Frage an Michael Kuffer von Thomas M. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Kuffer,
in 18 europäischen Ländern gibt es bei der Organspende das Gesetz der Widerspruchslösung : Jeder ist Spender & wer nicht spenden will, kann widersprechen. In Deutschland sterben bei der momentanen Gesetzeslage deswegen jedes Jahr über 1000 Menschen auf der Warteliste. Man wartetet in Deutschland z.B. auf eine Niere 7- 10 Jahre & in Spanien oder Österreich nur 1 Jahr, weil es dort die Widerspruchslösung gibt !
Was sagen sie zur Widerspruchslösung ?
Sehr geehrter Herr Müller,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie sich für die Einführung der Widerspruchslösung bei Organspenden aussprechen.
Dieses Thema ist angesichts seiner Tragweite und der damit verbundenen elementaren Fragen naturgemäß herausfordernd und von emotionalen Debatten begleitet. Obwohl jeder Mensch zu diesen Fragen – häufig aufgrund eigener Erfahrungen – meist eine klar definierte Meinung besitzt, findet die Debatte darüber zu selten und in der Regel nur anlassbezogen statt. Deshalb danke ich Ihnen dafür, dass Sie sich mit dieser wichtigen Thematik auseinandersetzen und mir dazu schreiben.
Sie weisen völlig zutreffend darauf hin, dass die Anzahl der Spenderorgane in Deutschland – auch im Vergleich zu vielen ähnlich entwickelten Staaten und Gesundheitssystemen – leider sehr niedrig ist. Dies trägt mit dazu bei, dass aktuell etwa 10.000 Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan warten – und das obwohl laut einer repräsentativen Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 84 Prozent der deutschen Bevölkerung Organspenden positiv gegenüberstehen. Einen Organspendeausweis besitzen jedoch nur 36 Prozent. Als Hauptgrund dafür, bisher keine dokumentierte Entscheidung getroffen zu haben, geben die meisten Befragten an, sich mit dem Thema noch nicht genug beschäftigt zu haben. Es ist zwar durchaus verständlich, dass man sich nicht gerne mit unbequemen Fragen wie diesen befassen möchte. Doch auch wenn diese Auseinandersetzung Überwindung kostet, ist sie zu wichtig, um sie aus unserem Bewusstsein zu verbannen. Deshalb arbeitet die Bundesregierung seit langem daran, diese Diskrepanz aufzulösen und die Spenderzahlen sukzessive zu erhöhen.
Bereits im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD deshalb Maßnahmen beschlossen, um die Zahl der Organspenden in Deutschland zu erhöhen. Diese hat der Deutsche Bundestag in Form des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes verabschiedet, welches am 1. April 2019 in Kraft getreten ist. Mit dem Gesetz werden in einem ersten Schritt strukturelle Hindernisse behoben und zusätzliche Kapazitäten geschaffen, um die die organisatorischen Rahmenbedingungen für Krankenhäuser, die Spenderorgane entnehmen, zu verbessern. Dies war aus Sicht vieler Fachleute eine wichtige Voraussetzung, um die Anzahl der Organspenden in Deutschland in Zukunft erhöhen zu können.
Als einen weiteren Schritt formulierte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gemeinsam mit Bundestagskollegen anderer Fraktionen im vergangenen Jahr einen Entwurf für ein Gesetz zur Regelung der doppelten Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz. Über diesen Entwurf, dessen Kern die Einführung der Widerspruchslösung war, wurde am 16. Januar diesen Jahres im Deutschen Bundestag abgestimmt. Ich habe für diesen Entwurf gestimmt.
In derselben Debatte wurde auch über einen alternativen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf beraten und abgestimmt, dessen Ziel ebenfalls darin besteht, Organspenderzahlen zu erhöhen, der jedoch einen anderen Ansatz wählt. Das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende will den niedrigen Spenderzahlen durch bessere und gezieltere Aufklärung entgegenwirken. Denn das grundlegende Problem besteht nicht in der mangelnden Bereitschaft der Menschen zu einer Spende, sondern eher darin, dies zu erklären und zu dokumentieren. Das verdeutlichen die Ergebnisse der zuvor erwähnten Umfrage sehr gut. Die Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages stimmte in der Folge für diesen Gesetzentwurf.
Ab Inkrafttreten des Gesetzes am 1. März 2022 wird jeder Bürger regelmäßig befragt werden, ob er bereit ist, seine Organe im Todesfall zu spenden: etwa wenn er zum Hausarzt geht oder einen neuen Ausweis beantragt. In einem bundesweiten Online-Register beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information können Bürgerinnen und Bürger dann eigenständig eine Erklärung zur Organ- und Gewebespende abgeben. So bleibt die aktive Zustimmung die Basis der Organspende.
Sehr geehrter Herr Müller, auch wenn ich es persönlich sehr begrüßt hätte, eine weitergehende Lösung in der Frage von Organspenden zu beschließen, sehe ich auch im beschlossenen Entwurf eine wirkliche Chance, dass die Menschen sich verstärkt mit dieser bedeutsamen Frage auseinandersetzen, eine wohl durchdachte Entscheidung für sich treffen und diese anschließend dokumentieren. So gelingt es uns hoffentlich, in respektvollem Umgang miteinander über Organspende zu sprechen, bestehende Missverständnisse auszuräumen und die Spenderzahlen dauerhaft zu erhöhen.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Kuffer