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Frage von Wolfgang G. •

Frage an Ties Rabe von Wolfgang G. bezüglich Recht

Jugendgewalt

Sehr geehrter Herr Rabe,

einem Bericht des Hamburger Abendblattes vom 01. Juni 2010, Seite 12/13, habe ich entnommen, dass es im Bezirk Bergedorf mit einer neuen Form der Zusammenarbeit zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendgericht, dem so genannten „Bergedorfer Modell“, gelungen ist, die Jugendkriminalität in Bergedorf innerhalb eines Jahres um 15%, die Zahl der Gewalttaten sogar um 20% zu senken. Trotz dieser offensichtlichen Erfolge wird dieses Modell bisher für ganz Hamburg abgelehnt, von der Innen- und der Justizbehörde sogar offen boykottiert.
Was werden Sie tun, damit diese neue Form der Bekämpfung der Jugendgewalt in ganz Hamburg angewendet wird?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Glöckner,

der Anstieg der Jugendgewalt in Hamburg ist besorgniserregend. Statt Konzepte zu entwickeln und zu handeln, setzen die CDU-Innensenatoren auf markige Sprüche und Show in den Medien. Die Folge: Der Hamburger CDU-Senat hat nach neun Jahren Amtszeit in diesem wichtigen Bereich eine verheerende Bilanz zu verantworten. Dabei gibt es durchaus Wege, den Anstieg der Gewalt zu beenden.

Vorbeugende Maßnahmen gegen Gewalt, beispielsweise Anti-Gewalt-Training, Aggressionstraining oder Sportangebote an Kindertagestätten, Schulen und Jugendeinrichtungen, gehören dazu. Hilfsangebote und erzieherische Maßnahmen für gewaltbereite Familien sind weitere wichtige Mittel zur Vorbeugung. Polizeiliche Maßnahmen wie beispielsweise bessere Kontrolle, mehr Personal auf der Straße, aber auch Verbote für Waffen und Alkohol an bestimmten Plätzen helfen ebenfalls, Gewalt zu verhindern.

Erst Recht muss aber die staatliche Reaktion auf kriminelle Gewalttaten schneller erfolgen und besser abgestimmt werden. Die verschiedenen staatlichen Stellen - Polizei, Staatsanwaltschaft, die verschiedenen Gerichtsbarkeiten, Jugendgerichtshilfe, Jugendämter und weitere Stellen - müssen schneller arbeiten und ihre Maßnahmen besser miteinander koordinieren. In der Regel beginnt das Gerichtsverfahren gegen Gewalttäter erst nach vielen Monaten, und zu viele Behörden arbeiten nebeneinander her ohne sich abzustimmen.

Die für Jugendkriminalität zuständigen Fachsprecher der SPD-Fraktion haben deshalb bereits seit einigen Jahren immer wieder Kontakt zu Richter Masch. Wir haben uns sehr gefreut, dass er jüngst zu den Experten gehörte, die auf Einladung meiner SPD-Fraktion bei einer Diskussionsveranstaltung zur Jugendgewalt Ende Juni 2010 auf dem Podium mitgewirkt haben.
Die statistischen Erfolge des Bergedorfer Modells sind zwar nicht so eindeutig wie im Abendblatt geschildert: Richter Masch zählt seine eigenen Gerichtsverfahren, die Polizeiliche Kriminalstatistik gibt einen solch starken Rückgang der Jugendgewalt in Bergedorf nicht her. Andererseits argumentiert der CDU-Senat auch nicht ganz redlich, wenn zur Kritik an dem Modell die vergleichsweise längere Verfahrensdauer in Bergedorf angeführt wird. Denn wenn Verfahren strafrechtlich nicht schnell abgeschlossen werden, bedeutet das nicht automatisch, dass nicht auf dem Wege des Familienrechts schnell reagiert wurde.
Wir halten das prinzipielle Anliegen, die verschiedenen rechtlichen Stränge und Tätigkeiten unterschiedlicher Behörden und Einrichtungen zu bündeln, für richtig und unterstützen entsprechende Vorschläge von Herrn Masch und anderen. Gerade dann, wenn es um junge Straftäter geht, haben die Strafverfolgungsbehörden so zügig wie möglich auf Delikte zu reagieren. Unsere Recherchen zu Einzelfällen haben ergeben, dass gerade schwerwiegenden Gewaltdelikten - wie der Tötung des jungen Mel am Jungfernstieg im Mai 2010 - nicht selten ein zu langsames Handeln von Justiz und Behörden vorangegangen ist.

Die SPD-Fraktion in der Bürgerschaft hat daher schon mehrfach mit eigenen Anträgen im Parlament gefordert, in einem Pilotversuch ein „Haus des Jugendrechts“ nach Stuttgarter Vorbild einzurichten, in dem die Jugendsachbearbeiter der Polizei, die Jugendstaatsanwaltschaft und die Jugendgerichtshilfe unter einem Dach zusammengefasst werden, um so ein effektives Fallmanagement und eine Beschleunigung der Verfahren zu ermöglichen. Die SPD Bergedorf, deren Vorsitzender ich bin, hat dazu auf dem Landesparteitag der Hamburger SPD einen Antrag durchgesetzt, ein solches „Haus des Jugendrechts“ zunächst als Pilotversuch in Bergedorf zu starten.

In einer solchen auf Kooperation angelegten Organisationsform wäre natürlich auch eine Einbindung der Gerichte wünschenswert. Darüber kann Politik allerdings nicht direkt entscheiden; über die Frage, welche Richterinnen und Richter eines Gerichts welche Rechtsgebiete betreuen, entscheiden letztlich die Gerichte selbst. Die Politik kann also nicht vorgeben, dass ein Jugendgericht wie in Bergedorf auch Familiengericht sein soll. Dass wir aber die Bündelung der verschiedenen Behörden vorantreiben wollen, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die Idee des Hauses des Jugendrechts bereits seit dem Jahr 2008 Inhalt unseres Regierungsprogramms ist.

Wenn Sie danach fragen, was die SPD zur Umsetzung entsprechender Konzepte unternimmt, dann müssen wir allerdings auch darauf hinweisen, dass die SPD als Oppositionspartei zwar mit den Beteiligten sprechen kann, Alternativen auf dem Papier entwickeln und im Parlament zur Abstimmung stellen kann. Handeln im eigentlichen Sinne kann eine Opposition jedoch nicht. Handeln kann nur die von der Mehrheit des Parlaments gewählte Regierung - und die wird seit neun Jahren von der CDU geführt. Die SPD kämpft deshalb auch um das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler bei der nächsten Wahl - denn nur mit einer parlamentarischen Mehrheit können unsere neue Konzepte zur Bekämpfung der Jugendgewalt umgesetzt werden.

Herzliche Grüße

Ties Rabe