Portrait von Jens-Wolfhard Schicke-Uffmann
Jens-Wolfhard Schicke-Uffmann
PIRATEN
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Jens-Wolfhard Schicke-Uffmann zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Georg W. •

Frage an Jens-Wolfhard Schicke-Uffmann von Georg W. bezüglich Bildung und Erziehung

Worin sieht die Piratenpartei den Unterschied zwischen Sperren und Löschen?

Im Zusammenhang mit der Diskussion über das Sperren von Internetseiten mit kindergefährdenden Inhalten hat, wenn ich die Diskussion richtig verfolgt habe, die Piratenpartei sich dafür stark gemacht, solche Seiten zu löschen und Frau von der Leyen, die ja von den Piraten gerne als "Zensursula" tituliert wird, dafür kritisiert, dass sie solche Seiten lediglich sperren wolle, jedoch nicht bereit sei, diese Seiten zu löschen.

Könnten Sie bitte erläutern, was es damit auf sich hat, so dass es allgemein verständlich ist, denn ich kann keinen Sinn darin erkennen, dass die Piratenpartei einerseits Ursula von der Leyen vorwirft, dass sie Internet-Seiten sperren will, ihr aber andererseits auch vorwirft, dass sie diese Seite "nur" sperren will. Nach meinem Verständnis ist Löschen die härtere Vorgehensweise. Dass würde allerdings bedeuten, dass die Piratenpartei die "Super-Zensursula" ist.

Portrait von Jens-Wolfhard Schicke-Uffmann
Antwort von
PIRATEN

Die Piratenpartei setzt sich stark für die Meinungsfreiheit, also auch das Existenzrecht fragwürdiger Inhalte, ein. Aber auch bei uns gibt es Grenzen. So sind auch wir dafür, dass die von Frau von der Leyen gerne ins Feld geführte Kinderpornographie nicht weiterverbreitet wird. Im Gegensatz zu Frau von der Leyen möchten wir dem Kampf gegen derartige Inhalte aber nicht die Bürgerrechte opfern. Denn das ist nicht nötig.

Um das Ganze verständlich zu halten, muss ich zuerst stark verkürzt erklären, wie die Technik funktioniert.

Um einen Inhalt, z.B. ein politisches Statement, im Internet zu veröffentlichen, braucht es mehrere Dinge: Zum einen muss jemand, z.B. ich, einen Server bereitstellen. Der Server ist ein Rechner, der die Aussage als Datei gespeichert hat und an andere Rechner, z.B. Ihren, weitergeben kann.
In diesem Fall wird ihr Rechner dann als Client bezeichnet.

Konkret sieht das so aus, dass Sie z.B. http://jens.schicke.hvf-bs.net/pirates.html in die Adresszeile ihres Browsers tippen. Damit Ihr Rechner die Daten von meinem Server jetzt tatsächlich erhält, muss er aber zuerst den Namen "jens.schicke.hvf-bs.net" in eine IP-Adresse, wie z.B. 87.234.88.42, umsetzen.
Jeder Rechner im Internet hat eine derartige IP-Adresse.
Um an diese Adresse zu gelangen, fragt Ihr Rechner zuerst einen DNS-Server, einen weiteren Rechner, der zu den verschiedenen Namen die IP Adressen kennt. (Die IP Adresse des DNS-Servers ist Ihrem Rechner bereits bekannt.) Erst nachdem der DNS-Server Ihrem Rechner die IP Adresse meines Servers bekanntgegeben hat, fragt Ihr Rechner bei meinem Server nach dem eigentlichen Inhalt, also der politischen Aussage.

Wenn jetzt der Inhalt von staatlichen Stellen aus dem Internet entfernt werden soll, gibt es im Prinzip mehrere Möglichkeiten dies zu tun, wovon "Sperren" und "Löschen" zwei Beispiele sind.

"Sperren" bedeutet laut den derzeitigen Vorstellungen der Bundesregierung, dass der DNS-Server bei illegalen Inhalten "lügt", also anstatt der eigentlichen IP Adresse des Inhalts eine andere IP Adresse zurückgibt, nämlich die Adresse des Rechners, auf dem die Stop-Seite gespeichert ist.

"Löschen" bedeutet, dass der Server, der die illegalen Inhalte speichert, vom Internet getrennt wird, so dass die Dateien nicht mehr an andere Rechner weitergegeben werden können.

Diese beiden Vorgehensweisen mögen im ersten Moment ähnlich scheinen, die
Unterschiede sind aber in Wirklichkeit ziemlich groß:

* "Sperren" ist ohne große Kosten massenhaft möglich, da das Verfahren komplett automatisch ablaufen soll, "Löschen" dagegen bedarf immer der Aktion für jeden Einzelfall.
* Nach den Vorstellungen der Regierung soll das "Sperren" ohne richterliche Genehmigung möglich sein, wohingegen "Löschen" von staatlicher Seite aus durch einen Richter genehmigt werden muss. In der Realität jedoch nimmt oft eine Firma, bei der Server gemietet werden können, direkt die Löschung vor, wenn auf einem ihrer Server illegale Inhalte existieren, dazu genügt ein Anruf oder eine Email. Allerdings schaut auch dann die Firma die Inhalte meist vorher einmal durch, um festzustellen, ob tatsächlich Illegales dabei ist.
* Beim "Sperren" kann nicht weiter ermittelt zu werden, wer die Inhalte auf den Server geladen hat, da der Täter ab der Sperrung vorgewarnt ist. Beim "Löschen" dagegen wird der Server identifiziert und der Besitzer ist damit üblicherweise bekannt.
* Die "Sperre" kann innerhalb weniger Sekunden (siehe http://www.youtube.com/watch?v=1NNG5I6DBm0 ) durch Verwendung eines anderen DNS-Servers umgangen werden, beim "Löschen" dagegen werden die Inhalte tatsächlich entfernt.

Daher kritisiert die Piratenpartei Frau von der Leyen dafür "nur zu sperren" da dadurch weder die Täter gefasst, noch die Inhalte wirklich entfernt werden.

Andererseits kritisieren wir auch, dass überhaupt gesperrt wird, da, sobald die Technik dafür erst einmal eingerichtet ist, massenhafte Sperrungen kein Problem mehr sind. Und mit massenhaften Sperrungen können ohne großen Mehraufwand auch andere Inhalte gesperrt werden, wie z.B. politische Meinungen. Dies wird auch dadurch noch begünstigt, dass bei den Sperren keine von der Regierung vollständig unabhängige Kontrolle stattfindet, wohingegen dies beim Löschen noch der Fall ist.

Mit freundlichen Grüßen,
Jens-Wolfhard Schicke

P.S.: Dass diese Antwort so lange gebraucht hat lag nicht an mir, sondern daran, dass abgeordnetenwatch.de Mails mit dieser Antwort nicht empfangen hat.