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Frage von Birgit M. •

Frage an Harald Koch von Birgit M. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Koch,

in der GKV sind zur Zeit ungefährlich 72 Millionen Menschen versichert. Das kostet derzeit über 160 Mrd. Euro im Jahr. Damit entfällt auf jeden Versicherten rechnerisch ca 200 € monatlicher Beitrag.
Die meisten Versicherten, auch die meisten Rentner, zahlen wesentlich weniger monatlich in das System ein. Sehr viele zahlen gar nichts. Die Hauptlast wird von den etwa 20 Millionen Arbeitnehmern getragen, die mehr als 1500 Euro monatlich brutto verdienen. Soweit mit bekannt ist, bringt dieser Personenkreis ca 120 Mrd. € im Jahr auf und zahlt bis zu 700 € im Monat (mit Arbeitgeberanteil). Dieser Personenkreis (zwischen 1500 und 5000€ mtl. Bruttoeinkommen) wird aber gleichzeitig mit steil progressiv anwachsenden Steuern belastet. Viele Arbeitnehmer bekommen von jeder Gehaltserhöhung nur ca. 40% auf ihr Konto.

Das wird nicht mehr lange gutgehen, weil die Gesundheitskosten durch den Fortschritt und neue Methoden steigen, die Zahl der kostenlos Versicherten und Transferempfängern weiter zunimmt, die Leute älter werden und die Anzahl der gut verdienenden Arbeitnehmer, den wahren Melkkühen der Nation, abnimmt.
Außerdem gibt es Bestrebungen in der EU, jedem Unionsbürger Zugang zu den Gesundheits-Leistungen in anderen Mitgliedstaaten zu verschaffen. Bereits heute lassen sich Menschen aus Ländern mit schlechtem staatlichen Gesundheitswesen mit der europäischen Krankenversicherungskarte in Deutschland behandeln.

Jeder, der es einmal nachgerechnet hat, weiss, dass die Einbeziehung der 8 Millionen Privatversicherten in die GKV das dargestellte Problem nicht lösen wird.

Wie stellen Sie sich eine finanzierbare und gerechte und solide Lösung für das deutsche Gesundheitssystem vor?

Für wen gilt aus Ihrer Sicht die soziale Gerechtigkeit im Gesundheitswesen? Für Deutsche? Für alle in Deutschland lebenenden Menschen? Für alle Europäer? Für alle Europäer und Einwanderer in Europa? Wo ziehen Sie die Grenze?

Mit freundlichen Grüßen
B. Mohr

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Sehr geehrte Frau Mohr,

vielen Dank für Ihre Fragen.
DIE LINKE und ich treten für eine solidarische und soziale Bürgerinnen- und Bürgerversicherung ein, in die Alle von allen Einkommen den gleichen Beitragssatz zahlen müssen. Auch Beamte, Selbständige und Politiker werden demnach darin versichert. Der Beitrag soll auf alle Einkommensarten wie Kapital-, Miet- oder Pachterträge erhoben werden und richtet sich nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. Reiche zahlen künftig prozentual den gleichen Beitragssatz: Die Beitragsbemessungsgrenze wird perspektivisch abgeschafft. Die Arbeitgeber tragen wieder die Hälfte der Krankenversicherungsbeiträge für Löhne und Gehälter ihrer Beschäftigten. Dadurch kann der Beitragssatz auf etwa 10 Prozent gesenkt werden - bei gleichzeitiger Abschaffung aller Zuzahlungen und Rücknahme von Leistungskürzungen. Die private Vollversicherung wird mit der solidarischen Bürgerversicherung überflüssig; die private Krankenversicherung kann dann Leistungen nur noch bei Zusatzversicherungen anbieten.

Auf der Ausgabenseite sehe ich Potenzial für Einsparungen, um die Finanzierbarkeit unserer Forderungen zu gewährleisten. Beispielsweise würden ein verminderter Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel und eine Positivliste für milliardenschwere Einsparungen im Pharmabereich sorgen. Dieses Geld könnte in den medizinischen Fortschritt für alle fließen. Darüber hinaus ist es ein nicht hinnehmbarer Zustand, dass wir überversorgte Planungsbereiche weiter alimentieren, während in unterversorgten ländlichen Bereichen die Arztsitze nicht nachbesetzt werden können. Hier muss es eine dem Versorgungsauftrag entsprechende Umverteilung geben. Auf der Einnahmeseite führt aber sowohl aus Gründen der finanziellen Vernunft als auch aus Gerechtigkeitsgründen kein Weg an der Bürgerinnen- und Bürgerversicherung vorbei.

Wir haben bereits ein Zwei-Klassen-Medizin, doch einer weiteren Verschärfung muss dringend Einhalt geboten werden. DIE LINKE und ich möchten keine Kommerzialisierung im Gesundheitswesen und wollen das Gesundheitssystem ausschließlich an den Interessen der Patientinnen und Patienten orientieren. Der Staat hat die Aufgabe, das Grundrecht aller Bürgerinnen und Bürger auf gesundheitliche Daseinsvorsorge zu garantieren: Alle Menschen sollen einen sozial gerechten, solidarisch finanzierten und barrierefreien Zugang zu den Leistungen der medizinischen Vorsorge, Versorgung und Nachsorge sowie zu Pflegeleistungen erhalten. Die gesetzlichen Vorgaben sollen weiterhin im Rahmen der Selbstverwaltung umgesetzt werden. Der Staat ist zur Gestaltung gesundheitsförderlicher Lebens-, Arbeits-, Wohn- und Umweltbedingungen verpflichtet.

Entscheidungen im Gesundheitssystem müssen zudem demokratischer und transparenter werden. DIE LINKE will Rationierungen verhindern und alle Beteiligten im System in regionalen Gesundheitskonferenzen über die Verwendung der zur Verfügung stehenden Mitteln gemeinsam entscheiden lassen.

Einen ausführlicheren Überblick über unsere gesundheitspolitischen Forderungen gibt u.a. die Fraktionsbroschüre „Für eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung - gegen Zwei-Klassen-Medizin“
( http://dokumente.linksfraktion.net/pdfdownloads/7730316355.pdf ).

Freundliche Grüße
Harald Koch