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Frage von Robert S. •

Frage an Ralf Göbel von Robert S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Göbel,

Ich würde gerne Ihre Meinung zu den Tesen wissen.

1: Die EU – Verfassung erklärt eine „Tötung“ für zulässig, „wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um einen Aufruhr oder Aufstand rechtsmäßig niederzuschlagen“. (Schlussakte, Erklärung 12, Art. 2, S.434)

2: Die EU darf einen Krieg anfangen, ohne das Europäische Parlament zu fragen
Über Militäreinsätze entscheidet allein der Ministerrat der EU. Das Parlament hat weder eine
Entscheidungsbefugnis noch eine Kontrolle über Truppeneinsätze und entsprechende
Außenpolitik. Es wird sogar ausdrücklich bestimmt, dass nicht einmal der Europäische
Gerichtshof eine Kontrollmöglichkeit hat. (Art. I–41, S. 37 und Art. III–376. S. 169)

Hier werden schon teilweise Diktaktorische Züge deutlich, was für mich kaum nachvollziehbar ist.

3:! Der – sehr europabegeisterte – Jean – Claude Juncker, Premier von Luxemburg:
„Ich habe noch nie einen derart Untransparenz, eine völlig undurchsichtige, sich dem
demokratischen Wettbewerb der Ideen entziehende Veranstaltung erlebt. Der Verfassungs –
Konvent ist angekündigt worden als die große Demokratie – Show – ich habe noch keine
dunklere Dunkelkammer gesehen als diesen Konvent“.
Spiegel 16.06.03!

Ich finde diese Aussage bekräftigt, die Thesen der vorherigen Schreiber und im Allgemeinen, die Gefahr der Entdemokratisierung der EU. Es ist einfach unglaublich und in den Medien nie erwähnt (weshalb wohl deshalb viele EU-Bürger kaum Wissen über die neue EU-Verfassung haben), dass so was überhaupt in einer EU-Verfassung erwähnt wird, denn wir leben doch in einer Demokratie, wie es immer behauptet wird. Ich denke jeder demokratische Politiker sollte kritisch zu der Verfassung stehen und sich damit auseinandersetzen. Es ist auch meiner Ansicht wirklich falsch, diese Themen als Verschwörungtheorie abzustempeln, denn es steht ja "Schwarz auf Weiß", anderseits löst es nicht das Problem, ein Thema üblicherweise als verschwörungstheorie darzustellen.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Spitz,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Die von Ihnen aufgeführte Erklärung bezieht sich Auf Art. 2 der Grundrechtscharta, die in der Fassung des Lissabonner Vertrages nicht explizit als Vertragsbestandteil aufgenommen wurde, auch wenn sich die meisten EU-Mitgliedsstaaten daran gebunden fühlen. Dennoch möchte ich mich dazu äußern. Liest man diesen Artikel, kann man der Versuchung einer Falschdeutung unterliegen. Daher bin ich froh, dass die Beantwortung ihrer Anfrage mir die Möglichkeit gibt, in diesem Forum diesbezüglich Irritationen oder Missdeutungen vorzubeugen.

Um eine Rechtsnorm richtig zu verstehen - ähnlich ist dies im Übrigen mit unserem Grundgesetz - muss man die Hintergründe seiner Entstehung, seine Auslegung und seine Reichweite kennen.

Artikel 2 der Grundrechtscharta bezieht sich auf den Schutz des Menschen vor staatlicher Sanktionierung mit dem Tod. Der unterzeichnende Mitgliedsstaat unterliegt der Verpflichtung, die Todesstrafe, soweit gesetzlich vorhanden, entweder abzuschaffen oder doch zumindest die betreffende Regelung in der Rechtssprechung nicht mehr anzuwenden. Um den Regelungsbereich eines Artikels der Grundrechtscharta klar zu umreißen, ist es üblich, auch sogenannte Negativdefinitionen zu erstellen. Somit wird in den Erläuterungen nicht nur erklärt, was in den Schutzbereich eines Artikels fällt, sondern auch was explizit nicht darunter fällt.

Die von Ihnen angeführte "Tötung für den Fall des Aufruhrs" fällt nicht darunter. Es handelt sich damit um eine Negativdefinition. Solche Tatbestände werden an anderer Stelle auf nationaler Ebene in den Strafgesetzbüchern geregelt. In Deutschland zum Beispiel im Bereich der Notwehr oder des Notstandes (§§32 ff. des Strafgesetzbuches). Es steht also nicht in der Erklärung, wie von Ihnen behauptet, dass solche Tötungen zulässig sind und es ist auch eine falsche Schlussfolgerung.

Nun zu Ihrer zweiten Behauptung: "diktatorische Züge" der EU wegen der Regelungsbefugnis zu Kampfeinsätzen. Da wir in der EU weiterhin selbständige Nationalstaaten sind, liegen solche Entscheidungsbefugnisse ausschließlich bei den einzelnen Staaten. Der Ministerrat ist also das richtige Gremium, wenn gemeinsame Aktionen geplant und durchgeführt werden sollen. Damit bleibt sichergestellt, dass in Deutschland weiterhin der Bundestag die nach der Verfassung allein entscheidende Instanz für Auslandseinsätze der Bundeswehr ist.

Zuletzt möchte ich auf Ihr Zitat von Jean-Claude Juncker eingehen. Die Kritik am ehemaligen Verfassungskonvent ist mir bekannt. Größtenteils handelte es sich um die Vorwürfe der mangelnden Transparenz und der starken Stellung des Präsidenten des Konvents. Bei aller teilweise auch berechtigten Kritik muss man aber festhalten, dass im Vergleich zu der Entstehung der einzelnen Verträge auf EU Ebene der Konvent damals einen wesentlichen Fortschritt bedeutet hat, da im Gegensatz zu früheren Verträgen auch Parlamentarier der Nationalstaaten und des EU-Parlaments an der Ausarbeitung beteiligt waren.

Freundliche Grüße

Ralf Göbel