Jens Rehmann
ÖDP
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Frage von Christine M. •

Frage an Jens Rehmann von Christine M. bezüglich Europapolitik und Europäische Union

Sehr geehrter Herr Rehmann,

wie steht eigentlich die ödp zum Lissabonvertrag ?

Antwort von
ÖDP

Sehr geehrte Frau Mehlo-Plath,

Wir sind überzeugte Europäer. Gerade deshalb müssen wir den Lissabon - Vertrag ablehnen, denn er will wesentliche Teile der Demokratie und der Sozialpolitik aufgeben und uns in militärische Aktionen verwickeln:

12 Kritikpunkte am Vertrag von Lissabon
1
Der Vertrag von Lissabon wirkt wie eine Verfassung für Europa. Trotzdem wird darüber nicht vom Volk abgestimmt, wie es für eine Verfassung nötig wäre. Übrigens: Eine lesbare ("konsolidierte") Form des Vertrags stand in ganz Europa nicht zur Verfügung, als der Bundestag und der Bundesrat darüber abstimmten.1)
2
Der Vertrag sieht keine Gewaltenteilung vor, obwohl sie das Fundament jeder Demokratie ist. Denn die EU-Kommission hat das alleinige Recht, Gesetze und Verordnungen zu formulieren. Sie ist außerdem das Ausführende Organ ("Regierung") und die erste Instanz in wichtigen Bereichen der Rechtsprechung. Sie wird nicht gewählt, sondern zwischen den Regierungen und den Wirtschaftsverbänden ausgehandelt. Anschließend muss sie vom EU-Parlament bestätigt werden. Dieses hat jedoch kein Recht, selbst Kommissare vorzuschlagen. Da die Kommission nur Verwaltungsfachleute beschäftigt, ist sie in allen Fachbereichen auf die Zuarbeit von Lobbygruppen angewiesen.
3
Das EU-Parlament kann bei der Außen- und Verteidigungspolitik, der Atompolitik und bei grundsätzlichen Fragen der Wirtschaft nicht mitbestimmen. In keinem Bereich darf es Entwürfe für Richtlinien und Verordnungen einbringen. Es darf lediglich zusammen mit dem (Minister-) Rat über die Entwürfe abstimmen.
4
EU - Richtlinien und Verordnungen stehen über dem deutschen Grundgesetz.
5
Heute sind etwa 80% aller neuen deutschen Gesetze lediglich die Umsetzung von EU-Vorgaben in nationales Recht. Diese Vorgaben erstrecken sich praktisch auf alle Bereiche des täglichen Lebens.
6
Zur "Konfliktverhütung" und "Krisenbewältigung" erlaubt der Vertrag von Lissabon sogar Angriffskriege. Auch zur "Wahrung der Werte der Union und im Dienste ihrer Interessen", z.B. zur Sicherung von Ölquellen, kann eine militärische "Mission" durchgeführt werden. Der EU-Ministerrat entscheidet hinter verschlossenen Türen über Kriegseinsätze und militärische Aufrüstung. Kein Parlament, weder das der EU, noch der Bundestag, können diese Entscheidungen ändern.
7
Bei solchen Einsätzen soll die militärische und politische Leitung (auch für die Bundeswehr!) künftig ein Komitee der EU übernehmen, das nicht demokratisch gewählt ist. Das EU-Parlament muss über Kampfeinsätze nur sporadisch unterrichtet werden, der Bundestag überhaupt nicht.
8
Die Außen- und Sicherheitspolitik kann von keinem Gericht überprüft werden.
9
Der "Hohe Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik" ist für beide Bereiche zuständig. Damit werden Militärinterventionen in aller Welt zum Mittel der Außenpolitik.
10
Tötungen zur "rechtmäßigen" Niederschlagung eines Aufruhrs sind erlaubt. Damit werden Aktionen wie das brutale Eingreifen der chinesischen Regierung am Platz des Himmlischen Friedens und in Tibet auch in Europa möglich. Nach dem Vertrag von Lissabon hätten die friedliche Demonstrationen von 1989 in einem Blutbad geendet. Im Krieg und bei unmittelbarer Kriegsgefahr ist die Todesstrafe prinzipiell wieder möglich.
11
Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der sozialen Sicherheit können nur durchgeführt werden, wenn sie die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft nicht beeinträchtigen.
12
Bei den Wahlen zum EU-Parlament zählt eine Stimme in Luxemburg 11 Mal so viel wie eine Stimme in Deutschland.

Mit freundlichen Grüßen!

Jens Rehmann