Nicht selten haben sich Kommunalpolitiker in ihren Stadt- und Gemeinderäten schon seit Jahrzehnten eingerichtet, Söhne erben das Mandat ihres Vaters, und der örtliche Bauunternehmer entscheidet als Ratsmitglied ganz selbstverständlich darüber mit, wer den Bauauftrag für die neue Turnhalle oder den Rathausanbau erhält. Es gibt viele Fragen, die man als Bürger gerne stellen möchte. Aus diesem Grund startet abgeordnetenwatch.de heute erstmals auch
auf kommunaler Ebene. Denn bei den Entscheidungen, die von den Kommunalpolitikern vor Ort getroffen werden, geht es um Themen, die jeden von uns direkt betreffen: die Schließung von Kultureinrichtungen und Schwimmbädern, die öffentliche Strom- und Wasserversorgung, den ÖPNV und vieles mehr. Zahlreiche Kommunalpolitiker, die sich in den vergangenen Tagen bei uns gemeldet haben, freuen sich auf den Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern ihrer Stadt über das Internet - sie betrachten es als Chance. Zwei Ratsmitglieder sind spontan Fördermitglied geworden. Doch es gibt auch Verweigerer, denen an einem öffentlichen Frageportal nicht gelegen ist. Warum? Vier Beispiele:
Der Ratsherr: „Schutz meiner Daten“ Seine Mail an uns ist ohne Anrede und besteht aus einem einzigen Satz:
Ich bitte Sie, mit Hinweis auf den Schutz meiner Daten, eindringlich meine Daten von Ihrem Portal herunterzunehmen.
Man wüsste zu gern, an welcher Stelle der Datenschutz verletzt wird, wenn man den Kommunalpolitiker in einer deutschen Großstadt im Zusammenhang mit seinem Mandat im Internet aufführt?
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende: „Bitte um Mitteilung, wer Sie rechtlich vertritt“
Zu der Veröffentlichung meiner Daten oder auch nur des Namens in Abgeordnetenwatch habe ich keine Zustimmung erteilt,
teilt uns die Ratsfrau und stellvertretende Fraktionsvorsitzende per Mail mit. Und:
Bitte entfernen Sie alle Angaben zu meiner Person unverzüglich aus Ihren Internetseiten und sonstigen Informationsmitteln. Bitte bestätigen Sie mir den Eingang meiner Aufforderung und dass Sie dieser nachkommen. Außerdem bitte ich Sie um Mitteilung, wer Sie rechtlich vertritt.
Kurz nach Eingang ihrer Mail übermittelt uns die Stadträtin aus der Landeshauptstadt ihre Botschaften sicherheitshalber auch noch einmal telefonisch. Dabei fehlt der Hinweis nicht, dass sie selbstverständlich nichts gegen Transparenz habe, ganz im Gegenteil: Wer zu ihr komme oder sie direkt anschreibe, erhalte auch eine Antwort. Dieses „Ja, aber“-Argument ist inzwischen wohlbekannt, doch auch beim hundertsten Mal klingt es vor allem nach einem: Ausrede. Warum nicht einfach mal Transparenz an den Tag legen und öffentliche Bürgerfragen öffentlich beantworten? Am Aufwand kann es nicht liegen, denn einem Bürger unter vier Augen zu antworten dauert nicht länger als auf öffentlichem Wege. Und überhaupt: Sollten nicht wir, das Volk und Souverän, darüber entscheiden, in welcher Form wir uns mit unseren Repräsentanten austauschen wollen?
Der Fraktionsgeschäftsführer: „abgeordnetenwatch.de für unsere Stadt - unglücklich“
Bei allem Verständnis für Transparenz (...) - wir halten den Start von AW für unsere Stadt für überaus unglücklich,
schreibt der Fraktionsgeschäftsführer. Seine Begründung:
Der Stadtrat ist eben leider kein klassisches Parlament und eben auch nicht Teil der Legislative wie es auf Landes-, Bundes- und Europäischer Ebene der Fall ist.
Formell stimmt das. Doch mit der Lebenswirklichkeit hat das nichts zu tun. Sind denn ausschließlich „Abgeordnete“ gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern rechenschaftspflichtig? Soll eine Mutter deswegen ihre Fragen zum Fehlen von Kita-Plätzen unterlassen, weil die Entscheidungsträger im örtlichen Rathaus „Stadträte“ sind und im formellen Sinn keine „Abgeordneten“, da sie keine Gesetze beschließen? Selbstverständlich hat auch der Fraktionsgeschäftsführer nichts gegen Öffentlichkeit, und schon gar nicht gegen das Internet: „Wir nutzen Facebook und Twitter rege für die Kommunikation“, schreibt er uns. „Bürgerinnen und Bürger können darüber öffentlich Kontakt mit uns aufnehmen.“ Soziale Netzwerke werden von Volksvertretern gerne als Feigenblatt für vermeintliche Transparenz genutzt. Gegenüber einer unabhängigen Plattform wie abgeordnetenwatch.de haben Facebook und Twitter für einen Politiker einen entscheidenen Vorteil: Sie behalten dort die Kontrolle über ihre Kommunikation. Oder anders ausgedrückt: Auf abgeordnetenwatch.de darf nicht der Politiker darüber entscheiden, mit welcher Frage sich ein Bürger an ihn wenden darf.
Der Bauunternehmer: „Will keine Mails voller Schrott“ Tagsüber führt er ein Bauunternehmen, abends engagiert er sich zum Wohle seiner Stadt im örtlichen Gemeinderat. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Doch öffentlich im Internet möchte der Kommunalpolitiker für Bürger nicht ansprechbar sein. Er wolle von uns künftig keine weiteren „Mails voller Schrott haben“, erklärt er am Telefon. Wer mit dem Ratsherrn Kontakt aufnehmen will, kann dies übrigens schon längst tun - er muss lediglich zum Telefon greifen und im "MedienCenter" der Partei anrufen:
14 Cent pro Minute aus dem deutschen Festnetz - so viel sollte es einem Bürger schon wert sein, um mit einem Kommunalpolitiker in Kontakt zu treten.
Vier Beispiele von vier verschiedenen Parteien aus vier verschiedenen Städten. Dass Bürger Politikern öffentlich Fragen stellen, ist offensichtlich noch nicht selbstverständlich. Demnächst können Sie dabei mithelfen, dass dies zur Selbstverständlichkeit wird und selbst abgeordnetenwatch.de für Ihren Stadtrat oder den Kreistag anlegen. Alle Informationen gibt es hier im Blog oder in unserem Newsletter. Bleiben Sie auf dem Laufenden über abgeordnetenwatch.de für Ihren Stadtrat und abonnieren Sie hier unseren Newsletter - natürlich kostenlos und jederzeit wieder abbestellbar.
