Carl Wechselberg
DIE LINKE
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Frage von Jörg V. •

Frage an Carl Wechselberg von Jörg V. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Wechselberg,

zu Ihrer Antwort auf Frau Heinze nach dem Straßenausbaubeitragsgesetz folgende Fragen:
1. Was hat die PDS wirklich dazu bewogen, dem Straßenausbaubeitragsgesetz zuzustimmen und sich damit gegen die Interessen ihrer Wähler in den Siedlungsgebieten zu stellen?
2. Wenn es wirklich so viele Hürden zum Straßenausbau gibt, wie Sie geschildert haben, wenn ohnehin kaum Mittel dafür vorhanden sind, wozu war dann dieses Gesetz nötig?
3. Glauben Sie wirklich, dass es bei der von Ihnen genannten Summe von 2500,00 € bleibt, wenn die Straßen - und die meisten sind Anliegerstraßen - in den Siedlungsgebieten nach bundesdeutschen Standards ausgebaut werden? Oder sollte man doch vorsichtshalber mit der zehnfachen Summe rechnen?

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jörg Villain

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Dr. Villain,

vielen Dank für Ihre Fragen. Ich gestatte mir, sicher mit Ihrem Einverständnis, eine ausführliche Antwort. Zu 1 und 2) Dieses Gesetz ist notwendig, weil sich unser, mit über 60 Mrd. Euro, hochverschuldetes Gemeinwesen Berlin weder tatsächlich noch vor dem Hintergrund unserer Klage in Karlsruhe weiterhin einen Ausbau von Anliegerstraßen ohne jegliche abstrakte oder konkrete Beteiligung der Anwohner leisten kann!
Niemand in Berlin, kein Bürger und keine Landesregierung, vermag sich dem Druck zu entziehen, dass wir von den Steuerzahlern der anderen Bundesländer die höchste Umverteilung von Finanzmitteln– immerhin rund 35 Mrd. Euro - in der Geschichte der föderalen Ordnung der Bundesrepublik verlangen! Das sind für niemanden „Peanuts“. Uns wird allerdings von den anderen Ländern vorgeworfen (und ich habe live in Karlsruhe miterlebt, wie uns Hessen und Co. vor dem Bundesverfassungsgericht vorführen wollten), dass wir auf eigene Einnahmen verzichten und das ist leider in vielen Fällen absolut zutreffend. Wie sollten wir deshalb politisch, moralisch oder juristisch rechtfertigen, dass die Bürger aller anderen Länder (mit Ausnahme des reichen Baden- Würtenbergs) Ausbaubeiträge bezahlen müssen und ausgerechnet in Berlin, mit seiner Milliardenklage, wird auf diese und auf andere Einnahmemöglichkeit grundsätzlich verzichtet? Entweder wir schließen solche argumentativen Einfallstore oder wir verlieren die existenziell wichtige Entschuldungsklage. So ist die Lage; deshalb hätte jede verantwortungsvolle Berliner Landesregierung ein ähnliches Gesetz verabschieden müssen. Dies gilt umso mehr, wenn die Opposition vor dem Berliner Verfassungsgericht 2004 ein Urteil gegen den Landeshaushalt 04/05 organisiert, das feststellt: „das Land Berlin hat jede Einnahmemöglichkeit auszuschöpfen“....?!
