Portrait von Ekkehard Klug
Ekkehard Klug
FDP
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Ekkehard Klug zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Dr. Hans T. •

Frage an Ekkehard Klug von Dr. Hans T. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

21.08.09
Sehr geehrter Herr Dr. Klug,
wird sich, falls die FDP das Bildungsministerium nach der Wahl übernehmen sollte, die Bildungspolitik und insbesondere die Lehrerbildung in Schleswig-Holstein ändern ?

Wenn ja, wie und bleiben die neu eingeführten Schulformen (wie z. B. die Gemeinschaftsschule) bestehen oder gibt es andere Überlegungen, die Bildungsqualität zu erhöhen ?

Ich beziehe mich hierbei auch auf das neuste Bildungsmonitoring 2009. Schleswig-Holstein steht auf Platz 14 von 16 Bundesländern. (siehe http://www.insm-bildungsmonitor.de/)

Ich beschäftige mich derzeit (beruflich) sehr intensiv mit den bildungspolitischen Positionen der politischen Parteien im öffentlichen Diskurs über die PISA-Ergebnisse. Insbesondere interessieren mich die FDP-Positionen innerhalb der Schulstrukturdebatte und der Lehrerbildung sowie zu den PISA-Ergebnissen im allgemeinen, die sicherlich zu noch mehr Fragen führen würden.
Ihren Vorschlag, die Vorschule wieder einzuführen, begrüße ich.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans Toman
Institut für Schulpädagogik
Universität Flensburg

Portrait von Ekkehard Klug
Antwort von
FDP

Thema 1: Neue Schulformen / Positionen zur Schulstrukturdebatte

Die beste Voraussetzung für individuelle Bildung und Förderung sehen wir nach wie vor in einem gegliederten Schulwesen mit Schulen, die unterschiedliche Leistungsprofile haben. So können Schüler am besten mit Anforderungen konfrontiert werden, die sie bei angemessener Anstrengung auch bewältigen können. In einem undifferenzierten Schulangebot werden zu viele Schüler dauernd unterfordert und zu viele dauernd überfordert. Bei diesen Schülern sinkt das Interesse am Unterricht und die Bereitschaft, etwas zu leisten: Das aber ist das Gegenteil dessen, was wir mit unserer liberalen Schulpolitik erreichen wollen. Aus diesen Gründen hat die FDP die sogenannte "Schulreform" der "Großen Koalition" von Anfang an abgelehnt. Durch das 2007 beschlossene Schulgesetz und daran anknüpfende Entscheidungen der kommunalen Schulträger sind jedoch Tatsachen geschaffen worden, die sich auch im Interesse der Schüler nur behutsam verändern lassen. Zudem würde das Schulwesen vollends zu einer chaotischen Großbaustelle, wenn je nach wechselnden politischen Mehrheiten Schulstrukturen grundlegend umgekrempelt würden. Zwischen einer notwendigen Nachbesserung der insgesamt verunglückten Schulreform der letzten Jahre und dem begründeten Anspruch der Schulen auf verlässliche Rahmenbedingungen muss daher eine sinnvolle Balance gefunden werden. Ausgehend von den eingangs dargelegten Grundüberzeugungen stellt die FDP daher folgende Eckpunkte für eine Schulpolitik "jenseits der großen Koalition" auf:

- Die FDP will durch eine Änderung des Schulgesetzes wieder die Einrichtung von Realschulen als Angebotsschulen ermöglichen. Gemeinschafts- oder Regionalschulen sollen wieder Realschulen werden können, sofern dabei im örtlichen Umfeld ein Bildungsangebot mit allen Bildungsgängen (Abschlüssen) erhalten bleibt.

- Das im Schulgesetz und den Schulartverordnungen verankerte Regelwerk für die neuen Schularten - Gemeinschaftsschulen und Regionalschulen - wird im Sinne der Schaffung wesentlich größerer pädagogischer Gestaltungsspielräume für die einzelnen Schulen überarbeitet.

