Frage an Rainder Steenblock von Janik F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Steenblock,
die Referenden über die EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden wurden auch stark von Diskussionen über die EU-Erweiterung geprägt. Insbesondere die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wurde kontrovers diskutiert. Wie stehen Sie zu einer möglichen Aufnahme der Türkei in die EU? Was halten Sie von einer priviligierten Partnerschaft, die die CDU der Türkei anbieten möchte? Falls Sie sich für die Aufnahme der Türkei aussprechen, welchen Zeitpunkt erachten Sie als einen realistischen Aufnahmetermin?
Vielen Dank,
Janik Feuerhahn
Sehr geehrter Herr Feuerhahn,
ich bedauere das Ergebnis der Verfassungsreferenden in Frankreich und in den Niederlanden sehr. Ausschlaggebend waren innenpolitische Gründe sowie eine Gemengelage von Angst vor Arbeitslosigkeit, Ablehnung eines zu liberalen Europas und Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen und sozialen Situation.
Die Europäische Union (EU) befindet sich seitdem in einer Phase der Neuorientierung. In dieser Phase darf die EU den Ländern wie der Türkei oder den Balkanstaaten nicht die Tür vor der Nase zu schlagen. Die Aussicht auf Mitgliedschaft hat in vielen Ländern dazu geführt, den inneren Demokratisierungsprozess zu stabilisieren und gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen. Dies gilt auch für die Türkei. Es liegt im Interesse der EU, dass die Türkei ein modernes und demokratisches Land wird, in dem die Bürgerrechte, die Rechte der Frauen, ethnische Minderheiten ebenso wie religiöse und weltanschauliche Gemeinschaften respektiert werden.
Der Weg der Türkei in die EU ist auch ein Beitrag zur Sicherheit in Europa und in der Welt. CDU/CSU und Populisten aller Seiten schüren bestehende Ressentiments und nutzen diese dazu aus, Verhandlungen mit der Türkei zu verhindern. Wir unterstützen den Beginn der Beitrittsverhandlungen am 3. Oktober diesen Jahres. Die Türkei hat in den letzten Jahren immense Fortschritte in den Bereichen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte erreicht und alle Vorgaben des Europäischen Rates vom Dezember letzten Jahres umgesetzt. Jetzt ist es an der EU Wort zu halten und die Verhandlungen zu beginnen. Das Ergebnis dieser Verhandlungen, die mindestens 10 Jahre dauern werden, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht prognostiziert werden. Wir treten aber für ehrliche und faire Verhandlungen mit dem Ziel der Vollmitgliedschaft ein.
Herzliche Grüße
Ihr Rainder Steenblock
Mitglied des Deutschen Bundestages
Europapolitischer Sprecher Bündnis 90/Die Grünen
Minister a.D.