Wie ein Psychotherapeut Bürger und Abgeordnete therapieren würde

Politiker sollten auch mal zugeben, dass sie von etwas keine Ahnung haben, empfiehlt ein Psychotherapeut unseren Volksvertretern. Der Beziehungsexperte hat noch weitere Ideen, wie sich Bürger und Politiker einander näher bringen ließen.

von Martin Reyher, 18.11.2010

Es steht nicht zum Besten mit der Beziehung zwischen Bürgern und Politikern. Vergangene Woche meldete der STERN, 79 Prozent der Bevölkerung sei der Meinung, auf die Interessen des Volkes werde hierzulande kaum Rücksicht genommen. Diese Klage zielte wohl in erster Linie in Richtung Volksvertreter. So kann es natürlich nicht weitergehen. Und deswegen hat der Kölner Stadt-Anzeiger vor einiger Zeit einen Experten um Rat gebeten, der sich mit unglücklichen Paarbeziehungen auskennt. Ulrich Sollmann ist Psychotherapeut und hat sich Gedanken darüber gemacht, wie sich Bürger und Politiker, dieses ungleiche Paar, wieder einander näher bringen ließen. Beziehungsexperte Ulrich Sollmann über... ... die Rolle des "Profipolitikers":

Wer regiert oder auch opponiert, spielt öffentlich eine Rolle, die er professionell eingeübt hat: nämlich die Rolle des hochkompetenten, geschliffenen Politikers, der die Probleme des Landes im Griff hat und zu fast allem etwas sagen kann. Allein: Die Menschen kaufen es ihm nicht mehr ab. Was die meisten Politiker ihnen in ihrer angeblichen Professionalität darbieten, empfinden die Bürger vielmehr als wenig bis gar nicht authentisch. Als unehrlich.

... ein "unprofessionelleres" Auftreten von Politikern als Initialzündung für neuen Beziehungsschwung:

Wenn Sie darunter verstehen, dass Politiker auch mal versuchen, anders zu sein, querzudenken und gelegentlich zuzugeben, dass sie von etwas keine Ahnung haben - dann sollten Politiker unprofessioneller auftreten. Dann würde auch nicht mehr ganz so stark der Eindruck vorherrschen, es gehe dem Politiker in erster Linie immer nur um eigene Positionsgewinne. Die Menschen haben schon ein Gespür dafür, wenn sie von Politikern aus rein taktischen Gründen umschmeichelt werden. Um die Kluft zu den Bürgern zu verringern, müssten Politiker wieder weniger Politiker und mehr Bürger sein. Sich auf Augenhöhe zu den Regierten begeben.

... eine Therapiesitzung mit "Bürger" und "Politiker":

Zum Politiker würde ich sagen: „Wiederhol doch mal, was der Bürger gerade gesagt hat.“ Umgekehrt würde ich den Bürger bitten: „Sag mir doch mal, was du glaubst, warum der Politiker das so macht.“ So muss der eine auf den anderen achten und sich in ihn hineinversetzen - und die Routine des Nebeneinander wäre zumindest ein bisschen gebrochen. Bei Beziehungsproblemen geht es oft weniger darum, ganz neue Lösungen zu finden - als darum, das die Beteiligten sich anschauen und nicht mehr aneinander vorbeireden. Alles, was dazu beiträgt, dass der Kontakt zwischen Bürgern und Politikern nicht auf die Wahlen beschränkt ist, kann helfen.

„Alles, was dazu beiträgt, dass der Kontakt zwischen Bürgern und Politikern nicht auf die Wahlen beschränkt ist, kann helfen“, sagt der Psychotherapeut. Wie könnte das aussehen? Im Kommentarbereich gibt es ausreichend Platz für lose Gedanken oder konkrete Vorschläge. Grafik: Bildbunt/Flickr

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