Wir schließen Bibliotheken und Jugendeinrichtungen, wir sparen am Blindengeld, wir verteuern das Sozialticket – wir sanieren das schlimmste Erbe, das eine Landesregierung in den letzten Jahrzehnten überhaupt vorgefunden hat – Haushaltsnotlage und Bankenskandal - und dann sollen Anliegerstraßen, Parktaschen und Bürgersteige prinzipiell völlig umsonst für die jeweiligen Nutzer gebaut werden? Nicht einmal ein geringer Beitrag pro Anwohner (sagen wir 10-20 Euro/Monat über zehn Jahre/für eine nagelneu Straße) soll angemessen und möglich sein? Wo sind die Linke.PDS-Wähler, die das prinzipiell für ungerecht halten? Kenne ich nicht; wohl aber diejenigen, denen absichtlich große Angst vor dem Verlust ihrer Eigenheime gemacht wurde, die von Provinz- Politikern und abgehalfterten Verbandslobbyisten Schauermärchen vorgesetzt bekommen über 72.000 Euro, die alle Siedler angeblich bezahlen müssen: „Die ersten Bescheide sind schon verschickt!“ Alles erstunken und erlogen, um mit der Angst der Bürger neue VDGN- Mitglieder und CDU-Wähler zu pressen, wie eine Drückerkolonne auf Hungertournee. Absurd!
Was zwingt uns eigentlich überhaupt und prinzipiell zum Straßenausbau in den Siedlungsgebieten? Gibt es nichts wichtigeres? Das ist doch eine völlig abwegige Gespensterdebatte, die hier geführt wird. Gerade so, als begänne demnächst ein großangelegtes Ausbauprogramm und als hätten Land oder Bezirk dafür das nötige Geld. Unsere Finanzmittel reichen doch noch nicht einmal für die ganz normale (beitragsfreie) Straßenunterhaltung und dann sollen wir neue Straßen bauen? Wovon? Könne Sie einfach nur vergessen! Ich wüsste jedenfalls jede Menge anderer, weitaus wichtigerer Dinge die wir mit solchem, real gar nicht vorhandenen, Geld finanzieren sollten und ganz am Ende reden wir dann über Parktaschen und neue Bürgersteige. Aus exakt diesem Grund wird es in den nächsten Jahren selbst dann keinen Straßenausbau in unserem Bezirk geben, wenn die Anlieger diesen wünschen würden, denn der öffentlichen Hand fehlen die erforderlichen Mittel für den öffentlichen Anteil an diesen Kosten!
Zu 3) Sie meinen der Ausbau würde teuerer, als von mir beispielhaft genannt? Wie kommen Sie auf diese Zahlen? Ich beziehe mich auf die offiziellen Berechnungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung für ein 650qm großes Einfamilienhaus-Grundstück; also 2.500 Euro. Andere Zahlen gibt es bisher nicht, weil es in Berlin bisher keinen einzigen Fall von Straßenausbau gibt! Keine Beschlüsse der Bezirksämter, keine BVV-Beschlüsse, keinerlei rechtsgültige Beitragsbescheide – nichts. Ich habe bewiesen, und das war schon ziemlich peinlich für CDU und VDGN, dass der 72.000 Euro- Ausbau in Pankow (fiktiv für ein 24.000 qm (sic!) Gewerbegrundstück in der Malchower Straße) frei erfundene Märchen sind, um Anwohner mit einem Straßenausbau zu ängstigen, den niemand beschlossen hat, den gar keiner will und den niemand braucht. Eines allerdings verstehe ich: wenn mir jemand sagen würde, ich müsste 72.000 Euro bezahlen, hätte ich auch Angst und wäre wütend. Wem, frage ich Sie, nützt die Angst der Menschen?
Sicher gestatten Sie mir noch eine Schlussbemerkung: Um der ganzen Panikmache ein Ende zu bereiten, hat die Bezirksverordnetenversammlung von Marzahn- Hellersdorf mit den Stimmen der Linken.PDS und der SPD einen Antrag verabschiedet, der festlegt, dass die BVV (die jedem Ausbauvorhaben zustimmen muss) dies nur dann tun wird, wenn vorher die absolute Mehrheit der Anwohner einer Ausbaustraße ihrerseits diesem Ausbau zugestimmt haben. Wir setzen direkte Demokratie und Ihre Entscheidung an die Stelle von Angst und Panikmache. Das ist unsere - und Ihre Wahl.

Mit freundlichen Grüßen

Carl Wechselberg