Update von 15:00 Uhr: Tilo Kießling, Ratsmitglied aus Dresden, hat unten folgenden interessanten Kommentar gepostet:
Nun, ich bin hier als Dresdner Stadtrat eingetragen worden und darüber nicht sehr glücklich. Natürlich werde ich jede Frage nach bestem Wissen und Gewissen beantworten, und selbstverständlich sind die auf der Wahlbewerbung angegebenen persönlichen Daten öffentlich. Nur entsteht meines Erachtens durch die Einschaltung dieser “öffentlichen” Ebene Abgeordnetenwatch ein mehrfacher Bruch. So muss ich annehmen, die hier gestellten Fragen werden nicht nur der Fragen wegen sondern besonders wegen der ÖFFENTLICHEN Fragestellung gestellt. Das kann schon ein bedeutender Unterschied sein. Und selbstverständlich erkenne ich, dass ich nicht in einem persönlichen Gespräch mit einer Bürgerin oder einem Bürger agiere, wo mir ein Irrtum verziehen wird oder ich mir auch Zweifel leisten kann, sondern ich hier auf der öffentlichen Bühne antworte. Das wird ganz selbstverständlich meine Antwort beeinflussen. Es entsteht sozusagen eine Transparenz durch die Milchglasscheibe. Transparent wird ausschließlich, wer mich was fragt und wie meine Antwortfähigkeiten sind. Aber ist es denn das, was Bürgerinnen und Bürger wissen müssen, um wieder näher an die kommunale Politik heranzurücken?
In seinem Posting spricht Kießling die Bürgerinnen und Bürger direkt an. Eure Meinung?
Update vom 23.6.2011: Heute erhielten wir die folgende Mail von einem Ratsmitglied:
Die Befragung über Abgeordnetenwatch.de ist für mich eine hervorragende Möglichkeit in der Kommunalpolitik, die leider noch vorhandene Distanz zu den Bürgern zu verkürzen und auch das Mandat der Gemeinderäte zu stärken. Ich wünsche Ihrer Plattform auch für Villingen-Schwenningen eine sehr gute Resonanz und viele engagierte Fragen und Antworten.
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Kommentare
In eigener Sache: Warum Abgeordnetenwatch die Kommentar-Funktion abgeschaltet hat
Frank Heinze am 17.06.2011 um 20:14 Uhr
PermalinkEine hervorragende Sache. Das muss auch in Erlangen eingeführt werden. Einen ähnlichen Vorstoß hatte ich (Stadtrat) 2008 gemacht. Und zwar wollte ich das Abstimmungsverhalten bei namentlichen Abstimmungen veröffentlicht haben:
http://www.erlanger-linke.de/antraege/206TransparenzDesAbstimmungsverhal...
Das stieß auf wenig Gegenliebe, wieder wurde der Datenschutz ins Felde geführt. Wenigstens die Presse griff es auf. : http://www.erlanger-linke-stadtrat.de/abstimmungsverhalten.pdf
Ein Trauerspiel! Wenn schon die Mehrheit der Kommunalpolitik nicht will, dann muss die engagierte Bürgerschaft Druck machen. Drei Daumen hoch für diese Aktion.
MfG,
Frank Heinze
Stadtrat
Mandy Meier am 17.06.2011 um 20:23 Uhr
PermalinkDie Einbindung von Kommunalpolitikern bei AW ist ganz eindeutig ein Schwert mit zwei Schneiden.
Zum einen ist es selbstverständlich, wenn Kommunalpolitiker den Bürgerinnen und Bürgern Rede und Antwort stehen und stehen müssen und kein Medium ist so schnell und unkompliziert wie das Internet.
Aber dies würde ich doch sehr stark auf die Kommunalpolitiker beschränken, die ihre Tätigkeit auch beruflich betreiben. D.h. Bürgermeister, Stadträte, Fraktionsvorsitzende usw.. Die Politiker die einfache Mitglieder der Kommunalparlamenten sind, sind dies ehrenamtlich. Sie stehen meist in einem geregelten Berufsleben und leisten ihr politisches Engagement in ihrer Freizeit.
Und da gibt es gleich zwei Argumente, warum diese Politiker nicht gezwungen werden sollten bei AW teilzunehmen.
1) Die ehrenamtlich tätigen sollten nicht genötigt werden zusätzlich zu ihrem Engagement eine im Zweifelsfall sehr große Zahl an Bürgeranfragen zu beantworten, dafür sind die Amtsträger (beruflich politisch Tätige) aus den Fraktionen zuständig.
2) Öffentliche politische Äußerungen werden in der Gesellschaft sehr oft negativ bewertet und wirken sich auf die Arbeitswelt der ehrenamtlich tätigen aus. Hier sind für diese ehrenamtlichen Politiker, egal welcher Partei, negative Folgen zu erwarten.
Wie gesagt, wer mit Politik sein Geld verdient, sollte natürlich eingebunden werden. Wer seine politische Arbeit aber ehrenamtlich macht, sollte doch bitte verschont werden
cervo am 17.06.2011 um 22:11 Uhr
PermalinkHallo Herr Kießling,
vollkommen unabhängig von (oder wegen) der entstandenen Diskussion: vielen Dank, dass Sie sich äußern.
Peter Muntz am 18.06.2011 um 00:43 Uhr
Permalink@Mandy Meier: Sie stellen unbegründete Behauptungen auf. Wahrscheinlich rühren ihre Ängste daher, dass sie abgeordnetenwatch völlig falsch einschätzen.
Die Behauptung, durch abgeordnetenwatch würde man Lokalpolitiker
unnötig belasten, ist gleich in dreifacher Hinsicht falsch:
1. Bekommt man hier keine Flut von Fragen, da selbst sehr bekannte und im Bundestag vertretene Bundespolitiker im Durchschnitt gerade mal 50 Fragen PRO JAHR erhalten. Bei einem weniger bekannten Politiker und ganz besonder bei Lokalpolitiker werden es also auch drastisch weniger sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Gemeinderat mehr als 4 Fragen PRO MONAT bekommt. Wer das als "zu viel Arbeit" bezeichnet, sollte sich vielleicht fragen, ob ihn seine Tätigkeit als Politiker nicht vielleicht grundsätzlich überfordert und ob er es vielleicht lieber jemanden überlässt, der das "verkraften" kann?
2. Werden die Fragen moderiert und niemand ungeprüft zugemüllt. Jeder Politiker erhält hier also einen kostenlosen Vorabfilter, der sicherstellt, dass wirklich nur Fragen veröffentlicht werden und keine sinnlosen Beleidigungen und auch doppelte Fragen und solche die schon mal beantwortet wurden, werden aussortiert. Für diese Arbeitserleichterung müssten Lokalpolitiker normalerweise eine Bürokraft einstellen!! Hier gibt es diesen Service gratis und jeder Politiker der eine öffentliche Mail-Adresse hat (also faktisch jeder!) kann von allen Bürgern sowieso angemailt werden. Wenn ein Bürger eine Frage an einen Politker hat, schreibt er diesem Politiker so oder so - es gibt also keinen Arbeitszeitverlust und auch keine Verschlechterung oder mehr Fragen durch abgeordnetenwatch, sondern nur eine Arbeitserleichterung.
