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Olav Gutting
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Frage von Jürgen S. •

Frage an Olav Gutting von Jürgen S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Gutting,

ich habe vor kurzem ihre Wahlwerbung im Briefkasten vorgefunden, und auch wenn ich meine Zweitstimme schon verplant habe, bin ich mir tatsächlich noch nicht sicher wem ich meine Erststimme geben soll. Grundsätzlich habe ich mit der Erststimme aber ein Problem, für mich erscheint die Erststimme nur wie eine weitere versteckte Zweitstimme mit der man eine Partei wählt, aber keine Person.

Zur Erläuterung, Gemäß Art. 38 GG gilt folgendes:

"Die Abgeordneten ... sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen."

In der Realität sah dies aber in jüngster Vergangenheit ganz anders aus. Entscheidungen werden nur von der Parteispitze getroffen und an die Mitglieder des Bundestages weitergegeben. Möchte sich ein Abgeordneter tatsächlich nur seinem Gewissen unterwerfen und hat eine eigene Meinung wird er öffentlich als "Abweichler" diffamiert, beschimpft und er muss langfristig mit Sanktionen durch seine Partei rechnen.

Meine Frage an Sie ist: Was können Sie für mich als Abgeordneter erreichen, wo haben Sie tatsächlich die Möglichkeit innerhalb der Partei Einfluß zu nehmen, wie können Sie ihre eigene Meinung einbringen, auch wenn diese nicht gewünscht ist?

Mir ist klar dass auch Sie ein Fachgebiet haben, in welchem Sie eventuell verstärkt in die Parteiarbeit eingebunden sind, aber es dürften Abstimmungen zu Ihrem Fachgebiet ja doch nur einen kleinen Bruchteil aller anstehenden Abstimmungen ausmachen.

Angesichts der bevorstehenden Wahl würde ich mich freuen, wenn Sie diese Frage vor dem 27. September beantworten könnten. Vielen Dank.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Schwanninger,

mit Dank bestätige ich den Eingang Ihrer Anfrage vom 16. dieses Monats, die Sie über das Portal „Abgeordnetenwatch“ an mich gerichtet haben.

Lassen Sie mich vorab einige Bemerkungen machen:

1. In einer Fraktion von rund 220 Abgeordneten ist das Gewicht des einzelnen Parlamentariers relativ gering. Wie sollte es auch anders sein. Diese Tatsache wird in der Öffentlichkeit recht häufig verkannt.

2. Unser Grundgesetz kennt das imperative Mandat nicht, es gesteht dem gewählten Mandatsträger die sog. Gewissensfreiheit zu. Das sollte auch die Regel sein. Allerdings erfordern sowohl verantwortliches Regierungshandeln als auch effiziente Oppositionsarbeit eine in sich geschlossene Fraktion, die zwar durchaus kontrovers über politische Sachverhalte diskutieren und streiten sollte, die aber am Ende eines Meinungsbildungsprozesses zu einem klaren Votum per Mehrheitsentscheid gelangen sollte. Diesem demokratischen Entscheid sollte sich die unterlegene Minderheit der Fraktionsmitglieder, die gegensätzlicher Auffassung waren in der Regel beugen. Anderenfalls verwirkt die Fraktion ihr Recht auf Mitbestimmung des politischen Geschehens.

In einer Regierungsfraktion kommt diesem Umstand eine noch größere Bedeutung zu. Zwar sollen auch die Regierungsfraktionen das Handeln der Exekutive, also ihrer eigenen „Mannschaft“, kontrollieren. Sie müssen aber gleichzeitig auch dafür Sorge tragen, dass die von ihr gestellte Bundesregierung handlungsfähig bleibt. Dem Allgemeinwohl verpflichtetes verantwortungsvolles Regierungshandeln ist nur vorstellbar, wenn auf vielen Politikfeldern, nicht auf allen, Übereinstimmung zwischen Exekutive und den sie tragenden Regierungsfraktionen besteht.

3. Oftmals sind schnelle politische Entscheidungen gefragt. Ein Meinungsbildungsprozess innerhalb der Fraktion kann sich hingegen sehr lange hinziehen. Es zählt zu den über Jahrzehnte gemachten Erfahrungen im politischen Geschäft, dass es Sinn macht, wichtige politische Themenfelder, zu denen die Fraktion eine Entscheidung zu treffen hat, durch den Fraktionsvorstand und die Spitzen der jeweiligen Fraktion vorbereiten zu lassen. Anderenfalls käme häufig das politische Geschäft zum Erliegen.

