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Sabine Bätzing-Lichtenthäler
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Frage von Johann F. •

Frage an Sabine Bätzing-Lichtenthäler von Johann F. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Bätzing,

ich danke ihnen für die Antwort vom 12.6. auf die Frage vom 24.4.09 zum Thema CSC.

Ihrer Antwort entnehme ich, dass sie vornehmlich eine Reduktion des Konsums anstreben.

Dazu gibt es prinzipiell zwei Wege. Den ersten wenden sie erfolgreich auf Alkoholische Produkte an (Werbeverbot, Besteuerung, Kontrolle der Erzeuger etc...). In diesem Bereich kann die Bundesregierung Erfolge verbuchen. So sinkt die Konsummenge von Alkohol seit Jahren kontinuierlich.

Der zweite weg ist, den sie bei Illegalen Drogen einsetzen, der des Verbots und der Bestraftung und in geringerem Maße Prävention. Hier sind ihre Bemühungen weniger erfolgreich. Nicht nur, dass die Anzahl der Konsumenten auf hohem Niveau stagniert, sondern der Preis von Cannabis und anderen Drogen sinkt Inflationsbreinigt seit Jahren.

Die Niederlande hat mir ihrem Modell der Tolerierung eine wesentlich geringere Zahl von Drogenkonsumenten, speziell bei Cannabis. Des weiteren sind die Gesundheitsfolgen in den Niederlanden auch geringer (gemessen an den Drogentoten).

Sehen sie ihr Modell des Verbots im vergleich zum niederländischen Modell der Toleranz als effektivsten Weg den Konsum zu veringern?

Ich hoffe sie können vor der Sommerpause und somit vor der Wahl noch antworten.

MFG
Johann Fürmann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Fürmann,

mit Ihrer Forderung nach mehr Toleranz in Deutschland beim Umgang mit Cannabis fordern Sie eine Legalisierung von Cannabis. Zu diesem Thema habe ich mich in diesem Forum schon mehrfach geäußert. Gern wiederhole ich meine Position:

Eine Legalisierung von Cannabis ist seitens der Bundesregierung nicht geplant. Die Bundesregierung hält an der grundsätzlichen Strafbarkeit des Besitzes, des Anbaus, der Einfuhr und des Inverkehrbringens von Cannabis fest (§ 29 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz), weil sie Cannabis nicht als harmlose Droge ansieht. Keine der neueren Studien hat Cannabis eine "Unbedenklichkeitsbescheinigung" ausgestellt. Vielmehr wird zunehmend auf eine Reihe akuter und langfristiger Risiken durch einen nicht ärztlich kontrollierten Cannabiskonsum hingewiesen. Danach kann Dauerkonsum zu ernsthaften körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen führen. Ursache kann u.a. die in den letzten Jahren beobachtete stetige Steigerung des THC-Gehalts bei Cannabisprodukten sein. Die Risiken des Cannabiskonsums werden deshalb in den letzten Jahren eher höher eingeschätzt als früher. Die Gesundheitsgefahren des Cannabismissbrauchs gerade bei Jugendlichen und Heranwachsenden sind medizinisch erwiesen. Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit wurde im vorletzten Jahr ein systematisches Review international publizierter Studien aus den letzten Jahren durchgeführt, das diese Einschätzung bestätigt.

Bei den ambulanten Drogenberatungsstellen nimmt der Anteil von Klienten zu, die wegen eines Cannabisproblems in die Behandlung kommen. Nach einem Bericht der Deutschen Referenzstelle für die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht war Cannabiskonsum im Jahre 2007 bei 32,5% der wegen Drogenproblemen ambulant Behandelten der wichtigste Anlass der Betreuung. Bei den Personen, die das erste Mal in Suchtbehandlung sind, liegt der Anteil der Cannabisfälle bei 51,2%. Im übrigen wird Cannabis häufig zusammen mit anderen Suchtmitteln (wie z.B. Ecstasy und Alkohol) konsumiert.

Wir sehen derzeit keine Veranlassung, ein Freigabesignal für eine berauschende Substanz zu geben. Wir werden darin von der internationalen Gemeinschaft, der Weltgesundheitsorganisation und dem hierfür zuständigen Internationalen Suchtstoffamt (INCB) bestärkt, die an dem obligatorischen Cannabisverbot der Suchtstoffübereinkommen der Vereinten Nationen, das die Bundesrepublik Deutschland (ebenso wie 166 weitere Staaten) ratifiziert hat, festhalten wollen. Nach Artikel 4 Buchstabe c des Einheitsübereinkommens der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Verwendung von Suchtstoffen, einschlieÃ?lich Cannabis, auf ausschließlich medizinische oder wissenschaftliche Zwecke zu beschränken. Daneben verlangt Artikel 3 Abs. 2 des VN-Suchtstoffübereinkommens von 1988 von allen Vertragsparteien, "vorbehaltlich ihrer Verfassungsgrundsätze und der Grundzüge ihrer Rechtsordnung ... den Besitz, den Kauf oder den Anbau von Suchtstoffen oder psychotropen Stoffen für den persönlichen Verbrauch ... als Straftat zu umschreiben". Deshalb ist auch in Deutschland der Verkehr mit Cannabis zu anderen als medizinischen oder wissenschaftlichen Zwecken nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) verboten und strafbar. Sollten Sie einen standardisierten Cannabisextrakt oder Cannabis-Pflanzenteile zu medizinischen Zwecken benötigen, so ist es möglich, sich mit einem Antrag auf der Grundlage des § 3 Abs. 2 BtMG an die Bundesopiumstelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3 in 53175 Bonn, zu wenden.