3. Sollte man nicht dem Irrlgauben erliegen, Politiker (insbesondere Lokalpolitiker) könnten durch ihre Nichtteilnahme an abgeordnetenwatch Fragen von Bürgern verschwinden lassen oder sie in Luft auflösen. Gerade ein Lokalpoltiker, dem jederzeit ein Bürger mit einer Frage über den Weg laufen kann oder der im Rathaus oder in seinem Büro Besuch von Bürgern bekommt, kann sich dem nicht entziehen. Und wenn sie ein Bürger auf der Straße fragt oder sie einen Telefonanruf bekommen, dann entgeht ihnen wirklich Zeit, da sie sofort darauf reagieren müssen und den Vorgang nicht einfach zurückstellen können. Hier auf abgeordnetenwatch müssen sie jedoch nicht sofort antworten, sondern können (wann immer sie Zeit haben) in Ruhe ihre Antwort überlegen und zudem sind sie an keine feste "Sprechstunden" gebunden, sondern erledigen das, wenn sie gerade eine freie Minute haben. Ich erkenne hier nur Vorteile und keinen einzigen Nachteil für Politiker an der Frageform auf abgeordnetenwatch!
P.S: Es wird hier auch niemand "genötigt" sich zu beteiligen, wie sie behaupten. Genausowenig wie ein Poltiker dazu genötig wurde, sich politisch zu engagieren! Aber wenn man sich frei dazu entschieden hat, sich politisch zu engagieren oder auch von den Bürgern gewählt werden will, frage ich mich, warum man dann Angst vor Fragen und Angst vor den Bürgern hat? Das ist doch seltsamer Widerspruch!
Wer Angst vor den Bürgern hat und dann auch noch Angst davor hat, seine Meinung öffentlich zu vertreten, hat möglicherweise "den falschen Job" gewählt und ist möglicherweise nicht sonderlich als Politiker geeignet?!
Mandy Meier am 18.06.2011 um 10:19 Uhr
PermalinkLieber Herr Muntz,
unbegründete Behauptungen wären Sachverhalte die ich als absolut darstelle ohne sie vorher verifiziert zu haben. Nicht ohne Grund habe ich daher die Möglichkeit einer Schwemme an Anfragen erwähnt und nicht gesagt, dass dies auf jeden Fall so sein wird.
Und selbstverständlich ist man als Politiker genötigt bei AW teilzunehmen, wenn man hier gelistet ist. Sie wissen doch wohl selber ganz genau, dass die Verweigerung an Antworten sich für die einzelnen Politiker sehr negativ auswirkt.
ABER ich bin ja völlig der Meinung, dass Politiker, die mit der Politik Geld verdienen, sich der Öffentlichkeit stellen sollten. Bloß muss man den auch zugeben können, dass Portale wie AW die Politiker dazu auch nötigen. Ob man das gut oder schlecht findet bleibt doch jedem selber überlassen.
Ich bin mir auch sicher, dass Jede Politikerin und jeder Politiker egal ob hauptberuflich oder ehrenamtlich, keine Angst vor den Fragen der Bürger und den dazugehörigen Antworten hat. Wenn sie das wirklich aus meinem Kommentar gelesen haben, verstehe ich das nicht ganz. Es ist doch aber zweifelsohne so, dass EHRENAMTLICHE (nur von denen rede ich hier) unnötig in eine absolut anonyme Öffentlichkeit gezerrt werden.
Und es ist ja wohl nicht zu bestreiten, dass neuerdings alleine die Zugehörigkeit zu einer Partei gesellschaftlich negativ bewertet wird. Es geht hier überhaupt nicht um Fragen und Antworten, sondern darum, dass alleine die öffentliche Bekanntmachung politischen Engagements sich auf das Berufsleben von ehrenamtlich politisch Aktiven negativ auswirkt. Das kann man schlecht bestreiten!
Wenn man also will, dass auch ehrenamtliche Politiker mehr öffentlich arbeiten, dann sollte die Gesellschaft ein solche Engagement nicht abstrafen, sonder wenn schon nicht honorieren, dann wenigstens neutral akzeptieren.
Peter Piksa am 18.06.2011 um 12:36 Uhr
PermalinkZitat Mandy Meier:
Und selbstverständlich ist man als Politiker genötigt bei AW teilzunehmen, wenn man hier gelistet ist. Sie wissen doch wohl selber ganz genau, dass die Verweigerung an Antworten sich für die einzelnen Politiker sehr negativ auswirkt.
Bezichtigen Sie doch die Abgeordnetenwatch nicht der Nötigung von Politikern zur Rechtfertigung/Erklärung ihres Handelns vor den Augen der Öffentlichkeit. Daß Politiker sich öffentlich erklären müssen, sah das Design unseres politischen Systems schon immer vor. Die Abgeordnetenwatch ist lediglich ein Instrument, was hilft diese Forderung umzusetzen. Sie meckern darüber, daß die Abgeordnetenwatch Politiker zur Öffnung zwänge, doch in Wahrheit missfällt es Ihnen, daß Politik öffentlich geschehen soll.
Zitat Mandy Meier:
Es ist doch aber zweifelsohne so, dass EHRENAMTLICHE (nur von denen rede ich hier) unnötig in eine absolut anonyme Öffentlichkeit gezerrt werden.
Abgesehen davon, daß die Teilnahme an der Abgeordnetenwatch nicht "absolut anonym" ist, verstehe ich nicht, was ihr generelles Problem mit Anonymität ist? Wenn ich auf einer öffentlichen Veranstaltung als Bürger das Mikrofon ergreife und eine Frage oder Kommentar der Öffentlichkeit präsentiere, dann tue ich das ebenfalls anonym. Und es ist auch sehr gut, daß ich das anonym machen kann, denn Anonymität schützt beispielsweise Randgruppen vor politischer Verfolgung. Um hier mal einen Punkt zu machen: Politiker müssen auch mit anonymen Beiträgen oder anonym gestellten Fragen klarkommen, solange sie sich der Sache zuwenden und der anonyme Urheber seine Anonymität nicht zur Beleidigung oder Ähnlichem missbraucht. Ein legitimes Anliegen ist eben legitim, egal ob es versehen mit dem Namen eines Bürgers oder gänzlich anonym vorgetragen wurde. Als Politiker habe ich mit mit legitimen Anliegen zu befassen. So einfach ist das.
Zitat Mandy Meier:
Und es ist ja wohl nicht zu bestreiten, dass neuerdings alleine die Zugehörigkeit zu einer Partei gesellschaftlich negativ bewertet wird.
