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Stephan Mayer
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Frage von Sebastian B. •

Frage an Stephan Mayer von Sebastian B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Mayer,

wie Sie sicher wissen, hat das Bundesverfassungsgericht vor kurzem die Vorratsdatenspeicherung vollständig gekippt. Ich habe Ihnen auch bereits zum sogenannten BKA-Gesetz mitgeteilt, dass ich die zunehmenden Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen äußerst kritisch betrachte.

Nun meine Frage zum Urteil des BVerG:
Wie sehen Sie persönlich jetzt die Lage, da das Gesetz so umfänglich für Verfassungswidrig erklärt wurde? Ist dieses Urteil ein Sieg für die Bürgerrechte oder eine Gefahr für die innere Sicherheit?
Und allgemein, warum gibt es keine Sanktionen bei wiederholtem verfassungsfeindlichen Verhalten bestimmter Abgeordneter?

Mir ist klar, dass das ein komplexes Thema ist, aber ich würde Sie dennoch bitten, die zunehmende Sorge der Bevölkerung (nicht nur mir) wahrzunehmen.

Vielen Dank und beste Grüße, Sebastian Bartsch

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Bartsch,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 09. März 2010 über www.abgeordnetenwatch.de, in der Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung vom 2. März 2010 ansprechen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 02. März. 2010 ausge-führt, dass die gesetzgeberische Grundentscheidung, in bestimmten Fällen schwerer Straftaten Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG vorzunehmen, möglich und auch verfassungsgemäß ist. Es hat auch zugestanden, dass die Vorratsdatenspeicherung und der darauf gründende Verkehrsdatenabruf zur Aufklärung solcher Straftaten erforderliche und geeignete Ermittlungsinstrumente sind. Es hat jedoch auch die konkrete nationale Umsetzung der Vorgaben der EU-Richtlinie (2006/24/EG) als nicht verfassungskonform angesehen und daher bei einem Abstimmungsverhältnis von 4:4 nur drei Normen (§§ 113a, 113b TKG und § 100g Abs. 1 S. 1 StPO) für nichtig erklärt.

Aufgrund der für die Bundesrepublik Deutschland bindenden Vorgaben der EU besteht somit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Verpflichtung, die in der EU-Richtlinie (2006/24/EG) dargestellte Vorratsdatenspeicherung erneut in nationales Recht umzusetzen.

Deutschland kann und wird sich dieser Verpflichtung auch nicht entziehen. Schweden wurde beispielsweise wegen Nichtumsetzung der EU-Richtlinie bereits rechtskräftig vom EuGH am 4. Februar 2010 verurteilt. Gegen Österreich wurde durch die Kommission ebenfalls bereits ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung angestrengt.

Die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström hat zudem bereits verlauten lassen, dass zwar eine Evaluierung der Richtlinie Ende des Jahres in Betracht komme, eine vollständige Aufhebung allerdings nicht beabsichtigt sei.

Der Gesetzgeber ist daher jetzt gefordert, sorgfältig die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der konkreten Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung zu analysieren und in einem zweiten Schritt, zügig die erforderlichen Nachbesserungen im Wege eines neuen Gesetzgebungsverfahrens anzugehen.

Abschließend möchte ich festhalten, dass sich die Rechtspolitik im Bereich der Tele-kommunikationsüberwachung immer in einem Spannungsfeld zwischen dem Grund-rechtsschutz der Bürger und der ebenfalls verfassungsrechtlich gebotenen Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung bewegt. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben (vgl. BVerfG Urteil v. 12.03.2003 - 1 BvR 330/96 und 1 BvR 348/99; BVerfGE 107, 299, 316 m. w. N.). Grundrechtsschutz der Bürger und Strafverfolgungsinteresse des Staates müssen deshalb in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden. Hierfür setze ich mich ein.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Stephan Mayer
Bundestagsabgeordneter

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