Das Foto zeigt eine Portraitaufnahme von Tabea Rößner vom Juni 2021.
Tabea Rößner
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Georg S. •

Warum schweigt Deutschland und der Bundestag zum laufenden Genozid an ArmenierInnen in Bergkarabach und bleibt trotz der historischen Verantwortung gegenüber dem armenischen Volk völlig untätig?

Internationale Experten, u.a. Luis Moreno Ocampo, Ex-Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs; der Jurist Juan Méndez, erster UN-Sonderberater für die Verhinderung des Genozids; die International Association of Genocide Scholars; die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV); die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM); das Lemkin Institute for Genocide Prevention und 50 Genozidwissenschaftler in einem Offenen Brief an die UN bezeichnen die über 8 monatelange Aushungerung von 120.000 ArmenierInnen in Bergkarabach durch Aserbaidschan als „Genozid“.

» Regierungssprecher Hebestreit sagt die Verwendung des Begriffs „Genozid“ sei „Propaganda“
» der Bundestag schweigt
» Annalena Baerbock und Kanzler Scholz schweigen
» DE blieb einem Diplomatenbesuch in Armenien am 28.07. fern

Wie ist dieses Verhalten DE mit der Armenien-Resolution und der Verantwortung die sich aus der deutschen Mitschuld am Genozid an den Armeniern 1915 ergibt vereinbar? Wann handeln Sie endlich?

Das Foto zeigt eine Portraitaufnahme von Tabea Rößner vom Juni 2021.
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr S.,

die Entwicklungen in der Südkaukasus-Region haben sich in den vergangenen Wochen überschlagen. Noch im März war ich in Armenien und Georgien und habe dort sehr intensive Gespräche mit Ministerpräsident Pashinyan und Vertreterinnen und Vertretern aus Regierung und Parlament geführt. Wir hatten große Hoffnung in die Vermittlungsbemühungen des EU-Ratspräsidenten Michel. Uns wurde die dramatische humanitäre Lage in Bergkarabach vor Augen geführt, und wir konnten die EU-Mission (EUMA) treffen, die Deutschland aktiv mit Personal und Leitung unterstützt.

Zuletzt reiste von Seiten der Bundesregierung Staatsminister Dr. Tobias Lindner in die Region, um sich für eine nachhaltige Konfliktlösung einzusetzen. Auch meine Fraktionskollegin Merle Spellerberg hatte sich die angespannte Situation entlang der Kontaktlinie im Sommer von EUMA erläutern lassen.

Sowohl Bundesregierung als auch Abgeordnete meiner Fraktion hatten wiederholt ein Ende der Blockade des Latschin-Korridors gefordert und den Beschuss armenischen Staatsgebietes durch Aserbaidschan verurteilt. Der Versuch, politische Interessen auf dem Rücken der Menschen in Bergkarabach und durch gezielte Herbeiführung einer humanitären Notlage durchzusetzen, waren von Anfang an inakzeptabel. Wir hatten immer auf eine friedliche Lösung gedrängt, die sowohl die territoriale Integrität Aserbaidschans als auch die Interessen der Menschen in Bergkarabach adressiert.

Nach der Militäroffensive und der Gewalteskalation in Bergkarabach durch Aserbaidschan sowie der Vertreibung zigtausender Armenier:innen hat die Außenministerin Baerbock das Vorgehen Aserbaidschans auf der UN-Generalversammlung verurteilt und die humanitäre Hilfe für Armenien erhöht.

Die Europäische Union und die Bundesregierung erhöhen den Druck auf Aserbaidschan und ziehen Sanktionen gegen das Land in Erwägung. Der Forderung, UN-Beobachter:innen in die Region zu lassen, hat Baku zwischenzeitlich nachgegeben. Auch das Europaparlament hat eine Resolution verabschiedet, in der "ethnische Säuberungen" in Berg-Karabach verurteilt und Sanktionen gegen Aserbaidschan gefordert werden.

Als Koordinator des Auswärtigen Amtes für Osteuropa ist gerade mein Kollege Robin Wagener in Armenien, mit dem ich mich baldmöglich austauschen werde. Ich stehe zudem im Austausch mit dem armenischen Botschafter, mit Vertreter:innen der armenischen Zivilgesellschaft, vergangene Woche habe ich armenische Journalist:innen im Bundestag empfangen.

Sie sehen, dass - auch wenn nicht immer alles öffentlich berichtet wird - einiges passiert.

Herzliche Grüße

Tabea Rößner

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