Ich denke, daß das stark von dem politischen Gefüge in der jeweiligen Region und von der Bildungsschicht abhängt, die einen umgibt. Wer einen Menschen negativ bewertet, weil er sich an der Gestaltung der Gesellschaft beteiligt, der tut mir ehrlich gesagt ein wenig Leid. Insofern kann ich Sie da nur aufmuntern: Wer sich gesellschaftlich beteiligt (und politische Beteiligung ist meines Erachtens nichts anderes!), der verdient zumindest erstmal Gehör.
Zitat Mandy Meier:
Wenn man also will, dass auch ehrenamtliche Politiker mehr öffentlich arbeiten, dann sollte die Gesellschaft ein solche Engagement nicht abstrafen, sonder wenn schon nicht honorieren, dann wenigstens neutral akzeptieren.
Na, genau das tut die Abgeordnetenwatch. Wenn ich als ehrenamtlicher Politiker etwas tue, was nach Meinung der Gemeinschaft dem Interesse des Gemeinwohls ist, dann kann ich doch nur davon profitieren, wenn die Abgeordnetenwatch mit dabei hilft, meine guten Taten der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Ich kann mit Dingen, die mein politisches Handeln öffentlich beleuchten doch nur dann ein Problem haben, wenn ich weiß, daß ich nicht im Interesse des Gemeinwohls arbeite und daher lieber unbehelligt vom kritischen Blick der Kontrollinstanzen mein Werk treiben will - also wenn ich korrumpiert bin und diesen Posten in erster Linie eigentlich gar nicht erst besetzen sollte.
Mandy Meier am 18.06.2011 um 13:51 Uhr
PermalinkLieber Herr Piksa,
das ist schon eine ganz schöne Dreistigkeit mir zu unterstellen, dass mir in Wahrheit missfällt, daß Politik öffentlich geschehen soll. Und es ist auch ganz schön dreist, wenn Sie aus zwei zusammenhängenden Absätzen einen herausnehmen um mir dies zu unterstellen.
Die übliche Schwarz-Weiß-Seherei in politischen Diskussionen ist sicher im seltensten Fall der Ansatz zu einer Lösung. Wenn Sie aber gerne denken möchten, dass ich gegen Bürgerbeteiligung und Transparenz bin, dann tun Sie dies. Mit Argumenten kann ich Sie in diesem Fall ohnehin nicht überzeugen.
Zur Wahrheit gehört aber eben auch, dass politische Akteure auf AW doch im gewissen Maße genötigt werden sich darzustellen und das eben hier und nicht auf anderen Wegen. Und ganz ehrlich, AW ist nicht das einzige Portal dieser Art. ICH KANN ES NUR WIEDERHOLEN, Transparenz hat seine absolute Berechtigung und ist wichtig. Aber ob Plattformen wie AW für alle politi
Mandy Meier am 18.06.2011 um 14:01 Uhr
Antwort auf von Mandy Meier
Permalink..... politisch Aktiven das richtige Medium ist, möchte ich mal zur Diskussion offen stellen.
Ich finde es schön, dass Sie politisches Engagement anerkennen. Aber ich möchte doch sehr davor warnen Ihre Sicht der Dinge zu verallgemeinern. ich kenne eine ganze Reihe an ehrenamtlichen Politikern die im Berufsleben negative Folgen ihrer politischen Tätigkeiten tragen mussten. Und es geht hier um Mitglieder völlig akzeptierter und etablierter Parteien und nicht von rechts oder links Außen Gruppen.
Ich fände es schön wenn Ihre Sichtweise gesellschaftlich und auch im Arbeitsleben geteilt werden würde. Aber dem ist eben nicht so. Ich sehe daher schon die Notwendigkeit diejenigen politisch Aktiven, die Politik nicht als Beruf haben, also damit keine Geld verdienen, UND ES GEHT MIR NUR UM DIESE, nicht mehr zu belasten als es sein muss. Denn auch diese ehrenamtlich Tätigen sind bereits im Fokus der Öffentlichkeit, auf Fraktionsseiten und Parteiseiten per Internet und e-mail zu finden und zu erreichen. Das reicht doch für diese Ehrenamtlichen völlig.
Peter Piksa am 23.06.2011 um 17:53 Uhr
Antwort auf von Mandy Meier
PermalinkHallo Frau Meyer,
schauen Sie - der Punkt ist nicht, daß ich Ihnen persönlich irgendetwas Böses unterstellen möchte, sondern, der, daß ich klarmachen will, daß ihr Argument - sobald man seine direkten Folgen durchdekliniert - letzten Endes leider auf genau den ungewünschten Zustand der Intransparenz hinausläuft, den wir als Gesellschaft eben nicht haben wollen.
Ich verstehe durchaus Ihre Sorge um politisch engagierte Menschen, die Repressalien von Seiten ihres Arbeitgebers ausgesetzt sind - zufälliger Weise schrieb ich am 15. Juni diesen Jahres einen Artikel mit der Bezeichnung Wie aus Information Macht erwachst (Link), welchen ich mit eben diesen Problem einleitete. Daß ich mir dieses Problems bewusst bin, sollte hiermit also bewiesen sein. Ich teile diese Sorge übrigens ebenfalls.
Jedoch: Bei aller (berechtigten) Sorge um solche Fälle, darf die Gesellschaft meiner Auffassung nach niemals in eine Duldungsstarre für Intransparenz in der Politik verfallen. Es handelt sich hier um eine Güterabwegung, die wir als Gesellschaft treffen müssen. Sie lautet: "Schutz Einzelner vs. Aufrechterhaltung von Transparenz in politischer Entscheidungsfindung".
Meine persönliche Entscheidung in dieser Frage lautet: Die Aufrechterhaltung der Transparenz in politischer Entscheidungsfindung ist schon aufgrund ihrer gesamtgesellschaftlichen Bedeutung als kostbarer zu bewerten als der Schutz eines Einzelnen, wenn der Schutz des Einzelnen eine Einbuße in der Transparenz politischer Entscheidungsfindung kostet.
Anders ausgedrückt: Es ist nicht akzeptabel, daß Politik mit der Begründung "Es könnte ja sonst sein, daß mein Arbeitgeber mich abstraft" intransparent erfolgt.
Lisa Kuntze am 18.06.2011 um 14:01 Uhr
Antwort auf von Mandy Meier
PermalinkNun, natürlich werden Politiker durch Öffentlichkeit dazu gezwungen Stellung zu nehmen. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Politiker nur deswegen ihr Mandat erhalten haben, weil das Volk (der Souverän) sie gewählt haben. Da ist es nur selbstverständlich, dass das Volk in den vier Jahren bis zur nächsten Wahl auch mal nachfragt.
