Frage an Harald Koch von walter h. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Koch
Auch unser Landkreis sieht sich in den kommenden Jahren auf Grund der angeordneten Sparmaßnahmen mit Schulschließungen im ländlichen Bereich konfrontiert. Beispiele aus den Nachbarländern Österreich und Schweiz, welche das in den 60-er Jahren ebenfalls gemacht haben, zeigen, dass eine massive Abwanderung und ein drohendes Aussterben der Dörfer die Folge waren. In diesen Ländern hat man das Ruder herumgeworfen und ab den 70-er Jahren wieder bewusst in kleine Dorfschulen investiert, woran sich bis heute nichts geändert hat. Die Folge war, dass man die Orte stabilisieren konnte.
Bei uns passiert derzeit das Gegenteil: Durch Erhöhung der minimalen Schülerzahlen fallen immer mehr Schulen im ländlichen Bereich durch die Maschen, was zu einer Ausdünnung Familien freundlicher Strukturen im ländlichen Bereich führen wird.
Eine Änderung dieser verhängnisvollen Entwicklung ist nur möglich, wenn die vom Lande festgelegten Eckdaten von Schulgrößen neu definiert und altersdurchmischter Unterricht in Kleinschulen ab 20 Schülern gesetzlich festgelegt wird. Das heißt nicht unweigerlich, dass mit höheren Grundkosten zu rechnen ist, vor allem, wenn man auch Kostenfaktoren aus regionaler Infrastruktur, Abwanderungsverluste usw. mit einrechnet.
Ausführlichere Argumentation finden Sie hier: www.openpetition.de/petition/online/sachsen-anhalt-stoppt-grundschul-schliessungen-foerdert-landschulen
1. Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass ein derartiges Umdenken auch vom Gesetzgeber erfolgen könnte?
2. Falls diese Grundschul-Vorgaben des Landes bestehen bleiben, wie sehen Sie die Zukunft der ländlichen Regionen und ich bin Ihnen dankbar, wenn Sie dabei NICHT die Bauhausstudie zitieren, welche meiner Meinung nach keine Lösungsansätze, sondern einen Verwaltungsvollzug beleuchtet.
Mit freundlichen Grüssen
Walter Helbling
Sehr geehrter Herr Helbling,
vielen Dank für Ihre Frage!
In erster Linie fordere ich ein solides Personalentwicklungskonzept. Das größte zukünftige Problem besteht im Widerspruch zwischen dem Wunsch nach Erhaltung aller Schulstandorte und der Personalsituation. Dies wird der Schlüssel sein!
Für mich sind grundsätzlich die Einschnitte allein im Grundschulnetz nicht nachvollziehbar. Da stehe ich absolut an Ihrer Seite. Das Kultusministerium Sachsen-Anhalt hat ausgerechnet, dass Personaleinsparungen von bestenfalls 200 Vollzeitstellen erwartet werden können. Es stellt sich daher die Frage, ob die tiefen Eingriffe in die soziale und kulturelle Struktur gerade im ländlichen Raum, die Erhöhung der Schulwegzeiten beziehungsweise die wachsenden Aufwendungen für die Schülerbeförderung und andere Folgen, die mit Schulschließungen verbunden sind, wirklich überall gerechtfertigt werden können. Und das glaube ich nicht!
Zu dem von Ihnen angesprochenen Thema fordere ich in Einklang mit unserer sachsen-anhalter Landtagsfraktion: - Unverzügliche Erhöhung der Neueinstellungen junger Lehrerinnen und Lehrer, -Erweiterung des kommunalen Entscheidungsspielraums bei der Schulentwicklung und der Schulaufsicht, - Erhalt der Schulen nicht nur als bloße „Lern“-Orte, sondern ihre Entwicklung als kulturellsoziale Zentren der Gemeinden, insbesondere im ländlichen Raum, - kostenfreie Schülerbeförderung für alle Schülerinnen und Schüler während der gesamten Schulzeit, - Perspektivisch Aufbau der Gemeinschaftsschule als „Eine Schule für ALLE“.
Um dies auch zu erreichen, schlage ich vor: - Zuweisung eines schülerzahlbezogenen Lehrerstundenbudgets vom Land an den Landkreis/die kreisfreie Stadt und anschließende eigenverantwortliche Aufteilung in Zusammenarbeit mit der Kommune und den Schulen, - Unbürokratische Einbeziehung kluger und kreativer Ideen von Lehrern, Eltern und Schülern bei der Umsetzung der inhaltlichen und organisatorischen Anforderungen vor Ort, - Möglichkeit der Zusammenfassung verschiedener Schulformen der Sekundarstufe I bis zum endgültigen Aufbau einer Gemeinschaftsschule.
Das von Ihnen erhoffte Umdenken des Gesetzgebers wird am ehesten gelingen, wenn eine starke LINKE in den Parlamenten sitzt und LINKE DirektkandidatInnen in Sachsen-Anhalt gewählt werden, um derartige Forderungen stärker einbringen und in Koalition sogar umsetzen zu können.
Freundliche Grüße nach Welbsleben,
Harald Koch, MdB
Fraktion DIE LINKE. im Bundestag