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Cornelia Behm
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Frage von Christoph R. •

Frage an Cornelia Behm von Christoph R. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Behm,

mit Abscheu und Ekel habe ich den Bericht der Sendung Kontraste vom 30. Juli 2009 ( http://www.rbb-online.de/kontraste/index.html ) über die betäubungslose Kastration von Ferkeln gesehen.

Eingedenk der Staatszielbestimmung des Artikel 20a Grundgesetz, wonach der Staat die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Recht und Gesetz durch die Exekutive und die Judikative schützen soll, empört es mich, dass das Tierschutzgesetz die Praxis der betäubungslosen Kastration von jungen Ferkeln, Rindern, Schafen und Ziegen bis heute zulässt.

In § 5 Abs. 3 TierSchG heißt es wörtlich:

(3) Eine Betäubung ist ferner nicht erforderlich 1. für das Kastrieren von unter vier Wochen alten männlichen Rindern, Schafen und Ziegen, sofern kein von der normalen anatomischen Beschaffenheit abweichender Befund vorliegt, 1a. für das Kastrieren von unter acht Tage alten männlichen Schweinen, sofern kein von der normalen anatomischen Beschaffenheit abweichender Befund vorliegt.

In Ansehung Ihrer Mitgliedschaft im Ausschuss des Bundestages für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz möchte ich Sie daher fragen, inwieweit Sie die vorgenannte gesetzliche Norm für gemeinhin ethisch vertretbar halten, welcher vernünftige Grund die oben beschriebene Zufügung von Schmerzen zu rechtfertigen vermag (§ 1 Satz 2 TierSchG: Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen) ob Sie Initiativen ergriffen haben, § 5 Abs. 3 Nr. 1 und 1a TierSchG ersatzlos zu streichen und inwieweit in der landwirtschaftlichen Praxis Möglichkeiten ausgeschöpft werden, Schmerzen und Leiden der Tiere trotz fehlender Betäubung zu vermindern (§ 5 Abs. 1 Satz 4 TierSchG: Ist nach den Absätzen [...] 3 [...] eine Betäubung nicht erforderlich, sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Schmerzen oder Leiden der Tiere zu vermindern).

Mit vorzüglichen Grüßen,

Christoph Rostig

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Rostig,

wir Bündnisgrüne teilen Ihre Auffassung. Daher haben wir als Bundestagsfraktion die Bundesregierung in einem Antrag (Bundestagsdrucksache 16/10615) aufgefordert,

1. die Ausnahmeregelung zur Erlaubnis der betäubungslosen Ferkelkastration im Tierschutzgesetz in § 5 Abs. 3 zu streichen und damit die betäubungslose Ferkelkastration bis spätestens zum 31. Dezember 2011 zu beenden;

2. sich auf europäischer Ebene aktiv für ein endgültiges Verbot des betäubungslosen Kastrierens von Ferkeln zum gleichen Datum einzusetzen;

3. die praxistauglichen Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration schnellstmöglich in der Praxis einzuführen;

4. eine entsprechende Verbraucheraufklärung sowie Beratung der Landwirte zu fördern;

5. die Züchtung und Ressortforschung durch entsprechende Förderprogramme zu unterstützen.

Diesen Antrag haben die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP abgelehnt.

Zur Begründung heißt es in unserem Antrag:

Die Kastration von Ferkeln ist gängige Praxis in deutschen und europäischen Schweineställen. Allerdings findet die Kastration ohne Betäubung statt und ist somit für die Tiere mit erheblichen Schmerzen verbunden. In Deutschland, dem größten Schweinefleischproduzenten in Europa, sind jährlich 23 Millionen Ferkel betroffen.

Die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz und das deutsche Tierschutzgesetz verlangen, dass Tieren ohne vernünftigen Grund keine Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt werden dürfen. Bislang wird nur über einen Ausnahmetatbestand die Kastration bei Ferkeln ohne Betäubung bis zum siebenten Lebenstag zugelassen. Tierschützer, Tierärzte, Verbraucherschutzorganisationen sowie Verbände, die die artgerechte Tierhaltung unterstützen, protestieren gegen diese Praxis. Nach langer Ablehnung einer Änderung haben sich der Deutsche Bauernverband und die Qualität und Sicherheit GmbH (QS) kürzlich für eine Kompromisslösung ausgesprochen. Danach sollen die Tiere von 2009 an nur noch unter schmerzstillenden Mitteln kastriert werden, bis auf die Ferkelkastration gänzlich verzichtet werden könne. Inzwischen gibt es mit der Kastration unter Betäubung, der Jungschweinemast und der Immunokastration verschiedene tiergerechte Alternativen zum betäubungslosen Kastrieren.

In anderen europäischen Ländern hat dieser Protest bereits zu Konsequenzen geführt. In Norwegen ist das betäubungslose Kastrieren bereits seit 2003 verboten, die Schweiz will in 2010 folgen. In den Niederlanden hat der Lebensmittelhandel beschlossen, ab 2009 kein Fleisch von betäubungslos kastrierten Tieren mehr zu vermarkten. In der EU-Öko-Verordnung wird das betäubungslose Kastrieren ab Ende 2011 verboten.

Die nun vom Deutschen Bauernverband, dem Verband der Fleischwirtschaft und dem Zentralverband des Deutschen Einzelhandels getroffene Vereinbarung, die Ferkelkastration nur noch in Verbindung mit einem schmerzstillenden Mittel durchzuführen, bis Alternativverfahren zur Kastration entwickelt sind, ist ein Schritt in die richtige Richtung, der aber gesetzlich abzusichern ist, um Wettbewerbsverzerrung durch Tierschutzdumping zu verhindern.

Mit einem Auslaufen der Ausnahmegenehmigung für das betäubungslose Kastrieren muss ein klares politisches Signal gesetzt werden, dass diese Methode gesellschaftlich nicht mehr akzeptabel ist und mit Hochdruck an flächendeckend einsetzbaren Alternativmethoden gearbeitet werden muss. Gleichzeitig wird der Branche mit einer praktikablen Übergangsfrist die nötige Zeit gegeben werden, alle Alternativen zu testen und umzusetzen.

Die Bundesregierung muss sich außerdem auch auf europäischer Ebene aktiv für die Festsetzung eines endgültigen Verbots des betäubungslosen Kastrierens zum gleichen Datum einsetzen und die Verbraucheraufklärung zum Thema sowie die Beratung der Landwirte fördern. Außerdem ist die Entwicklung der Alternativmethoden und der Züchtungsforschung bei der Zucht von Schweinen ohne Ebergeruch durch entsprechende Förderprogramme zu unterstützen, damit die Kastration zukünftig überflüssig wird.

Mit freundlichen Grüßen

Cornelia Behm MdB