Ein Politiker/Kandidat wird in diesem Sinne letztlich auch genötigt, an einer Kandidatenbefragung in der Stadthalle oder bei der Lokalzeitung teilzunehmen, weil er - zurecht - nicht gewählt wird, wenn er öffentlich nicht Rede und Antwort steht. Wo ist der Unterschied zu abgeordnetenwatc.de?
Rabert von Dahrenhorst am 19.06.2011 um 00:42 Uhr
PermalinkWer sich für das Politikerdasein entscheidet, ob professionell oder ehrenamtlich, nimmt zwingend in Kauf, dass er damit in die Öffentlichkeit tritt. Jeder Politiker ist Mandatsträger und nimmt diese Funktion nicht im Eigenauftrag war, sondern im Auftrag von Bürgern. Politiker sind Diener des Volkes, nicht umgekehrt. Als solche müssen sie es sich nicht nur gefallen lassen von ihren Auftraggebern kontrolliert und hin und wieder befragt zu werden, sondern sie sollten proaktiv so arbeiten und vor allem kommunizieren, dass Fragen gar nicht erst entstehen. Auch haben sie kein Recht die Bevölkerung dahingehend zu reglementieren oder einzuschränken auf welche Art und Weise Fragen gestellt werden dürfen. Die Wahl der Mittel obliegt diesbezüglich dem Bürger, nicht dem Politiker. Mit Abgeordnetenwatch gibt es eine weitere effiziente Methode die der Bürger nutzen kann, und die ein Politiker alleine deswegen akzeptieren muss, weil der Bürger sie benutzt.
Ein Mensch der ein politisches Amt annimmt, aber die Ausübung dieses Amtes nur unkontrolliert und ungefragt quasi im Geheimen durchführen möchte, hat sein Amt nicht verstanden. Er scheint sich als Herrscher über das Volk anstelle als Diener und Beauftragter des Volkes zu begreifen.
Rabert von Dahrenhorst
Dr. Alexander Dill am 20.06.2011 um 13:11 Uhr
PermalinkEs ist einfach so, dass der angestaute Ärger vielfach zu einem Wutbürgertum führt, das eigentlich nur an Politikern losgelassen wird. Nicht an Medien. Nicht an Wirtschaftsunternehmen. Und auch nicht an selbstgefälligen und völlig kontrollfreien Vereinen und Verbänden.
Die Politikerinnen und Politiker können das nicht alleine tragen.
Wir haben deshalb begonnen, einen Sozialklimaindex mit Fragen nach Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Geschenkkultur und Vertrauen anzubieten: www.commons.de/fragebogen
Auf diesen haben bereits zahlreiche Politiker aller Parteien geantwortet.
Ich möchte doch sagen: Wir brauchen nicht mehr Kritik und Druck, sondern mehr Ideen und Gemeinsinn.
Es gibt genug Öffentlichkeit für Kritik von der heute-Show bis zu Bild und taz.
Aber wo ist die Öffentlichkeit für Ansätze, gemeinsam etwas zu verbessern? Warum können Stuttgart21 und Atomkraft nein Danke nicht auch in die andere Richtung funktionieren, also als Bewegungen FÜR ETWAS?
Herbert Knaupl am 20.06.2011 um 19:25 Uhr
PermalinkKomisch, dass Poltiker völlig schmerzfrei sind und nie Bedenken haben, wenn es darum geht, möglichst viele Daten vom Bürger zu sammeln und langfristig zu speichern und man gerne alle Bürger (im Sinne von "jeder Bürger ein potentieller Terrorist") möglichst umfasssend überwachen will.
Wenn dieselben Politiker aber nur völlig harmlose (weil für jeden öffentlich zugängliche!) Daten auf dieser Seite angeben sollen, bekommen die Herrschaften schon die Krise und fühlen sich durchleuchtet und von Spionen und Datenkraken umgeben. Also entschuldigung, aber diese Doppelzüngigkeit ist schwer erträglich.
Und dass jeder Bürger dazu GEZWUNGEN wird bei der Volkszählung (viel privatere) Daten anzugeben, die langfristig gespeichert werden, juckt einen Politiker natürlich auch nicht sonderlich. Aber wehe, man bittet einmal einen Poltiker um eine öffentliche Stellungnahme und zur Transparenz was überhaupt seine politischen Ziele und sein Parteiprogramm in der Realität umgesetzt konkret bedeutet - dann herrscht schweigen im Wald und empörte Entrüstung, wie sich überhaupt jemand erdreisten kann, sowas "intimes" zu fragen....schließlich haben doch das Parteiprogramm und die Ziele eines Politiker streg geheim zu bleiben und gehen den Bürger gefälligst nichts an.
Dafür gibt man doch lieber völlig unverbindliche Allgemeinplätze ab und erzählt im privaten Gespräch gerne jedem Bürger eine andere Version der Wahrheit und hofft darauf, dass man nie zuviele Fakten auf den Tisch legen muß, sondern immer mit unverbindlichen Sprüchen davonkommt.
Offenbar will niemand für Sachthemen und kokrete Fakten stehen, sondern nur für flotte, nichtssagende Sprüche, populistische Stammtischparolen oder für sein sympathisches Plakat und seinen gut sitzenden Anzug gewählt werden?
Wollt ihr das wirklich? Dann macht nur weiter so...aber beschwert euch bitte nie wieder über Wahlmüdigkeit, Wutbürger und Parteienflucht!
Henry Paul am 22.06.2011 um 13:10 Uhr
PermalinkEs wird wohl Zeit für mehr Transparenz, und das nicht nur bei Politikern in Berlin sondern auch solchen aus Posemuckel. Wie stark hier Aufklärung nötig tut machte mir mein Besuch bei einer Ratssitzung in unsere Kleinstadt deutlich. Nicht weniger als 3 mal verließen Ratsmitglieder nach Aufruf bestimmter Tagesordnungspunkte den Ratssaal weil sie sich für befangen erklären mussten. Ich möchte nicht wissen wie es im nicht öffentlichen Teil zugeht wo keine Zuschauer bzw. Zuhörer zugelassen sind. Dieses Beispiel zeigt mir ganz klar die Verfilzung in vielen Stadtparlamenten oder Kreistagen, hier muss es erlaubt sein öffentlich nachzufragen.
Bernd Müller am 22.06.2011 um 13:32 Uhr
PermalinkSicherlich, alle Politiker haben nichts besseres zu tunals den ganzen Tag die berechtigten Fragen ihrer Wähler umfangreich schriftlich zu beantworten!
Quatsch! Speziell Kommunalpolitiker machen das in ihrer Freizeit neben einem ordentlichen Beruf un neben ihrer Familie. Die erklären vor der Wahl, wie sie zu kommunalen Themen stehen und werden danach gewählt. Dann sind sie einem Einzelnen und seiner Meinung nicht mehr verpflichtet und wie jemand sich im Gemeinderat oder im Stadtparlament verhält ist anhand öffentlicher Berichte für jeden nachvollziehbar. Das ist eine Holschuld, keine Bringschuld für den Politiker.
Nehmen wir mal Dresden mit seinen etwas mehr als 500.000 Bürgern. Wenn da nur einem Prozent einfällt, er oder sie möchte doch ausführlich über irgendwas unterrichtet werden, sind das schon mal 5000 Anfragen. Setzen sie sich mal hin und beantworten 5000 Fragen ausführlich, und wenn sie damit fertig sind, posten sie mal, wie lange sie dazu gebraucht haben!
Es gibt 2 Arten der Demokratie: die repräsentative, bei der ist mit dem Kreuz auf dem Wahlzettel auch Schluss! Mehr Mitwirkung ist hier nicht vorgesehen und auch nicht wirklich machbar. Ich würde mich im Übrigen auch heftig beschweren, wenn ein Politiker auf Sie hören würde, den ich gewählt habe. Wahrscheinlich stimme ich mit Ihrer Meinung gar nicht überein. Und nur auf ausgewählte Mitbürger zu hören wäre schlimmer als auf keinen zu hören.
Die zweite Art ist die Schweizer Methode der direkten Mitwirkung: da muss jeder regelmäßig hin und abstimmen. Das Geschrei und die Ausreden möchte ich bei uns hören, wenn das mit der persönlichen Lebensplanung in der Spaßgesellschaft kollidiert! Mir würde das gut gefallen, aber dann mit Anwesenheitspflicht und Säumnisbusse.
Warum glaubt heute eigentlich jeder, es käme gerade auf seine Meinung an? Dafür gibt es übrigens eine ganz einfache Lösung (die ich für meinen Teil auch 20 Jahre lang gemacht habe!): sich bei einer Wahl aufstellen, Verantwortung übernehmen, neben dem Beruf 2-3 Abende in der Woche und 1-2 Wochenenden im Monat in der Weltgeschichte herumfahren und sich darauf auch noch jeweils vorbereiten (Sitzungsunterlagen lesen, eigene Infos sammeln, Vorträge und PowerPoints vorbereiten, in Hotels und auf der Bahn seine Freizeit verbringen). Dann ist es gut, dann wird man gehört. Nicht das man dann auch notwendigerweise etwas verändern kann, aber man wird gehört.
Wer dazu nicht bereit ist und lieber auf seiner Couch rumlümmelt, hat kein Recht, so jemandem noch die karge Freizeit zu stehlen!!
Rabert von Dahrenhorst am 22.06.2011 um 16:36 Uhr
Antwort auf von Bernd Müller
PermalinkWer in unserer Gesellschaft Politiker sein möchte, wer politischen Einfluss haben und ausüben möchte, muss auch die Kehrseite der Medaille akzeptieren. Zu dieser Kehrseite gehören nicht nur Sitzungen und Reisen und die dafür notwendigen Vorbereitungen, sondern auch die Anerkennung, dass Politik in einer repräsentativen Demokratie Dienen ist und nicht Herrschen.
Kein Unternehmer würde es seinen Mitarbeitern gestatten ohne Kontrollrechte und Auskunftspflichten die Arbeit zu verrichten, für die sie sich haben anstellen lassen. Mit welchem Recht nehmen es sich die gewählten Vertreter des Volkes heraus, dass sie sich nicht kontrollieren lassen? Es geht doch nicht an dass die Diener den Herren vorschreiben wollen, in welcher Art und Weise Fragen gestellt werden dürfen.
Wenn ein Politiker seine Arbeit gut macht und dabei proaktiv (!) auch alle Informationen verfügbar macht die dazu führen, dass die Wähler verstehen warum er wobei wie entschieden hat, entstehen Fragen erst gar nicht. Aber das würde ja Arbeit machen, und man wird ja schließlich nicht Politiker um zu arbeiten, sondern um zu herrschen.
Rabert von Dahrenhorst
Peter Bachl am 23.06.2011 um 13:49 Uhr
Antwort auf von Bernd Müller
Permalinkich möchte hier direkt Bernd Müller antworten:
Jeder Politiker (egal, ob Bundes-, Landes- oder Komunalpolitiker) hat eine Vertretungs-Auftrag vom Wähler bekommen. Und nun soll einige Jahre lang Ruhe sein, berechtigte Fragen dürfen an die hohen Herren nicht mehr gestellt werden?
Ja so ein Quatsch aber auch - in welchen Abgründen leben Sie denn?
Die Bundesrepublik Deutschland als Firma (im Grunde sind wir das doch, eben auch auf Komunalebene!), die Bürger sind die Eigentümer und Geldgeber, die Politiker sind die Angestellten (sowohl mit als auch ohne Einkommen - wie im richtigen Leben halt auch!). Nach Ihrer Auffassung dürfen die Chefs sich von ihren Angestellten keine Rapport einholen.
Na klasse - versuchen Sie das mal im richtigen Leben als Angestellter, Ihrem Chef keine Antwort zu geben - so schnell können Sie gar nicht sich umsehen, da sind Si auch schon gefeuert!
Bernd Müller am 22.06.2011 um 13:36 Uhr
PermalinkIst doch einfach: lassen Sie sich wählen! Und dann arbeiten Sie hart und unparteiisch.
Karsten R (HH) am 23.06.2011 um 04:03 Uhr
PermalinkIn Beantwortung aller vorab erstellten Einträge möchte ich mich zunächst für den späten Einstieg in diese interessante Diskussion entschuldigen.
Bin nach gerade beendeter Unterschriftensammlung (Volksbegehren zur Rekommunalisierung von Energiebetrieben in Stadtwerke) durch den aktuellen Newsletter wieder aufmerksam geworden.
Habe dann gleich die aktuelle Umfrage eines Studierenden zu AW mitgemacht. Dabei fiel mir auf, welch ein schlechter Wählermensch (Wahlbürger/Wahlberechtigter) ich doch bin. Keine einzige Frage (selbst) gestellt!
Dafür habe ich aber die Beschäftigungsdauer auf AW pro Besuch offenbar deutlich zu niedrig angesetzt! Immerhin.
So wie es bei mir ankam, haben alle "Recht" mit ihrer Sicht. Nachvollziehbar ist, für ehrenamtliche Politiker "Schutzzonen" einzurichten. Die Gründe waren nicht für alle einleuchtend, doch irgendwie logisch verständlich für mich.
Auch das Gegenargument, PolitikerInnen wären per se, durch ihre Zustimmung zur Wahllistenaufstellung, schon bereit, permanent in der Öffentlichkeit zu stehen, ist zumindest für Bewohner größerer Kommunen nachvollziehbar. Schätzungsweise sieht das in ländlichen Gegenden traditionell anders aus. Vermute ich mal.