Deutschland ist zur Umsetzung und Einhaltung der Internationalen Suchtstoffübereinkommen verpflichtet. Das Gleiche gilt übrigens in den Niederlanden, wo der Cannabiserwerb für den Eigenkonsum ebenfalls gesetzlich nicht erlaubt ist, sondern lediglich in sehr engen Grenzen geduldet wird. Bei den sog. Coffeeshops handelt es sich nicht um staatlich lizenzierte Stellen, sondern um private Gaststättenbetriebe ohne Alkoholausschank, in denen der Verkauf sog. weicher Drogen (die Cannabisprodukte Haschisch und Marihuana), der grundsätzlich auch in den Niederlanden strafbar ist, nicht verfolgt wird, sofern es um geringe Mengen (5 Gramm pro Person) geht und weitere Auflagen erfüllt werden. Wenn ich Ihre E-Mail richtig verstanden habe, erwägen Sie auch etwas ähnliches für Deutschland.

Gerade der liberale Ansatz der Niederlande stößt aber EU-weit und auch innerhalb der internationalen Gemeinschaft mehr und mehr auf Kritik. So hat der Rat der Europäischen Union am 25. Oktober 2004 - nach langjährigem Widerstand der Niederlande - einen Rahmenbeschluss zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels angenommen (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8). Danach ist in den einschlägigen Gesetzen der Mitgliedstaaten u.a. für den Handel mit geringen Mengen von weniger gefährlichen ("weichen") Drogen eine Mindesthöchststrafe von 1 bis 3 Jahren vorzusehen.

Im übrigen hat die britische Regierung, Cannabis wegen der schwerwiegenden Auswirkungen insbesondere auf Jugendliche und Heranwachsende im britischen Betäubungsmittelgesetz von Klasse C in Klasse B umgestuft, mit der Folge, dass Besitz und Handel mit schärferen Sanktionen bestraft werden können.

Die Strafbarkeit des Besitzes von Cannabis bedeutet keineswegs, dass in Deutschland alle Cannabiskonsumenten bestraft werden. Unter bestimmten Voraussetzungen (u.a. Eigenverbrauch in geringer Menge) kann von der Strafverfolgung bzw. von der Bestrafung abgesehen werden (§§ 29 Abs. 5, 31a BtMG).

Bei der gesetzlichen Regelung des Umgangs mit Cannabis geht es letztlich darum, einen verfassungskonformen Ausgleich zwischen dem notwendigen Gesundheitsschutz für den Einzelnen und die Allgemeinheit einerseits und den Einschränkungen der persönlichen Handlungsfreiheit infolge des strafbewehrten Cannabisverbots andererseits zu finden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seiner bekannten "Haschisch-Entscheidung" vom 9. März 1994 ausdrücklich anerkannt und u.a. aus diesem Grund die Rechtmäßigkeit der Cannabisverbote festgestellt. Mit seinen Beschlüssen vom 29.06.2004 (Az: BVerfG, 2 BvL 8/02) und 30.06.2005 (Az: BVerfG, 2 BvR 1772/02) hat das Bundesverfassungsgericht seine früheren Beschlüsse zur Strafbarkeit bestätigt und damit die Position der Bundesregierung ausdrücklich bekräftigt. Nach dem einstimmigen Gerichtsbeschluss liegen derzeit keine neuen Erkenntnisse vor, die die frühere Einschätzung zu den Risiken von Cannabis-Produkten erschüttern würden.

Die Bundesregierung befürwortet alle Anstrengungen, die dazu führen, dass wirksame zugelassene Arzneimittel auf der Basis von Cannabis in den Verkehr gebracht werden können. Wie bei allen Arzneimitteln kann dies jedoch im Interesse der Patienten nur auf der Grundlage des Arzneimittelgesetzes und des BtMG erfolgen. Dazu müssen die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels wissenschaftlich nachgewiesen sein. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können die entsprechenden Wirkstoffe verschreibungsfähig gemacht und in die Anlage III des BtMG (verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel) aufgenommen werden. Dies ist bislang aufgrund klinischer Prüfungen nur für die Cannabis-Wirkstoffe Nabilon und Dronabinol, für die im Ausland zugelassene Arzneimittel verfügbar sind, erfolgt. Dagegen sind diese Voraussetzungen bei natürlichen Gemischen (z.B. Cannabis-Extrakt, Cannabis-Blüten) derzeit noch nicht erfüllt: Bei Haschisch, Marihuana und anderen illegalen Hanfzubereitungen sind weder der Wirkstoffgehalt noch Art und Umfang schädlicher Beimengungen bekannt. Eine Umstufung dieser Zubereitungen von Anlage I (nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel) in die Anlage III des BtMG ist nicht zu verantworten.

Am 15. Oktober 2008 fand eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages zu den Anträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE "Medizinische Anwendung von Cannabis erleichtern" und "Cannabis zur medizinischen Behandlung freigeben" (BT-Drucksachen 16/7285 und 16/9749) statt. Basierend auf den Erkenntnissen der Anhörung lässt sich ein aktueller betäubungsmittelrechtlicher Handlungsbedarf im Sinne einer Umstufung von Cannabis-Zubereitungen in Anlage III des BtMG nicht ableiten, zumal das Betäubungsmittel Dronabinol als Substanz dieser Anlage bereits verkehrs- und verschreibungsfähig ist.

Mit freundlichen Grüßen
Sabine Bätzing

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