Frage an Fritz Kuhn von Thomas H. bezüglich Finanzen
Guten Tag Herr Kuhn,
warum setzen Sie als grüne Partei die Kanzlerin innenpolitisch unter Druck, wegen der Euro-Bonds? Letztlich haftet Deutschland damit unbegrenzt für die Schulden des gesamten Euro-Raumes. Ich bin wahrlich kein CDU-Wähler, aber hier setzt sich die Kanzlerin für deutsche Interessen ein.
Sollten wir nicht zuerst deutsche Interessen im Auge behalten und dann Europäische? Wenn die Euro-Bonds wirklich nötig sein sollten, dann muss Deutschland ernsthaft über einen Euro-Ausstieg nachdenken oder wie sehen Sie das?
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Hoffmann
Sehr geehrter Herr Hofmann,
vielen Dank für Ihre Frage. Zuerst einmal muss ich Ihnen sagen: Deutschland profitiert gewaltig vom Euro! Die Eurokritiker tun so, als wären die DM-Zeiten ein Paradies der Stabilität und der immer währenden wirtschaftlichen Prosperität gewesen. Das stimmt nicht: Ölpreisschocks, Währungskrisen und schwankende Inflationsraten schlugen auch immer voll auf die deutsche Wirtschaft durch. Ein großer Teil der DM-Sehnsucht ist Verklärung.
Fakt ist: Die deutsche Wirtschaft spart durch den Euro jährlich rund 10 Mrd. Euro, allein weil Kurssicherungsgeschäfte weggefallen sind. Die Wechselkursstabilität gegenüber dem Dollar stieg im Vergleich zur DM. Seit der Einführung der Währungsunion sind die Finanzmärkte noch viel globaler geworden. Die Bundesbank könnte heute nicht mehr effektiv in den Devisenmärkten intervenieren. Die Inflationsrate ist seit Einführung des Euro gesunken und ist viel stabiler als zu DM-Zeiten, wo die Inflationsraten zum Teil starken Schwankungen unterlagen.
Die Abwertungsspiralen wie früher bei Lira, Peseten oder Pfund zu beobachten, bei denen am Ende alle verlieren, sind beendet. Das ist an sich erst einmal positiv. Natürlich merken wir jetzt, dass für den fehlenden Abwertungsmechanismus kein adäquater Ersatz innerhalb der Euro-Zone geschaffen wurde. Diese Lücke muss durch wirtschafts- und fiskalpolitische Koordinierung geschlossen werden. Sonst droht der Euro in der Tat in ein paar Jahren zu scheitern.
Die Bundesregierung ist aufgrund ihrer immer wiederkehrenden Blockadehaltung für die Zuspitzung der Schuldenkrise mitverantwortlich. Sie hat die Einrichtung eines dauerhaften Krisenmechanismus unnötig hinaus gezögert und mit ihrer prinzipiellen Ablehnung von Euro-Bonds wieder einmal falsch entschieden. Euro-Bonds, die von allen Euro-Staaten bis zu einer stabilitätswahrenden Grenze ihrer jeweiligen Schuldenstandsquoten gemeinsam ausgegeben werden, würden den Wert der Preisstabilität wahren.
Bei richtiger Ausgestaltung können Euro-Bonds dauerhaft besonders bedrohten Mitgliedstaaten dabei helfen, Luft zu holen, also den kurzfristigen Finanzierungsschwierigkeiten zu entgehen und ihre Refinanzierungskosten zu senken. Auch in der aktuellen Krise könnte den Ländern so geholfen werden. Es geht um Eigenverantwortung und europäische Solidarität. Dies schafft den notwendigen Raum für unverzichtbare nachhaltige Strukturreformen in den betroffenen Ländern. Ziel muss es sein, tragfähige Staatsfinanzen dauerhaft umzusetzen. Die Euro-Bonds müssen so ausgestaltet werden, dass die Mitgliedstaaten einen hohen Anreiz haben, diese Strukturreformen möglichst schnell, aber ökonomisch machbar umzusetzen.
Mit der strikten Ablehnung von Eurobonds wird die Notwendigkeit anderer Instrumente für den Umgang mit Risiken für die Finanzstabilität des gesamten Euro-Währungsgebiets unumgänglich. Klar ist: Einigt sich die EU jetzt nicht auf ein glaubhaftes Signal, setzt sie den Erhalt des Euro und damit eines der wichtigsten Integrationsprojekte aufs Spiel.
Mit freundlichen Grüßen,
Fritz Kuhn