Frage an Jürgen Roth von Hermann H. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Hübler,

Ich danke für Ihre Frage, ob kleine und mittlere Unternehmen weiterhin der Industrie- und Handelskammer angehören müssen.
Ich gehe an dieser Stelle noch einen Schritt weiter. Eine Pflichtmitgliedschaft ist insgesamt heute nicht mehr zeitgemäß. Mitgliedschaften sollen nur freiwillig sein. Sind die Mitgliedsunternehmen davon überzeugt, dass ihre Beiträge zu einer wirksamen Interessenvertretung beitragen, werden sie auf freiwilliger Grundlage Mitglieder der Kammern bleiben wollen. Diese werden sich dann allerdings verstärkt um die Mitgliedsbetriebe kümmern müssen. Indirekt führt diese Umstellung auf die Freiwilligkeit dann auch zu einer fühlbaren Stärkung der kleinen und mittleren Betriebe innerhalb der IHK. Sie sind dann nicht mehr Fußvolk, sondern bilden Mehrheiten.

Die Befürworter des gegenwärtigen Systems führen ins Feld, es gebe ein von den IHKs zu vertretendes "Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft." Das kann ich aber so nicht erkennen. Die Mitgliedsunternehmen sind auf allen Märkten vertreten. Sie sind unterschiedlich groß, konkurrieren miteinander und haben von daher höchst unterschiedliche Interessen.

Ein zweites Argument für Zwangsmitgliedschaft verstehe ich auch nicht. Da ist die Rede von Verbesserungen für die IHK-Mitglieder. Das mag so sein, ist aber kein Grund für eine zwangsweise Mitgliedschaft. Die Verbesserung der Leistungen ist eine Selbstverständlichkeit für jeden Verband, um neue Mitglieder zu werben. Eine Rechtfertigung für verpflichtende Mitgliedschaften kann daraus aber nicht abgeleitet werden.

Die Kammern müssen sich verstärkt dem Wettbewerbsgedanken öffnen und ihren Mangel an politischer Legitimation durch die Zwangsmitgliedschaft besser begegnen. Das tun sie am bestens durch überzeugende und moderne Leistungsangebote auf freiwilliger Mitgliedsbasis und nicht durch ein Beharren auf der überkommenen und allzu bequemen Pflichtmitgliedschaft.

Es kann nicht Aufgabe der Politik sein, überlebte Strukturen durch Bestandsschutz abzusichern. Deswegen setzen sich Bündnis90/Die Grünen für eine Umwandlung der Pflichtmitgliedschaft in eine freiwillige Mitgliedschaft ein.

Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Roth