- Für die Gemeinschaftsschulen bedeutet dies: Abkehr von der zu starken Fixierung auf "binnendifferenzierten Unterricht", d.h. neue Möglichkeiten für Formen äußerer Differenzierung - bis hin zur möglichen Anlehnung an bisherige Strukturmodelle integrierter oder kooperativer Gesamtschulen (Lerngruppen auf unterschiedlichen Niveaustufen, abschlussbezogene Jahrgangsklassen). Weil Gemeinschaftsschulen mittlerweile in einigen Teilen des Landes neben den Gymnasien die einzige weiterführende Schulart sind, muss außerdem ihr bisheriges Privileg bei der Auswahl ihrer Schüler wegfallen. Auch Gemeinschaftsschulen müssen den Status einer "örtlich zuständigen Schule" erhalten, die zur Aufnahme von Schülern verpflichtet werden kann - andernfalls könnten Eltern bei der Anmeldung ihrer Kinder von einer Schule nach der anderen abgewiesen werden. Angesichts der großen Zahl neuer Gemeinschaftsschulen sind die Voraussetzungen zur Einrichtung einer Oberstufe an diesen Schulen zu überprüfen; vorzugsweise soll dabei die Kooperation mit vorhandenen Oberstufen - insbesondere den Beruflichen Gymnasien - gefördert werden.

- Regionalschulen sollen ebenfalls erweiterte Spielräume zur Profilbildung und Schulgestaltung erhalten. Sie sollen bei der Personalzuweisung nicht mehr gegenüber Gemeinschaftsschulen benachteiligt werden. Auf mittlere Sicht hält die FDP es auch für vorstellbar, dass Regionalschulen sich im Sinne des reformierten Modells der Gemeinschaftsschule weiterentwickeln, sofern sie sich nicht für die oben beschriebene Option entscheiden können oder wollen, (wieder) Realschulen zu werden.

- Die FDP will die Gymnasien als leistungsorientierte öffentliche Schulart erhalten und stärken. Benachteiligungen, die den Gymnasien in der Vergangenheit bei der Lehrerversorgung oder bei der Förderung von Ganztagsangeboten zugemutet worden sind, wollen wir beseitigen. Die Arbeitsbelastung der Schüler in der verkürzten Gymnasialschulzeit (G 8) sowie in der Profiloberstufe darf nicht ausufern. Die FDP setzt sich außerdem dafür ein, den Gymnasien die Wahlfreiheit zwischen verkürzter Schulzeit (G 8) und einen neunjährigen gymnasialen Bildungsgang einzuräumen oder auch eine Kombination beider Modelle zu ermöglichen. Durch Senkung des Klassenteilers in der Profiloberstufe wollen wir bessere Unterrichtsbedingungen in der Oberstufe erreichen. Das Konzept der Profiloberstufe soll außerdem im Sinne erweiterter Wahlmöglichkeiten für die Schüler überarbeitet werden. Für Schüler, die das Gymnasium nach der Sekundarstufe I verlassen, wird ein vereinfachtes Verfahren zum Erreichen des Realschulabschlusses eingeführt.

- Die FDP wendet sich gegen die Regelversetzung von Schülern, sofern sie bei mangelhaften Leistungen keine Aussicht auf eine erfolgreiche Bewältigung des folgenden Jahrgangspensums haben. Klassenwiederholungen sollen jedoch durch Förderunterricht und durch flexible Versetzungsregelungen in der Verantwortung der einzelnen Schule nach Möglichkeit vermieden werden.

- Die Mindestgrößenverordnung muss bei Schulstandorten in Randlagen oder im dünn besiedelten ländlichen Raum flexibler gehandhabt werden. Wir wollen damit erreichen, dass auch Schülerinnen und Schüler außerhalb der Zentren ein wohnortnahes Schulangebot behalten - insbesondere im Bereich der Grundschulen ("kurze Wege für kurze Beine").

- Wer einen ersten Bildungsabschluss erworben hat, muss bei entsprechender Eignung weitere Bildungsabschlüsse erwerben können. Wir setzen uns daher für einen bedarfsgerechten Ausbau entsprechender schulischer Angebote ein. Hierzu bieten insbesondere berufsbildende Vollzeitschulen vielfältige Möglichkeiten (Berufsfachschulen, Fachoberschulen, Berufsoberschulen, Berufliche Gymnasien).

