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Frage von Kay V. •

Frage an Ties Rabe von Kay V. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Rabe,

der Text des Volksentscheides von "wwl" richtet sich ja nicht gegen alle Änderungen des Schulgesetzes sondern nur gegen die Primarschule bis Klasse 6 (also weiterhin Grundschule bis Klasse 4 ) und gegen das Elternwahlrecht in Klasse 6 (also Beibehalt Elternwahlrecht in Klasse 4).

Daraus ergeben sich folgende Fragen:

1. Wenn die Gegnern der Reform gewinnen wird dann trotzdem die Verkleinerung der Klassen, wie im Schulgesetz vorgesehen, in der Grundschule umgesetzt?

2. Bleibt es bei der Abschaffung des Büchergeldes?

3. Werden inhaltliche Veränderungen wie z.B. neue Unterrichtsformen (Jahrgangsübergreifendes Lernen etc) durch den Volksentscheid überhaupt berührt und falls nein wird es hierfür auch in der Grundschule Klasse 1-4 Unterstützung der Lehrer durch Fortbildung geben?

4.. Bleibt es beim 10jährigen Schulfrieden, also des Versprechens der in der Bürgerschaft vertretenen Parteien i den nächsten 10 Jahren keine wesentlichen strukturellen Änderungen am Schulsystem vorzunehmen?

5. Ich zitiere Sie aus der letzten Antwort auf eine Anfrage hier im "Abgeordnetenwatch":

"... Viele sagen jetzt: "Das sind schöne Verbesserungen, die wir gut finden, aber dafür braucht man die Primarschule nicht." Wer das sagt hat theoretisch Recht, kleinere Klassen usw. wären ohne Primarschule noch besser. Aber diese Theorie kann kaum Praxis werden. Denn als Politiker muss ich Ihnen sagen: Wir konnten diese sinnvollen Verbesserungen nur durchsetzen, weil im Gegenzug der Senat "seine Primarschule" bekommen hat...."

Wenn Sie die Fragen 1 bis 2 ggf. bis 4 mit Ja beantworten sollten (Frau Goetsch hat dies nach meiner Info vor einigen Tagen getan) muß sich die SPD nicht nicht "freuen", wenn das Volksbegehren durchkommt, denn dann werden die durch die SPD durchgesetzten Verbesserungen erreicht ohne daß die "Kröte" Primarschule geschluckt werden muß?

Ich erwarte mit Spannung Ihre Antwort.

Mit freundlichem Gruß

Kay Vogel

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Vogel,

vielen Dank für Ihr Schreiben. Gern antworte ich auf Ihre Fragen.

Für die SPD erkläre ich klipp und klar: Auch wenn der Volksentscheid erfolgreich ist und dadurch die Primarschulreform scheitert, wird die SPD an den von uns durchgesetzten Verbesserungen festhalten. Das heißt: Verbesserungen wie zum Beispiel kleinere Klassen, die Abschaffung des Büchergelds oder die Oberstufen für die Stadtteilschulen bleiben bestehen.

Juristisch ist die Sache ebenfalls sehr klar. Der Volksentscheid richtet sich nicht gegen das gesamte Schulgesetz, sondern direkt nur gegen die Primarschule und die damit zusammenhängenden Änderungen des Elternwahlrechtes. Somit bleiben die Teile des Schulgesetzes, die sich nicht auf die Primarschule beziehen, bestehen. Das gilt auch für neue Unterrichtsformen, für die angestrebte neue Lernkultur oder beispielsweise für die neuen Möglichkeiten für Kinder mit Förderbedarf, die allgemeinen Schulen zu besuchen. Unsere Linie ist klar: Alle, was dem Volksentscheid nicht entgegensteht, bleibt bestehen.

Wir als SPD werden auch unser Versprechen für einen zehnjährigen Schulfrieden in jedem Fall aufrecht erhalten, unabhängig vom Ausgang des Volksentscheids. Wer nach einem Volksentscheid unverdrossen weiter am Schulsystem herumdoktert, stellt sich selbst ins Abseits. Wir würden uns freuen, wenn viele Bürgerinnen und Bürger spätestens mit der nächsten Bürgerschaftswahl in eineinhalb Jahren einigen Hamburger Politikern klar machen, was die Bürger von den manchmal doch recht seltsamen Vorstellungen einiger Politiker von einem "einseitigen Schulfrieden" halten.

Welche Position die anderen Parteien in diesem Zusammenhang vertreten, erfragen Sie am besten dort.

Sie zitieren mich richtig. Ich habe gesagt: "... Viele sagen jetzt: "Das sind schöne Verbesserungen, die wir gut finden, aber dafür braucht man die Primarschule nicht." Wer das sagt, hat theoretisch Recht, kleinere Klassen usw. wären ohne Primarschule noch besser. Aber diese Theorie kann kaum Praxis werden. Denn als Politiker muss ich Ihnen sagen: Wir konnten diese sinnvollen Verbesserungen nur durchsetzen, weil im Gegenzug der Senat "seine Primarschule" bekommen hat...."

Ich habe immer gesagt, dass die Primarschule Chancen und Risiken birgt. Ich habe kritisiert, dass die Primarschule viel Energie kostet - viel Geld, viel Kraft, viel Arbeitszeit - und im Verhältnis zu diesem enormem Einsatz relativ geringe Verbesserungen der Chancen bringt. Dennoch sehe ich im gemeinsamen Lernen eine Chance, die durch die von der SPD durchgesetzten Verbesserungen - insbesondere durch die deutlich kleineren Klassen - mehr Vorteile bringen wird, als es mit kleinen Klassen in getrennten Schulsystemen erreichbar wäre.

Noch besser wäre es meiner Ansicht nach, die für die Primarschule notwendigen Ressourcen in ganz andere Verbesserungen zu investieren: in mehr Ganztagsschulen, in frühkindliche Bildung vor der Einschulung, in "staatliche Nachhilfe" und andere Fördermaßnahmen usw. Genau so ist auch der von Ihnen zitierte Absatz zu verstehen. Aber über ganz andere Reformen können wir mit dem Volksentscheid gar nicht entscheiden. Zur Wahl stehen nur zwei Alternativen: "Das Schulsystem wie bisher - oder die Primarschule." Und da sage ich: Die Primarschule ist zwar wahnwitzig teuer, aber besser als das bisherige Schulsystem.

Vor allem aber sehe ich in der Primarschule die Chance auf einen wirklichen Schulfrieden in der Stadt. Ich mache jetzt gerade erst zwei Jahre Schulpolitik in Hamburg und bin sehr bestürzt darüber, wie die grundsätzliche Auseinandersetzung um die Frage des "längeren gemeinsamen Lernens" Reformen auf allen Ebenen blockiert. Es erinnert mich manchmal an einen Glaubenskampf, mit welcher Leidenschaft Bürger, Experten, Medien, Interessenvertreter und Politiker seit nunmehr 40 Jahren sämtliche schulpolitischen Reformen mit dieser Debatte überfrachten. Das Ergebnis ist verheerend: Statt viele sinnvolle Verbesserungen an den Schulen auf den Weg zu bringen und nach neuen Antworten zu suchen, blockiert die Schulpolitik seit Jahrzehnten mit dieser Auseinandersetzung viele sinnvolle Reformen. Wer an die Chancen der Kinder denkt, der sollte sich zusammen mit der SPD für einen Schulfrieden einsetzen. Wir müssen wieder den Kopf und die Hände frei bekommen um Reformen auf den Weg zu bringen, die schnell und effektiv helfen. Dafür brauchen wir den Schulfrieden.

Zu einem Schulfrieden aber gehören Politiker aller bzw. möglichst vieler Parteien, Verbände, Medien, Kammern, Experten, Eltern, Lehrer, Schüler, Wähler. Ein Blick auf die derzeitige Hamburger Situation zeigt allen, wie unterschiedlich die Vorstellungen dieser Gruppen sind. Friede braucht eine tragfähige Grundlage, braucht den Kompromiss. Ich habe die Hoffnung, dass die Primarschule so ein Kompromiss sein kann. Sie wissen wie ich, dass viele Gruppen in der Bildungsszene eine Schule für alle bis Klasse 10 anstreben, auch die SPD. Andere Gruppen wehren sich gegen jede Form längeren gemeinsamen Lernens. Dieser Streit belastet seit 40 Jahren alle Schulreformen.

Wäre es nicht an der Zeit, diesen Streit mit einem Kompromiss zu beenden - selbst wenn dieser Kompromiss für sich betrachtet sachliche Schwächen hat? Ich selbst verbinde mit der Primarschule diese Hoffnung.

Herzliche Grüße

Ties Rabe