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Kerstin Müller
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Frage von Darko M. •

Frage an Kerstin Müller von Darko M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Müller ,

Der Neuauflage des EU-Verfassungs-Vertrages dem „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“, hat die Bundesregierung bereits zugestimmt. Der Bundesrat und Sie als Mitglied des Bundestages müssen hierüber noch abstimmen.

Wir möchten Sie hiermit auf den nachfolgenden Artikel 2 „Das Recht auf Leben“, der mit das Fundament für die Grundrechte in Europa darstellen soll und über das Sie abstimmen werden, aufmerksam machen:
(Deutscher Bundestag, Drucksache 15/4900;gekürzt wegen Zeichenbeschränkung)

Artikel 2 2)

Recht auf Leben

(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Leben.

(2) Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.

E r l ä u t e r u n g

1. Absatz 1 dieses Artikels basiert auf Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention
, der wie folgt lautet:
„(1) Das Recht jedes Menschen auf Leben wird gesetzlich geschützt …“.

2. „Die Todesstrafe ist abgeschafft. Niemand darf zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet
werden.“ Auf dieser Vorschrift beruht Artikel 2 Absatz 2 der Charta.

3. So müssen die in der EMRK enthaltenen „Negativdefinitionen“ auch als Teil der Charta betrachtet werden:
a) Artikel 2 Absatz 2:
„Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch
eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um
a) jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;
b) jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;
c) einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen“.

b) Artikel 2 des Protokolls Nr. 6:
„Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe für Taten vorsehen, die in Kriegszeiten
oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden …“.

Wir möchten von Ihnen, einem Vertreter des gesamten deutschen Volkes, der nur seinem Gewissen verpflichtet ist, wissen, ob Sie für oder gegen das genannte Vertragswerk stimmen werden.

Für eine Antwort sei vorab gedankt.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Marx,

vielen Dank für Ihre Email vom 18.03.2008.

Mit Bedauern nehme ich Ihre sehr kritische und ablehnende Haltung zum Vertrag von Lissabon zur Kenntnis und hoffe, mit meiner Antwort Missverständnisse oder missliche Interpretationen aus dem Weg zu räumen. Denn wir als Bündnis 90/Die Grünen unterstützen den Vertrag von Lissabon. Er ist nach einer achtjährigen Reformphase wichtig und richtig für die künftige Arbeit der EU. Er macht mehr europäische Politik beispielsweise in der Außenpolitik, in der Energiepolitik aber auch in der Innen- und Justizpolitik möglich. Er gibt den Bürgerinnen und Bürgern mehr Rechte, denn sie können sich dann über ein Europäisches Bürgerbegehren aktiv in europäische Politik einschalten. Er wertet die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger zur Wahl zum Europäischen Parlament auf, denn dieses kann künftig in viel mehr Bereichen mitentscheiden. Er gibt den nationalen Parlamenten mehr Rechte, die sogar soweit gehen, dass ein einziges Parlament Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einlegen kann, wenn das Prinzip der Subsidiarität verletzt wurde. Der Vertrag von Lissabon macht die EU demokratischer, effizienter und transparenter.

Die Europäische Menschenrechtskonvention, auf die sich der von ihnen genannte Artikel bezieht, lässt tatsächlich unter bestimmten Umständen die Todesstrafe zu, dies war der Kompromiss, der zum Zeitpunkt der Erarbeitung der EMRK (1950) erreicht werden konnte. Dies ist jedoch inakzeptabel, daher sind dann in der Folge zwei Zusatzprotokolle zur EMRK verfasst worden, mit denen die Todesstrafe unter allen Bedingungen abgeschafft wird. Dabei handelt es sich um das 6. und das 13. Zusatzprotokoll. Deutschland und eine Zahl der Europarats-Mitglieder haben diese beiden Protokolle unterzeichnet und ratifiziert. Damit hat es sich, wie auch durch sein Grundgesetz, zu einem höheren Schutz verpflichtet als von der EMRK vorgesehen.

Mit freundlichen Grüßen

Kerstin Müller, MdB