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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Barbara F. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Barbara F. bezüglich Jugend

Sehr geehrter Herr Ströbele,

"Kitazeit ist in Berlin Bildungszeit", ist auf der Berliner Senatsverwaltungs-Webseite für Bildung, Jugend und Wissenschaft zu lesen. Es wird versprochen, dass "alle Berliner Kitas das Berliner Bildungsprogramm um(setzen)". Genau das aber sehen wir aufgrund eines unverantwortlichen Erzieher/innenmangels gefährdet.

Unsere Erfahrung mit dem Kita-Eigenbetrieb von Berlin zeigt seit fast drei Jahren - von der Krippe bis zum Kindergarten – vor allem eine Konstante: den Mangel an Erzieherinnen. Auch wenn diese hochgradig engagiert sind und sich in kreativer Weise um die Umsetzung des Berliner Bildungsprogramms bemühen, halten wir die permanente Mangelsituation bei Kindergärten City für unverantwortlich und unhaltbar.

Wir fragen Sie als wählbaren Abgeordneten der Grünen unseres Wahlbezirkes wie eine Erzieherin allein mit 15 Kindern im Alter von drei bis vier Jahren mit unterschiedlichem Entwicklungsgrad und Deutschkenntnissen das Bildungsprogramm in seinen verschiedenen Facetten vom Malen, Basteln, Musizieren, Bewegen, Erforschen etc., umsetzen soll.

Im Kitaförderungsgesetz von Berlin ist ein Betreuungsschlüssel von 9 dreijährigen Kindern pro Erzieherin bei Ganztagsbetreuung und 11 bei Teilzeit festgelegt. In unserer Kita sind bei den Dreijährigen 15 Kinder pro Erzieherin die Regel. Was sagen Sie dazu?

Welche Handlungsempfehlung geben Sie an uns Eltern, damit sowohl die Erzieherinnen als auch unsere Kinder Situationen vorfinden, in denen die Kitazeit wirklich "Bildungszeit" ist.

Und: Was wollen Sie als gewählter Wahlkreisabgeordneter tun, um sich nicht nur quantitativ einer "im Bundesvergleich überdurchschnittliche guten Kindertagesbetreuung" zu rühmen, sondern sie qualitativ tatsächlich zu haben?
Wir ( mehrere Eltern unserer Kita) sind sehr gespannt auf ihre Antwort, und hoffen, diese bald zu erhalten,

Besten Dank im Voraus für Ihre Antwort und mit freundlichen Grüßen

Barbara Falkner / Britta Scholtys

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Falkner,
Sehr geehrte Frau Schlots.

Sie haben völlig Recht der Mangel an Erzieherinnen für Kitas ist ein völlig unhaltbarer Zustand. Da muss etwas geschehen gerade für die Gruppen von Kindern aus unterschiedlichen Sprach- und Kulturräumen. Das sage ich auch auf fast jeder Veranstaltung im Wahlkampf.
Leider kann der Bezirk kaum Abhilfe schaffen.
Die Betreuungsschlüssel, also wie viel Personal pro Kind zur Verfügung stehen muss, werden von den Ländern geregelt. Momentan gelten in Berlin folgende Schlüssel:
Für drei- bis sechsjährige Kinder in Ganztagsbetreuung gilt etwa, dass eine Erzieherin auf neun Kinder kommen muss. Bei Zwei- bis Dreijährigen ist der Schlüssel niedriger, dort soll eine Fachkraft für sechs Kinder zuständig sein.
Bei Unter-Zweijährigen gilt ein Betreuungsschlüssel von 1:5.
Die Länder finanzieren das Personal auch, da die Kinderbetreuung Ländersache ist.
In Berlin hat der Bezirk mit der Personalausstattung der KITAs eigentlich nicht viel zu tun.
Der Bezirk hilft bei der Organisation von Grundstücken und Gebäuden und bei der Beantragung von Mitteln. Aber die ganzen Vorgaben kommen von Landesebene.
Dort gibt es auch den LEAK (Landeselternausschuss KITA) zu dem man auch hingehen kann, um sich über die Gesamtsituation aufklären zu lassen.

Über die Initiative "Offensive Frühe Chance" des Bundes können Einrichtungen mit einem besonderen Sprachförderbedarf eine zusätzliche Kraft über Bundesmittel mitfinanzieren. Aber verfassungsrechtlich sind Länder und Kommunen zuständig.

Der Personalmangel in Berlin kommt vor allem daher, dass es nicht genug Erzieherinnen und Erzieher gibt. Und die die es gibt, werden nach Senatsvorgaben bezahlt. Diese Bezahlung ist bei dem stressigen Job zu niedrig. Viele Träger können freie Stellen nicht besetzen. Nach Schätzungen der GEW sind 5% der Stellen unbesetzt. Den Betreuungsschlüssel zu verbessern, würde die Knappheit momentan also nur verstärken, ohne etwas an der Realität zu ändern. Denn dann würde das zu wenige Personal nur noch weniger Kinder betreuen dürfen.
Der Senat hat trotz gegenteiliger Ankündigungen die Ausbildungskapazitäten für Erzieherinnen und Erzieher nicht erhöht. Die Grünen im Abgeordnetenhaus fordern ihn seit Jahren. Das wäre die sinnvollste Maßnahme. Denn auch ein weiterer KITA-Ausbau ergibt nur Sinn, wenn auch genug qualifiziertes Betreuungspersonal verfügbar ist.
Die aktuellen Betreuungsschlüssel werden auch nicht eingehalten werden. Bei einer Stichprobenuntersuchung im Juni fehlten laut Rechnungshof in 111 Einrichtungen 163 Erzieher. Deshalb werden zu viele Kinder von zu wenigen Menschen betreut. Die Kontrollen reichen nicht. 13 Vollzeitstellen bei der KITA-Aufsicht reichen für 130.000 Kitaplätzen in 2.200 Einrichtungen .

Wie Sie sehen, sind die Grüne für Ihre Beanstandungen vielfältig und vieles auf die Unterfinanzierung zurückzuführen.
Deshalb fordern die Grünen, dass der Bund eine Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich Ländern und Kommunen zur Verfügung stellt. Die Gelder könnten aus einer Erhöhung der Steuer auf die Vererbung großer Vermögen kommen.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele