Michael Kronawitter
WASG
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Frage von Judith C. •

Frage an Michael Kronawitter von Judith C. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Hr Dr. Kronawitter,

vielen Dank für Ihre Bemühungen.

Ich hatte schon vermutet, dass Sie meine Fragen verärgern würden – ich habe da wohl ein paar wunde Punkte getroffen? "Pure Provokation" wäre es, wenn ich Sie mit Gemeinplätzen und weltanschaulichem Gequase bombardieren würde, auf das eine sinnvolle Antwort kaum möglich ist. Meine Fragen waren aber sehr konkret gehalten, da nur dies hier Sinn macht.

Da Ihre Antwort sich größtenteils in Parolen, dahingeworfenen Einzeldaten aus ihren Flugblättern und leeren Kampffloskeln – „Terror der Ökonomie“, „Dogma des Heilmittels "Konkurrenzkampf"“, „darwinistische Grausamkeiten des "freien Wettbewerb"“ – erschöpft, ohne halbwegs zum Punkt zu kommen, fällt es mir schwer, darauf zu reagieren.

Häufig antworten Sie auch mit Gegenfragen u.ä. – ob ich als „Führerin“ (...) eines in verstaatlichten Betriebes in Frage käme (Nö. Bin ich wahnsinnig?) oder dass ich mir höhere Mieten für Berlin wünschen würde (hä?).

Übrigens irren Sie sich, denn ich schreibe Ihnen hier mit meinem richtigen, echten Namen (so steht er jedenfalls in meiner Geburtsurkunde, aber vielleicht wissen Sie ja mehr als ich?). Maklerin bin ich noch nie gewesen und plane es auch nie zu werden, vor allem nicht in Berlin, bei diesen Preisen... :)

Was Sie mit „Ich denke, dass für Ihr Milieu derartige Fehlinterpretationen der Realität symptomatisch sind.“, ist mir auch nicht ganz klar. Vielleicht können Sie mich auch darüber aufklären, was mein "Milieu" ist? Wusste gar nicht, dass ich sowas habe... :)

Also, ein neuer Versuch: Könnten Sie mir anhand eines hypothetischen Falles schildern, wie ein solcher Betriebsüberübergang vonstatten gehen soll und wie sichergestellt werden kann, dass hier kein Verlustgeschäft auf Staatskosten entstünde. Und, mal gesetzt den Fall, es stellt sich heraus, dass die Produktion nicht rentabel möglich ist – was dann?

Immer für gute, sachliche Argumente offen grüßt Sie:

J. C.

Antwort von
WASG

Hallo Frau Conrad,

ich freue mich, dass Sie im Besitz einer Geburtsurkunde sind. Allerdings: ich bin schon ein bischen gelangweilt, wenn Fragen nur als Provokation gestellt werden, wenn es kein wirkliches Erkenntnisinteresse mehr gibt, weil das Welt- und Menschenbild schon längst versteinert ist, und das Internet virtuell und anonym zur Spielwiese von sinnloser Beschäftigung und Desinformation wird. Soweit ich weiss, heissen Sie in Ihrem wirklichen Leben anders und sind Immobilienmaklerin. Hier trotzdem in aller Kürze meine Antworten:

A.1.
Wie kommen Sie darauf, dass Unternehmen schließen oder entlassen, weil sie unrentabel sind? Bei steigender Produktivität lassen sich überall höhere Profite mit weniger Angestellten erreichen (nehmen sie z.B. die Deutsche Bank als jüngstes Beispiel). Wussten Sie, dass in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern die Lohnstückkosten zu den niedrigsten gehören. Auch ein Ergebnis des gnadenlosen Lohndumpings.
A.2
Das neoliberale Privatisierungsprogramm sieht eben genau so aus, dass Verluste sozialisiert werden, und Gewinne privatisiert werden. Als Beispiel: wussten Sie, dass der Senat die Wasserbetriebe an Veolia Waters / RWE verkauft hat und dem Konzern 8% jährlichen Gewinn garantiert hat, während die Preise seither um ca. 25% gestiegen sind?
A.3.
Warum Beamte? Sind ihnen die Beschäftigten der Betriebe nicht gut genug? Kommen Sie als Führerin in Frage?
A.4.
Sind der Terror der Ökonomie, das Dogma des Heilmittels "Konkurrenzkampf", die darwinistischen Grausamkeiten des "freien Wettbewerb" eigentlich vereinbar mit den allgemein gültigen Menschenrechten?
A.5.
Nein!
A.6.
Ja, selbstverständlich.

B.1.
Sollten Sie sich höhere Mieten in Berlin wünschen, sollten Sie die FDP oder CDU wählen. Auch die SPD und PDS hat mit dem Verkauf von mehr als 100.000 kommunalen Wohnungen in den letzen 5 Jahren ihren Teil dazu beigetragen, dass Berlin den Anschluß in puncto Miethöhe zu anderen Städten wie München schafft. Problem ist dann nur, dass immer mehr ihre Miete nicht zahlen können, noch mehr Wohnungen leer stehen werden, und noch mehr Menschen keinen Wohnraum mehr finden. Denn bezahlbarer Wohnraum ist für Menschen, die beispielweise von Hartz IV leben müssen schon heute kaum mehr zu finden.
B.2.
In Berlin ist zur Zeit die Auswahl an leerstehenden Gebäuden im (noch) öffentlichen Besitz so groß, dass Besetzungen hier erfolgversprechender sind, da hier politisch argumentiert werden kann. Die Probleme mit wild gewordenen Wohnungspekulanten, die fernab jeder öffentlichen Kontrolle teilweise sogar kriminell agieren, sind in diesen Fällen weniger zu befürchten.

Schließlich noch ein Surf-Tipp, der Ihnen viele Fragen ganz ohne Revolution und völlig systemimmanent erklärt: www.nachdenkseiten.de . Sie merken: ich gebe nicht auf zu versuchen, auch Sie zu überzeugen.

Mit freundlichem Gruss,
Michael Kronawitter