4. Ich bedauere es manchmal, dass hin und wieder politische Entscheidungen im Fraktionsrahmen unter Zeitdruck getroffen werden müssen. Es wäre manchmal schon gewinnbringend für die ein oder andere zur Entscheidung anstehenden Frage, wenn man den Abgeordneten etwas mehr Zeit ließe, sich eigenständig und zudem auch umfassender zu informieren. In einer Welt, deren Kommunikationssystem von Mal zu Mal schneller wird, ist das nicht immer bis ins Detail möglich.

5. Ein weiteres Problem bei der Vorbereitung von Entscheidungen stellt die öffentliche Presseresonanz dar. Nickt beispielsweise die Regierungsfraktion Vorschläge der Regierung nach relativ kurzer Beratung positiv ab, heißt es in den Medien: Die Fraktion sei ein bloßer Kanzlerwahlverein. Gehen die Meinungen zu einem Problem hingegen weit auseinander, dann wird nicht die dabei zutage kommende Streitkultur gelobt, nein, es heißt dann lapidar, die Regierungsfraktion ist in sich zerstritten und kaum mehr handlungsfähig.

Nun zu Ihrer Frage: was kann der einzelne Abgeordnete bewirken? Was Einzelpetitionen angeht, die ich von Bürgerinnen und Bürgern aus meinem Wahlkreis erhalte, so setze ich mich je nach Sachgebiet mit der zuständigen Administration auseinander und kann mit meinem persönlichen Einsatz, das darf ich in aller Bescheidenheit behaupten, häufig genug Verbesserungen zugunsten des Petenten erreichen.

Anders verhält es sich bei größeren politischen Projekten. Hier bleibt dem einzelnen Abgeordneten zunächst nur die Möglichkeit, auf das Problem aufmerksam zu machen. Wenn er nach Prüfung des Falles zur Ansicht gekommen ist, hier besteht für die Politik Handlungsbedarf, dann reicht mein ausschließlich persönlicher Einsatz meist nicht aus. Ich trage das Problem dann auf einer Sitzung Landesgruppe der CDU-Abgeordneten aus Baden-Württemberg vor und versuche, meine Kollegen aus der Landesgruppe für einen gemeinsamen politischen Vorstoß zu gewinnen. Ein Vorgehen, das häufig zum Erfolg führt, denn die baden-württembergische CDU-Landesgruppe zählt mit ihren 31 Mitgliedern zu den einflussreichsten Gruppierungen in der gemeinsamen Unionsfraktion.

Natürlich bekomme ich auch Anliegen auf den Tisch, die beim besten Willen keiner erfolgreichen Lösung zugänglich sind. Das liegt oftmals daran, dass es sich um Sachverhalte handelt, die bereits den gesamten juristischen Klageweg erfolglos hinter sich gebracht haben oder auf Bundesebene nicht zu lösen sind. Die Petenten gehen dann, obwohl sie um die Aussichtslosigkeit ihrer Forderung wissen, von der irrigen Vorstellung aus, dass der Gesetzgeber noch etwas zu ihren Gunsten unternehmen kann. Nur in einer geringen Anzahl von begründeten Fällen kommt es im Rahmen von förmlichen Petitionsverfahren über den Landtag oder den Bundestag zur Abänderung der Entscheidung zugunsten des Betroffenen.

Persönlich habe ich mir immer eine gewisse Unabhängigkeit bewahrt. Das ist mir wichtig. Ich verzichte seit meiner ersten Kandidatur immer ganz bewusst auf einen Listenplatz bei der Partei. Das Direktmandat ist für mich entscheidend. Nur wenn ich weiß, dass die Mehrheit der Menschen in meinem Wahlkreis hinter mir steht, kann ich im Zweifelsfalle auch gegen die eigene Fraktion stimmen. So geschehen z.B. bei der Gesundheitsreform, die ich gerade auch als Baden-Württemberger abgelehnt habe.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Auskünften ein wenig dienlich gewesen zu sein, und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Olav Gutting, MdB

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