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Cornelia Behm
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Frage von Tom B. •

Frage an Cornelia Behm von Tom B. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Behm,

haben Sie einen Standpunkt zum politischem Vegetarismus? Darunter verstehe ich, vereinfacht gesprochen, 3 Thesen:

(1) Von einer ökologischen Perspektive betrachtet ist es sinnvoll, den Konsum von Tierprodukten zu drosseln.

(2) Aus einer gesundheitspolitischen Sicht sollte man fleischlose beziehungsweise rein pflanzliche Ernährungsformen fördern.

(3) Ausgehend von einer ethischen Position ist es sinnvoll, gewisse Tieren über den Status des "vor erheblichen, unnötigen Leides zu schützenden Mitgeschöpfs" (frei nach § 1 TSchG: ur1.ca/1qxj ) hinaus mit weiteren Rechten auszustatten.

Sollten Sie diesen Thesen oder Einzelnen zustimmen, würde mich ferner interessieren,
(a) inwieweit,
(b) auf welchen Ebenen und
(c) mit welchen Instrumenten Sie (und Ihre Fraktion) diese ein(zu)bringen (gedenken)?

Mit freundlichen Grüßen

Tom Bradschetl

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Bradschetl

die Nachfrage nach Fleisch und tierischen Erzeugnissen wie Milch und Eiern ist in den Industrieländern ungebrochen hoch. Seit 1980 hat sich weltweit die Zahl der Schweine und Hühner vervierfacht, die Zahl der Rinder, Schafe und Ziegen verdoppelt. Die Food and Agricultural Organisation (FAO) der Vereinten Nationen geht bei Anhalten der derzeitigen Trends bis 2050 von einer weiteren Verdoppelung der Fleischerzeugung und einer Steigerung der Milcherzeugung um 80 Prozent aus.

Viehhaltung zur Erzeugung von Fleisch und tierischen Erzeugnissen ist mit 18 % der global von Menschen verursachten Treibhausgase anerkannter Maßen eine der Hauptursachen für Treibhausgase. Die Massentierhaltung leistet dabei einen entscheidenden Beitrag. Bündnis 90/Die Grünen sehen diese Art der Tierhaltung aus folgenden Gründen kritisch:

1. Es werden hierbei lokal konzentriert in hohem Maße Mineraldünger und Pestizide eingesetzt, um die Futtermittel zu produzieren. Zugleich wird dabei sehr viel Wasser verbraucht und es fallen enorme Mengen Gülle an. Diese Art der Tierproduktion ist nicht umweltverträglich und führt vielerorts zu einem Verlust der Artenvielfalt.

2. Diese Form der Fleischerzeugung ist ineffizient bezüglich der erzeugten ernährungswirksamen Energie. Z.B. müssen für jedes Kilogramm Rindfleisch zehn Kilogramm pflanzliche Futtermittel verfüttert werden.

3. Durch die Massentierhaltung werden Arbeitsplätze in der bäuerlichen Landwirtschaft verhindert.

4. Massentierhaltung rentiert sich umso mehr, je größer der Fleischkonsum in der Gesellschaft ist. In Deutschland werden im Schnitt 1,2 kg Fleisch pro Kopf in der Woche verzehrt, von Ernährungswissenschaftlern wird ein Verzehr von maximal 300 Gramm empfohlen. Je billiger das Fleisch, desto mehr wird gegessen. Auch aus gesundheitspolitischen Gründen ist die Massentierhaltung deshalb kritisch zu betrachten.

Darum fordern Bündnis 90/Die Grünen, dass die Europäische Union den Weg hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft endlich fortsetzt. Zahlungen von Beihilfen müssen zukünftig an die Erbringung von gesellschaftlichen Leistungen gebunden werden. Durch eine stärkere Förderung der ländlichen Entwicklung, die Kopplung der Direktbeihilfen an die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Schaffung eines Klimabonus für besonders klimaverträgliche Bewirtschaftungsformen muss die umwelt- und klimaschonende Landwirtschaft gestärkt werden. Zur Etablierung fairer Handelsbeziehungen müssen alle handelsverzerrenden Exportsubventionen unabhängig vom Ausgang der derzeitigen WTO-Verhandlungen abgebaut werden. Leider wurde die gerade abgeschlossene Gesundheitsüberprüfung der gemeinsamen Agrarpolitik vor allem aufgrund der vollkommenen Blockade durch die Bundesregierung nicht dazu genutzt, die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft zu stärken.

Zudem setzen wir uns für die Einführung von EU-weiten, aussagekräftigen Tierschutz-Gütesiegeln von Fleisch und tierischen Erzeugnissen ein. Deutschland sollte in jeder Hinsicht mit gutem Beispiel vorangehen, aber auch im Rahmen der EU und den relevanten internationalen Verhandlungen auf eine Kehrtwende - weg von den heute vorherrschenden, nicht nachhaltigen Produktions- und Konsummustern - hinarbeiten und dazu gleich bei sich selbst beginnen.

Keinesfalls sollte man erst internationale Übereinkommen abwarten, bevor Schritte zur Erreichung von Reduktionszielen für Treibhausgase und Umweltverschmutzung durch die Abschaffung der Massentierhaltung in Deutschland eingeleitet werden: Es bestehen akuter Handlungsbedarf und potentiell großer Spielraum für einen substantiellen Beitrag zur Erreichung einer Vielzahl der von der Politik bereits formulierten, aber bisher nicht ernsthaft genug verfolgten Ziele betreffend die Reduzierung der Treibhausgase, den Schutz der Umwelt und der Gewässer, den Erhalt der biologischen Vielfalt, die Verbesserung der Volksgesundheit, die Ernährungssicherheit und die Bekämpfung des Hungers auf der Welt!

Mit freundlichen Grüßen

Cornelia Behm