Frage an Rainder Steenblock von Nina M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Steenblock,
Frankreich und die Niederlande haben in diesem Jahr der zukünftige EU-Verfassung nicht zugestimmt. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund als europapolitischer Sprecher der Grünen die weitere Entwicklung der Euopäischen Union? Wie könnte Ihrer Meinung nach dem Bürger Europa näher gebracht werden?
Herzlichen Dank
N. Morschhäuser
Sehr geehrte Frau Morschhäuser,
ich bedauere die ablehnenden Voten in den Verfassungsreferenden in Frankreich und in den Niederlanden sehr. Denn der Verfassungsvertrag wird die Europäische Union (EU) demokratischer, effizienter und transparenter machen.
Die Ergebnisse der Verfassungsreferenden sind aber nicht Ausdruck einer grundsätzlichen Ablehnung des europäischen Gedankens, sondern zeigen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger von der Europäischen Union entfernt haben. Deshalb müssen wir die auf dem letzten Gipfel vereinbarte Phase der Reflexion nutzen: wir müssen die Bürgerinnen und Bürger wieder besser erreichen und Europa besser erklären. Es muss deutlich werden, was Europa für jede Bürgerin und jeden Bürger konkret bedeutet. Europa darf nicht nur ein Projekt politischer Eliten sein.
Deshalb haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Plan „Bürgerinnen und Bürger für Europa“ erarbeitet. Darin gehen wir auf den Kern der verlorenen Verfassungsreferenden ein: die Bürgerinnen und Bürger sorgen sich angesichts der Globalisierung vor allem um das soziale Europa. Deshalb müssen wir die Diskussion über die wirtschaftliche, soziale und ökologische Ausrichtung der EU mit unseren europäischen Partnern vorantreiben und für diese Fragen ein gemeinsames europäisches Modell entwickeln.
Zudem sollen die europäischen Bürger und Bürgerinnen über die ersten beiden Teile des Verfassungsvertrages, also die institutionellen Fragen und die Grundrechtscharta, abstimmen, denn diese sind einer nationalen Verfassung ähnlich. Diese Volksabstimmung könnte am Europatag 2007 stattfinden. Zur Vorbereitung soll eine breite gesellschaftliche Diskussion in thematischen und europaweiten Bürgerforen dienen.
Hier bekommen die Bürgerinnen und Bürger Raum für ihre Sorgen und Ängste aber auch umfassende Informationen über den Verfassungsvertrag. An diesen Foren soll ein weites Spektrum an Mitgliedern unserer Gesellschaft teilnehmen. Die Bürgerforen sollen gewährleisten, dass am Tag der Abstimmung auch wirklich über die Frage, nämlich die Wahl zwischen dem Verfassungsvertrag und dem Nizza-Vertrag votiert wird. Denn diese wichtige europapolitische Entscheidung darf nicht mehr von innenpolitischen Problemen, gezielter Desinformation oder falscher Interpretation beeinflusst werden.
Herzliche Grüße
Rainder Steenblock
Mitglied des Deutschen Bundestages