Portrait von Jan Korte
Jan Korte
DIE LINKE
94 %
32 / 34 Fragen beantwortet
Frage von Ulla S. •

Frage an Jan Korte von Ulla S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Korte,

nachdem Herrn Ströbele ein politisches Kunststück geglückt ist, habe
ich gehört, dass die Abhöraktivitäten den USA jährlich 700 Mrd. bis 1 Bio.
Dollar pro Jahr kosten. Wenn man alle Geheimdienste zusammen rechnet.
Können Sie diese Summe bestätigen? Diese fast unglaubliche Summe nannte der Radiosender Bayern 5 am vergangenen Freitag.

Sie forderten am Freitag Herrn Snowden nach Deutschland zu holen, wie hoch
ist die Wahrscheinlichkeit, dass er endlich Asyl in Deutschland oder der EU
bekommt?

Warum bekämpft man nicht die Ursachen die zu Terrorismus führen, mit
diesem Geld usw.? Was tut Ihre Partei um das zu ändern?

Warum heißt es von Seiten von Herrn Oppermann u.a. dass man die
deutsch-amerikanische Beziehungen nicht gefährden dürfe? Tut das nicht
gerade die USA.

Geht es in Wirklichkeit nicht mehr um Wirtschaftsspionage anstatt um
Terrorismusbekämpfung?

Mit freundlichen Grüßen

Portrait von Jan Korte
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Schwarzer,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich wie folgt zu beantworten versuchen:

Laut James Clapper, dem seit August amtierenden Nationalen Geheimdienstdirektor der USA, kenne nur ein Wesen alle Aktivitäten der US-Geheimdienste, denen Clapper vorsteht: "Das ist Gott."

Aufgrund der Snowden-Enthüllungen vom 29.8.2013 weiß die Öffentlichkeit aber immerhin ungefähr, was die Supermacht im vergangenen Jahr für Spitzeleien aller Art ausgegeben hat: 80,1 Milliarden Dollar.

Laut Washington Post geht aus dem bisher unter Verschluss gehaltenen "Black Budget" der US-Regierung unter anderem hervor, dass die 16 Geheimdienstbehörden der USA insgesamt 107.035 Mitarbeiter beschäftigen. Die größte Summe für das aktuelle Haushaltsjahr beantragte demnach die Central Intelligence Agency (CIA) mit 14,7 Milliarden Dollar. An zweiter Stelle stehe die auf das Abhören elektronischer Kommunikation spezialisierte National Security Agency (NSA), deren Budget 10,8 Milliarden Dollar umfasse. Das National Reconnaissance Office (NRO), das für die Spionagesatelliten verantwortlich ist, bekomme 10,3 Milliarden Dollar. Leider habe ich die von Ihnen erwähnte Berichterstattung in Bayern 5 nicht verfolgen oder überprüfen können, ich vermute aber aufgrund der o.g. Zahlen, dass die Angaben des Bayerischen Rundfunks nicht korrekt sind oder eventuell die Summe der Jahre seit dem 11.9.2001 darstellen.

Wie auch immer: Im Zuge der Enthüllungen und einer "Transparenz"-Offensive hat die Obama-Regierung nun erstmals auch das Budget für militärische Aufklärung veröffentlicht. 53,1 Milliarden Dollar gaben demnach die dem Nationalen Geheimdienstdirektor Clapper unterstellten nichtmilitärischen Dienste im Haushaltsjahr 2010 aus (2007: 43,5 Milliarden). Weitere 27 Milliarden kostete das "Military Intelligence Program" des Pentagon. Die Gesamtsumme soll alles einschließen, was Amerikas 16 Geheimdienste so treiben. Das reicht vom weltweiten Agentennetz der CIA über geheime Drohnenprogramme und militärische Aufklärungssatelliten bis hin zu den gewaltigen elektronischen Datenstaubsaugern der National Security Agency, die laut Washington Post täglich 1,7 Milliarden E-Mails oder Anrufe überwacht. Die Korrektheit dieser Zahlen lässt sich allerdings bei Geheimdiensten mit letzter Sicherheit nie überprüfen. Nicht umsonst ist selbst der exakte Haushalt hierzulande kaum zu ermitteln, geschweige denn die konkrete Verwendung dieser Gelder festzustellen.

Selbstverständlich haben Sie mit Ihrer Vermutung Recht, dass es, allen Beteuerungen der Verantwortlichen zum Trotz, bei all diesen Spionageaktivitäten kaum oder gar nicht um Terrorismusbekämpfung geht. Die Enthüllungen der letzten Monate haben eindrücklich gezeigt, dass die amerikanische und britische Totalüberwachung, bei der deutsche Geheimdienste bis unter die Schlapphutkrempe involviert sind, absolut nichts mit dem Anti-Terror-Kampf zu tun hat, sondern mit wirtschaftlichen und strategischen Interessen und der Ausforschung der Bevölkerung. Niemand glaubt, dass es sich bei Bundeskanzlerin Merkel und ihrem Kabinett um eine Terrororganisation handelt. Genauso wenig wird dies allgemein von anderen demokratisch gewählten Regierungen, der UNO oder EU angenommen. Annehmen kann und muss man aber, dass sich seit 1999, als die USA im Zuge des Echelon-Skandals bereits schon einmal versprachen ihre Wirtschaftsspionage gegenüber der EU und der Bundesrepublik einzustellen, so gut wie nichts an den strategischen und ökonomischen Zielen der NSA-Spionage geändert hat.

Anstatt dagegen konsequent vorzugehen setzt die Bundesregierung alles daran in den erlauchten Kreis der ´Five Eyes´ genannten Überwachungsriege von USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland aufgenommen zu werden. Vor diesem Hintergrund sind die Chancen für Edward Snowden hierzulande einen sicheren Aufenthaltsstatus gewährt zu bekommen, als sehr gering einzuschätzen. Die Bundesregierung könnte, um auf die Expertise des Whistleblowers Edward Snowden im Rahmen parlamentarischer Untersuchungen oder etwaiger Strafverfahren zurückgreifen zu können, ihm zu diesem Zweck ohne weiteres ein sicherer Aufenthalt nach § 22 des Aufenthaltsgesetzes gewähren. Danach sind Visum und Einreise möglich, wenn das Bundesministerium des Innern zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland die Aufnahme erklärt hat. Auch dringende humanitäre Gründen könnten dieses Verfahren begründen. Von all dem will die Bundesregierung jedoch nichts wissen und verweist, genau wie Herr Oppermann von der SPD, auf nicht zu gefährdende deutsch-amerikanische Beziehungen. Für die bundesdeutsche Elite stellt bestenfalls ihre eigene Überwachung durch die NSA, aber keineswegs die flächendeckende Kontrolle der Bevölkerung ein Problem oder eine Gefährdung der deutsch-amerikanischen Beziehungen dar.

Auch wenn die rund 80 Mrd. Dollar deutlich weniger als die von Bayern 5 gemeldeten Zahlen sind, so könnte man damit durchaus eine Menge unternehmen, um weltweit die sozialen Ursachen von Terrorismus zu bekämpfen. Zumal, wenn man die jährlichen Summen aus den Etats der anderen Geheimdienste weltweit hinzuzöge.

Mit freundlichen Grüßen

Jan Korte

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Jan Korte
Jan Korte
DIE LINKE