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Sandra Boser
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Christine K. •

Sehr geehrte Frau Boser, könnten Sie sich vorstellen, sich für ein Verbot der AfD einzusetzen? Ich bin in großer Sorge ob der Verschiebung des Sagbaren nach rechts, die sich mittlerweile in die Mitte

Sehr geehrte Frau Bose,
wie meine Frage oben zeigt, bin ich in großer Sorge ob der Verschiebung des Sagbaren nach rechts, die sich immer mehr in die "Mitte der Gesellschaft " verschiebt. Dies zeigt sich erschreckend in der Causa Aiwanger, in der es noch nicht einmal zu spürbaren Konsequenzen für Aiwanger geführt hat, wie er sich gegenwärtig zum Vorwurf des Antisemitismus äußerte. Dabei hat er.deutlich Taktiken der Rechten angewandt - und das als Vorsitzender einer angeblich demokratischen Partei. Und keon Aufschrei in seiner Partei. Das ist äußerst beängstigend

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau K.

 

vielen Dank für Ihre Frage zu meiner Haltung bezüglich eines Verbotsverfahrens gegen die AfD.

Für mich und meine Fraktion ist es ein zentrales Anliegen, die AfD im politischen Wettbewerb zu stellen und zu bekämpfen, um zu verhindern, dass sie jemals in irgendeine Form von Regierungsverantwortung kommt.

Wir sind uns der Gefahren, die von der AfD ausgehen, bewusst. Dennoch halte ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Einleitung eines Parteiverbotsverfahren nicht für angebracht.

Es ist richtig und wichtig, dass unsere Verfassungsordnung ein derartiges Verfahren vorsieht. Mit der Möglichkeit eines Parteiverbots kann sich unsere demokratische Grundordnung gegen entsprechende Angriffe wehren. Gleichzeitig hat die jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der gescheiterten NPD-Verbotsverfahren nochmals aufgezeigt, dass dieses scharfe Schwert nur unter strengsten Voraussetzungen und somit als ultima ratio eingesetzt werden darf. Schließlich handelt es sich bei einem Parteienverbot um einen Eingriff in den Kernbereich unserer demokratischen Verfassungsordnung, welche Parteien als zentrale Akteure vorsieht.

Daher kann ein solches Verfahren nur dann in Betracht gezogen werden, wenn die strengen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts tatsächlich erfüllt werden und damit alle Voraussetzungen für ein erfolgreiches Verfahren vorliegen. Hier bedarf es einer umfassenden und mit größter Sorgfalt betriebenen Prüfung. 

Aus meiner Sicht ist hier die Vorarbeit und Bewertung durch die Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder zentral. Derzeit wird die AfD auf Ebene des Bundes sowie auf Ebene ihres baden-württembergischen Landesverbandes durch die zuständigen Verfassungsschutzämter lediglich als Verdachtsfall eingestuft. Die Verfassungsschutzämter sind noch im laufenden Prüfungsverfahren.

Erst auf der Grundlage einer Bewertung durch die Verfassungsschutzämter kann eine politische Entscheidung durch die antragsberechtigten Verfassungsorgane (Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung) getroffen werden, ein gegen die AfD gerichtetes Parteienverbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht einzuleiten.

 

Die Causa Aiwanger macht deutlich, dass problematische Denk- und Verhaltensmuster nicht nur in der AfD vorhanden sind. Hubert Aiwangers Umgang mit den Vorwürfen lässt leider keinen wirklichen Willen zur Aufklärung erkennen. Sein Verhalten im Hinblick auf das Flugblatt zeigt eine Verschiebung des Sagbaren und ist geeignet, die politische Kultur zu beschädigen, da stimme ich mit Ihnen überein. Es ist wichtig, klarzustellen, dass dies kein Wahlkampfthema ist, sondern eine grundsätzliche Frage zum Umgang mit der deutschen Geschichte.

Diese Frage muss die gesamte Gesellschaft beschäftigten, sie kann nicht ausschließlich zwischen politischen Akteur:innen diskutiert werden. Unsere Demokratie lebt von engagierten Bürger:innen, die rechtem Gedankengut konsequent widersprechen. Sie lebt vom Bekenntnis zu einer offenen, toleranten Gesellschaft.

 

Es ist mir wichtig, immer wieder laut und deutlich zu widersprechen, wenn jemand die Grenze des Sagbaren verschieben möchte. Und es ist mir wichtig, im Umgang mit der AfD stets deutlich zu machen, dass es sich dabei nicht um eine „normale“ Partei innerhalb des demokratischen Verfassungsbogens handelt. Das Schwert des Parteienverbotsverfahrens sollte jedoch nur gezogen werden, wenn die vom Bundesverfassungsgericht angelegten Kriterien erwartbar erfüllt werden.

 

Mit freundlichen Grüßen

Sandra Boser

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