Mandat bedeutet, dass der für 4 Jahre gewählte Abgeordnete sein Mandat frei ausübt und dafür niemandem gegenüber verantwortlich ist.

Gerade bei der Frage von Militäreinsätzen ist diese Freiheit des Abgeordneten unabdinglich. Da ich mir über die hohe Verantwortung, die mir der Wähler auf Zeit übertragen hat, durchaus im Klaren bin, werde ich sicherlich keinen deutschen Soldaten ohne eingehende Gefahrenanalyse und eigene Gewissensüberprüfung in einen Militäreinsatz schicken.

In den Sitzungen des CDU-Fraktionsvorstandes liefern uns hierbei die Experten aus den Arbeitsgruppen und Ministerien wertvolle Hintergrundinformationen, die die Grundlage für eine offene Diskussion innerhalb der Fraktion bilden. In der Regel werden aufgrund dieser Hintergrundinformationen bereits Vorentscheidungen über das Abstimmungsverhalten im Bundestag getroffen. Dieses sehr dichte Informationsangebot fehlt dem „normalen“ Bundesbürger, wenn er bei Umfragen nach seiner Meinung befragt wird. Insofern basieren die Divergenzen zwischen dem Meinungsbild in der Bevölkerung und dem abweichenden Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag auch auf einem sehr unterschiedlichen Informationsstand.

Angesichts der o. g. Tatsachen haben teilweise meine Kollegen einen Einsatz deutscher Tornados in Afghanistan aus persönlichen Gewissensgründen abgelehnt. Es steht ihnen frei, gegen die Entscheidungen der eigenen Partei, aber auch gegen die Überzeugung von Teilen der Bevölkerung zu votieren. Immerhin 10% der CDU/CSU Abgeordneten haben bei der Abstimmung zu den Einsätzen von diesem Recht Gebrauch gemacht.

Zu Ihrer Frage nach meinen individuellen Gründen für mein Ja führe ich Folgendes an: Deutschland ist für den Erfolg der Gesamtmission in Afghanistan mitverantwortlich. Mit den Aufklärungs-Tornados wird es in Zukunft besser möglich sein, Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Damit wird vor allem der Schutz der afghanischen Bevölkerung, unserer Soldaten und unserer Verbündeten vergrößert. Ebenso dient eine verbesserte Aufklärung auch dem Schutz von zivilen Entwicklungshelfern sowie der gefährdeten Wiederaufbauprojekte. Nach eigenen Angaben haben die Taliban bis zu 10.000 Kämpfer zusammengezogen, um in den kommenden Monaten die Lage in Afghanistan zu destabilisieren, die Autorität der afghanischen Regierung zu unterminieren und erneut ein fundamentalistisches Regime zu errichten. Es ist auch Aufgabe der internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force/ISAF) zu verhindern, dass diese bewaffneten Kräfte wieder die Oberhand gewinnen. Je besser die Aufklärungsfähigkeit der ISAF ist, desto besser, angemessener und verhältnismäßiger kann die ISAF reagieren. Somit steht der geplante Einsatz von Tornado-Aufklärungsflugzeugen im Einklang mit der bisher verfolgten ISAF-Strategie in Afghanistan. Besonders im Süden und Osten des Landes sehen sich die Truppen unserer Verbündeten mit zunehmendem Widerstand und Gewalttaten der Taliban konfrontiert. Scheitert aber die Stabilisierung der Lage im Süden, ist auch der Erfolg beim Wiederaufbau im Norden infrage gestellt, wo die Bundeswehr vornehmlich stationiert ist.

In der jetzigen Debatte über die Tornados ist immer wieder die Rede von einer neuen Qualität des ISAF-Einsatzes, welche die Bundeswehr zur „aktiven Kriegspartei“ werden lasse. Tatsache ist, dass die Bundeswehr schon vor Jahren gefährliche Aufgaben in Afghanistan übernommen hat und dementsprechend mit einem robusten Mandat ausgestattet ist. Ihrem Auftrag liegt die politische Grundüberzeugung „ohne Sicherheit keine Entwicklung“ zugrunde.

Laut den internationalen Vereinbarungen zu Afghanistan (Bonner Abkommen, Afghanistan Compact) umfasst die angebotene Hilfe alle Arten von Unterstützungsleistungen für Afghanistan. Das politische Konzept zur Umsetzung dieser Unterstützungsleistungen wurde gründlich durchdacht und gemeinsam mit allen beteiligten Ressorts beschlossen. Auch die militärische Komponente musste dabei eine Rolle spielen, denn kein Parlamentarier fällt seine schwierige Entscheidung unter isoliert-militärischer Betrachtung.

Afghanistan wird man sicherlich nicht stabilisieren können, indem man die Taliban an einen Runden Tisch bittet, wie sie beispielsweise der SPD-Parteivorsitzende Kurt Beck fordert. Der Glaube der Konflikt in Afghanistan lasse sich lösen, indem man einer Terrorgruppe, die Gelegenheit gibt, an der Lösung der Konflikte mitzuwirken, deren Ursache sie selbst sind, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Mit einer zutiefst menschenverachtenden Terrorgruppe, die öffentliche Hinrichtungen in einem Sportstadion inszeniert, die Frauen entrechtet und zudem die 1.500 Jahre alten Buddha-Statuen von Bamiyan, die zum Unesco- Weltkulturerbe zählten, in die Luft sprengt, können keine Verhandlungen geführt werden. Dem Terroregime der Taliban fiel alles zum Opfer, was unter „Kultur und Zivilisation“ subsumiert werden kann, von Musik bis zu den elementaren Menschenrechten. Hier ist ein entschiedenes militärisches Vorgehen zum Schutz der afghanischen Bevölkerung und der zivilisierten Welt notwendig.

Abschließend möchte ich bemerken, dass ich als Bundestagsabgeordneter, deutsche Soldaten keiner sinnlosen Gefahr aussetzen würde. Aber die Geschichte der Menschheit zeigt, dass es leider teilweise einer militärischen Auseinandersetzung bedarf, um einen dauerhaften Frieden zu schaffen. Afghanistan leidet seit mehr als 20 Jahren an Kriegen bzw. Bürgerkriegen, auch diese Zahl soll verdeutlichen, dass wir das Risiko eingehen sollten, um der Region neue Hoffnungen und Perspektiven zu schenken. Das deutsche Engagement wird von den demokratisch gewählten Politikern Afghanistans und den ortsansässigen Nicht- Regierungsorganisationen ausdrücklich gewünscht.

Für weitergehende Gespräche stehe ich Ihnen gerne im Rahmen einer Bürgersprechstunde in meinen Wahlkreisbüros zur Verfügung. In der Hoffnung, dass Sie sich trotz meiner abweichenden Meinung auch weiterhin gut durch mich vertreten fühlen, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen
Klaus Brähmig