Pro- und Contra-Argumente wurden oben schon mehrfach angedeutet und ausformuliert.
Mein Versuch einer Zusammenfassung der bisherigen Diskussion unter möglicher Anfügung eigener Akzente.
Pro AW:
Für Politikbefaßte (aktuelle und künftige PolitikerInnen und deren Stäbe):
- Themen nur einmal beantworten/klarstellen (-> Zeitgeweinn!)
- Herausstellen von Alleinstellungsmerkmalen innerhalb der Partei bei davon abweichender Meinung und Abstimmung (was wiederum zur Nicht-Wiederaufstellung führen kann!) (-> Glaubwürdigkeitzuwachs!)
Für interessierte Menschen vor oder nach Wahlen:
- Schnelle, nach verschiedenen Kriterien und zu verschiedenen Kernthemen bereits vorgearbeitete Übersicht offizieller Parteipositionen (-> Möglichkeit, sich schnell ein allgemeines Bild der Partei zu machen)
- Finden von Antworten zu bereits gestellten Fragen - oder eben auch nicht (-> Möglichkeit, sich schnell ein individuelles Bild der Person zu machen)
Contra AW:
Für Politikbefaßte (aktuelle und künftige PolitikerInnen und deren Stäbe):
- "Unfreiwilliger Test" auf Verständlichkeit der Antworten in normaler Sprache
- Dauerhafte Nachprüfbarkeit gemachter Aussagen - und der im Zeitablauf möglicherweise durch geänderte persönliche Meinung oder aus Parteiräson anders ausgefallenen tatsächlichen Entscheidung (natürlich nur möglich bei namentlicher Abstimmung
Für interessierte Menschen vor oder nach Wahlen:
- Überprüfung von Vor-Wahlaussagen ("Wahlversprechen") und der tatsächlichen Entwicklung/Abstimmung (-> Überprüfung der Glaubwürdigkeit von Partei/Person als Basis für künftige Wahlentscheidungen!)
- Wenn man wirklich wissen will, was Parteien, Politiker und andere Bürger (wissen) wollen, braucht man etwas Zeit!
Ich bin einer der vielleicht mit zu hohem Lampenfieber ausgestatteten Menschen, die trotz Interesse an und eigener Meinung zu vielen politischen Themen diese NICHT direkt als politischer Akteur in der ersten Reihe anfassen. Also schlicht Teil der normalerweise schweigenden Mehrheit. Und nach dem, was ich weiß, nutzt AW gerade uns. Ich bin nicht einmal Mitglied irgendeiner Partei. Mit aus meiner Sicht "guten" Gründen, die von Jahr zu Jahr mehr werden.
Ich brauche dank AW nicht mehr, kurzfristig vor Wahlen, Entscheidungsrelevantes auf zig Seiten (Parteien, individuelle Politikerseiten, Verbände etc.) zusammenklauben. Viele, "früher aufgewachte" Mitbürgerinnen und -bürger haben schon die Fragen gestellt (zumindest ähnliche), die auch mir auf den Fingern brennen. Im Idealfall geben schon Parteiprogramme und persönliche Statements der (künftigen) Politiker einen guten Eindruck der Richtung.
Und die tollen Zusatzdienste von AW, die wichtigsten Themen bereits anhand von Programmen der Parteien auszuwerten, finde ich auch super. Das geht sogar noch schneller, als die Befassung mit einzelnen Kandidaten.
AW macht hier einen superguten Job, der sicher durch Mithilfe (nicht nur finanziell, aber auch das) der Benutzerschaft (Bürger und Politiker, wobei ja auch Politiker Bürger sind) im Lauf der Zeit noch weiter ausgebaut und/oder verbessert werden kann.
Meines Erachtens sollte der Dienst von Landes- und Bundeszentralen zur politischen Bildung unterstützt werden. Und zwar dauerhaft.
Es wäre schön, wenn es eine Schnittstelle (API) gäbe, die zwischen Webseiten von Parteien und Einzelpolitikern einerseits und "Fragen und Antworten" auf AW andererseits den Austausch von Inhalten ermöglicht. Gern wäre ich bereit, dabei zu helfen. So könnten Politiker und Parteien, die viel und konstruktiven Austausch mit ihrer Basis pflegen, dies auch auf den eigenen Seiten einfach "einbinden".
Rabert von Dahrenhorst am 23.06.2011 um 10:27 Uhr
PermalinkDas mit der API ist eine klasse Idee! Ich finde überhaupt, das Abgeordnetenwatch eine einfacher und übersichtlicher strukturierte Oberfläche vertragen könnte, und auch bessere Möglichkeiten zur Auswertung von Antworten und Antwortverhalten anbieten dürfte. Aber es ist schon gut, dass es AW schon gibt, und in der jetzigen Form durchaus brauchbar.
Fabian.G am 26.06.2011 um 19:22 Uhr
PermalinkHi ich bin Berufsschüler und finde abgeordnetenwatch super, es gibt hier viele wichtige Informationen über die aktuellen Geschehnisse in der Politik welche gut verständlich für alle sind .
Mit freundlichem Gruß
Fabian.G
Macht weiter so!
Bernd Müller am 08.07.2011 um 14:49 Uhr
Permalink@ Peter Bachl
Sie haben es nicht richtig gelesen oder wollen es nicht verstehen. Kein Politiker ist IHNEN persönlich Rechenschaft schuldig, Sie sind auch in Ihrem Vergleich nicht einer von 80 Mio. Chefs, der seinen paar Angestellten ständig Fragen stellen kann.
Ihre ganze Chefanalogie funktioniert nicht, weil Zetsche natürlich nicht vom Hausmeister gewählt wird und selbst dem Abteilungsleiter nicht berichtspflichtig ist, sondern umgekehrt!
Der Politiker ist jemand, der IHNEN die Arbeit abnimmt, die eigentlich SIE selbst machen sollten. Als wir noch in kleinen Sippen oder Dorfgemeinschaften gelebt haben, ging das noch, da hat man selbst entschieden und dann auch die Arbeit gemacht. Später hat man sich unter der Dorflinde um die beste Lösung für Probleme gestritten und geeinigt, heute geht das nur noch bedingt (die Schweiz macht es noch in großem Umfang), aber jetzt haben SIE die Wahl, sich aktiv einzubringen, das heißt zum Beispiel, in eine Partei einzutreten, sich durch aktive Mitarbeit Anerkennung zu erarbeiten, sich dann auch an der Diskussion um Themen zu beteiligen und wenn sie dann viele für geeignet halten, ihre Meinung auf der nächsten Ebene zu vertreten, können Sie sich zur Wahl aufstellen, ihren Mitmenschen ihre Einstellung und ihre Ziele, für die sie sich einsetzen wollen, erklären und sich dann dem Urteil ihrer Mitmenschen stellen.