Thema 2: Lehrerbildung

Die fachliche und pädagogische Kompetenz der Lehrkräfte ist eine wesentliche Grundlage für die Vermittlung guter Schulbildung. Zur Lehrerbildung zählen gleichermaßen fachwissenschaftliche, fachdidaktische und pädagogische Inhalte sowie Kenntnisse der Lehr- und Lernmethoden. Insbesondere im Bereich der Fachdidaktik sind die Lehramtsstudiengänge verbesserungsbedürftig. Die FDP hält die zweistufige Studienstruktur (Bachelor/Master) generell im Bereich der Lehrerbildung für wenig geeignet und strebt daher Lehramtsstudiengänge "aus einem Guß" an (Staatsexamen oder grundständige Masterstudiengänge). Auch in der veränderten Schullandschaft sind schulartbezogene Profile der Lehrerbildung unerlässlich. Dies gilt insbesondere für die Gymnasiallehrerausbildung, weil sowohl das Leistungsprofil der Gymnasien als auch die Anforderungen des Oberstufenunterrichts in anderen Schularten mit gymnasialer Oberstufe eine entsprechende fachliche Ausrichtung des Lehramtsstudiums erfordern. Anpassungsbedarf besteht dagegen angesichts der veränderten Schulstrukturen bei den anderen Lehrämtern der weiterführenden Schulen. Innerhalb eines neuen Studiengangs für die Gemeinschaftsschulen und die Regionalschulen (Sekundarstufe I) sollten jedoch - bei einem gleichwertigen Studienabschluss - unterschiedliche Schwerpunktsetzungen möglich sein. Diese sind einerseits auf die Anforderungen des Realschulabschlusses, andererseits auf die besonderen Anforderungen der Förderung von Schülern mit Lernschwierigkeiten auszurichten. Für die Primarstufe (Grundschule) soll ein eigenständiger Studiengang geschaffen werden, der vor allem in den Bereichen Diagnostik und Förderpädagogik um Elemente sonderpädagogischer Qualifikation der künftigen Lehrkräfte erweitert werden sollte. Auf diese Weise sollen die Grundschulen in die Lage versetzt werden, besser als bisher auf die Förderung von Kindern mit Entwicklungsdefiziten eingehen zu können. In geeigneter Form sind dabei auch gemeinsame Studienanteile mit Hochschulstudiengängen für den Bereich der Vorschulpädagogik anzustreben.

Generell soll in allen Lehramtsstudiengängen zu Beginn des Studiums ein längeres Praktikum stattfinden, das den Studierenden die Möglichkeit gibt, ihr angestrebtes Berufsziel - den Lehrerberuf .- realistisch einzuschätzen und gegebenenfalls auch die Entscheidung für dieses Studium noch einmal kritisch zu hinterfragen. Die FDP hält außerdem eine an das Studium anschließende Praxisphase in Form des Vorbereitungsdienstes (Referendariats) für einen unverzichtbaren Bestandteil einer guten Lehrerbildung. Eine einphasige Lehrerbildung ohne Referendariat lehnt die FDP daher ab. Die massive Verschlechterung dieser 2. Phase der Lehrerbildung, zu der es in den zurückliegenden Jahren gekommen ist, erfordert eine grundlegende Korrektur dieser Fehlentwicklungen. Sowohl im Hinblick auf das Referendariat als auch im Bereich der Lehrerfortbildung muss die Arbeit des schleswig-holsteinischen Lehrerbildungsinstituts (IQSH) fundamental neu ausgerichtet werden. Für "Seiteneinsteiger" in den Lehrerberuf ist eine besondere Qualifikationsphase im Sinne eines pädagogischen und fachdidaktischen (bei Bedarf auch fachwissenschaftlichen) Aufbaustudiums vorzusehen, damit auch auf diesem Wege Lehrkräfte mit hoher pädagogischer und fachlicher Kompetenz an die Schulen gelangen.