Wenn Sie gewählt werden, arbeiten Sie hart aber versuchen Sie nicht, es jedem Recht machen zu wollen: versuchen Sie, das bestmöglich umzusetzen, was sie vorher als ihre Ziele verkündet haben. Sie überzeugen damit nicht jeden, es dankt ihnen nicht jeder (Erfahrene sagen: niemand!) und sie können nicht jedem alles erklären. Jeder darf Ihnen dabei zusehen und zuhören und dann entscheiden, ob er sie nochmal wählen will. Oder ob er sich selbst aufstellen will und dann anders oder mehr arbeiten will.
So geht das!
Ich bekomme regelmäßig von einem Bundesminister direkte Auskunft: ich gehe zu jedem Mitgliedertreffen und wenn er da ist höre ich ihm zu und stelle meine Fragen. Und dann bin ich eben nicht zu Hause bei meiner Familie auf der Couch! Meine Holschuld!
Bleistiftanstumpfer am 15.07.2011 um 10:15 Uhr
PermalinkWie transparent sind denn, ob mit oder ohne Abgeordnetenwatch, die Parlamente? Für Tagesschaugläubige und ZDF-History-Junkies mögen sich ja durch AW neue Welten auftun - aber mir entlockt der ganze Zirkus hier nicht mal'n müdes Lächeln. Damit die "Abgeordneten" wirklich wesentliche Probleme der "Wähler" - besser Zettelfalter (Woher kenn' ich das bloß? Ob nun eine Blockpartei am Stück oder in mehrere Unterparteien zerstückelt, is' sowas von wurscht!) - angehen und in der "richtigen" Politik entsprechende Änderungen durchsetzen könnten, müßten die verbliebenen Hauptbesatzungsmächte sich ein Vorbild am Russen (einige Gebiete im Osten des Deutschen Reichs halten sie nach wie vor besetzt) nehmen und abziehen. Aber die werden 'nen Teufel tun!
"Wenn Deutschland wirtschaftlich zu stark wird, muß es zerschlagen werden. Deutschland muß wieder besiegt werden und diesmal endgültig." sagte Churchill 1934 zu Heinrich Brüning. Solange die Besatzer GB, F, USA, PL, CZ sowie LV das Reich besetzt halten, können deutsche Politiker NIX ausrichten, was den Besatzerinteressen entgegensteht.
Bis auf wenige Ausnahmen ist die Weltpolitik eh nix weiter als Theater. Mit ZDF-Märchenonkel Guido Knopp, Maybrit Illner, "Richter" Alexander Hold und dem gebürtigen Kenia-Mulatten Obama in den Hauptrollen. Das Stück wurde von ein paar Weisen am Zionskirchplatz geschrieben. Und sollte jemand während der Vorstellung zündeln oder den Darstellern eine rote Nase, wie man sie gern ma' bei Rudolf dem Rentier anspricht, anmahlern, dann kommt er vor's Landgericht in Mannheim, da offenkundig ja nicht sein kann, was nicht sein darf!
helmut am 20.07.2011 um 13:08 Uhr
PermalinkIch frage mich, ob es nicht auch sinnvoll sein könnte, dem Wunsch der "Verweigerer" stattzugeben.
Stellt euch vor: 4 Jahre lang prangen auf der Liste der Stadträte drei Symbole (X bei Partei A, Y und Z bei Partei B), die nur zu einem Text verlinken: "Dieses Mitglied des Stadtrats hat der Veröffentlichung seiner Daten widersprochen". 4 Jahre lang müssen sich die Parteifreunde der Verweigerer fragen lassen, wer hinter X, Y uns Z steckt, und was sie über deren Gründe wissen und wie sie dazu stehen.
Die "willigen" werden den Druck an ihre Parteifreunde weiter geben - ob die dann wirklich alle 4 Jahre lang durchhalten? Und wie wirkt sich das auf ihre Chance aus, sich nach Ablauf der Legislaturperiode wieder aufstellen zu lassen?
Das klappt natürlich nur, wenn die Verweigerer die Ausnahme sind. Am besten vermutlich, wenn eine Partei ganz ohne Verweigerer die Gelegenheit benutzt, die Parteien, die solche Leute in ihren Fraktionen dulden, an den Pranger zu stellen.
Solange nicht der halbe Stadtrat protestiert - die Nichtveröffentlichung der Daten (die jeder durch Vergleich von AW mit der Homepage des Gemeinderats rausfinden kann), wär doch eine subtile Art, diese Leute an den Pranger zu stellen ;)
Kommentator am 28.12.2011 um 15:53 Uhr
PermalinkIch kann dem Dresdner Ratsherren Tilo Kießling in einem Punkt nur zustimmen: abgeordnetenwatch ist eine öffentliche Plattform und natürlich wird diese auch benutzt, um öffentlich auf die vertretenen Ansichten der einzelnen Politiker hinzuweisen. Wenn ich eine persönliche Antwort wollte, hätte ich persönlich geschrieben, dass hat er schon richtig erkannt.
Ich kann nur darin nichts schlechtes finden. Bei AbgeordnetenWatch ist wenigstens von Beginn an klar, dass die Frage wie auch die Antwort in der Öffentlichkeit landen werden. Würde ich hingegen in einer nicht-öffentlichen Kommunikation Fragen stellen und darauf "interessante" Antworten bekommen, stünde ich in einem Konflikt: breche ich das Vertrauen in die Nicht-Öffentlichkeit der Kommunikation?
AbgeordnetenWatch ist da der ehrliche Weg als Bürger Fragen zu stellen, wenn man schon zu Beginn die Antwort für öffentlich relevant hält. Insofern sollte AW einen Vertrauensgewinn für jeden Politiker darstellen. Der Bürger tritt ihm mit offenem Visier gegenüber, stellt eine Frage die potentiell alle interessiert und bekommt eine Antwort im vollen Bewusstsein aller, dass diese ebenfalls von jedem gelesen werden kann. Zudem hat der Politiker Zeit seine Antwort und Position zu überdenken (ganz im Gegensatz zu einem Live-Interview).
AW bietet Vorteile für alle.
- Der einzelne Bürger kann seine Fragen stellen und jeder andere Bürger kann sich ein Bild sowohl von der Frage als auch der Antwort machen, insbesondere ob der Gefragte ausweicht oder die Frage ehrlich beantwortet.
- Jeder Bürger kann sehen, welche Politiker sich zu welchem Thema wie äußern und wie sie allgemein auf Anfragen der Bürger reagieren.
- Der befragte Politiker bekommt die Zeit und Ruhe die er benötigt um nötigenfalls zu Recherchieren, seine Antwort zu überdenken und schließlich nach abgeschlossener Meinungsbildung wohlformuliert zu antworten. U.U. verliert man dabei an Authentizität, aber man gewinnt Vertrauen auf beiden Seiten.