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Cornelia Behm
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Frage von Hans-Jürgen E. •

Frage an Cornelia Behm von Hans-Jürgen E. bezüglich Recht

Guten Tag Frau Behm!
Mit Interesse lese ich Beiträge über mögliche "Fehlleistungen" der Bundes-GmbH BVVG. Die Fragen an Sie decken sich mit meiner pers. Wahrnehmung in den Medien (Stichwort: Misswirtschaft und entspr. Strafanzeige durch den Verband AbL).

Warum werden die Probleme mit dem Treuhandnachfolger BVVG nicht von Ausschüssen des Deutschen Bundestages erörtert und hinterfragt? Wäre es nicht Sache des Landwirtschaftsausschusses, sich mit der bereits strafrechtlich angezeigten Misswirtschaft der BVVG auseinanderzusetzen? Ist der Petitionsausschuss nicht für massive "Probleme" mit den Treuhandnachfolgern zuständig? Wird mit dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) nicht Bundesrecht durch die BVVG angewendet und ist nicht damit der Rechtsausschuss für mögliche Lücken im EALG zuständig?

Wenn sich die durch den Verband AbL strafrechtlich angezeigten Fehlbeträge in Milliardenhöhe bestätigen sollten, werden Schuldige gesucht werden. Wer ist für die Aufsicht über die BVVG in der Praxis zuständig und wie wird eine öffentliche Kontrolle nachvollziehbar gewährleistet? Werden alle Alteigentümer vor dem EALG gleichbehandelt oder gibt es Sonderrechte für Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft für Agrarfragen (AfA) aus Hannover? Seit wann finden verbilligte Verkäufe an Alteigentümer nach dem EALG statt und gibt es für Mitglieder der AfA seit 1999 Sonderkonditionen zum verbilligten Landerwerb ohne EALG Bescheid der Vermögensämter?
Würden Sie bestätigen, dass Kleinbauern bei der Landvergabe durch die BVVG benachteiligt wurden? Wieso konnten Alteigentümer vor dem EALG/1994 (trotz Restitutionsverbot) Betriebe wiedereinrichten? Gab es die Gleichbehandlung durch Treuhand/BVVG?

Gruß
Hans-J. Enders

www.bvvg.de
Die BVVG ist ein Immobiliendienstleister im ländlichen Raum, der im Auftrag des Bundes in den ostdeutschen Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ehemals volkseigene Äcker und Wiesen, Wälder, Gebäude und Gewässer privatisiert.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Enders,

vielen Dank für Ihre Frage auf Abgeordnetenwatch.

Zu Ihren Fragen nach Zuständigkeiten: Für die Aufsicht über die bundeseigene BVVG ist federführend das Bundesfinanzministerium (BMF) zuständig. Auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV befasst sich mit der BVVG. Dementsprechend befassen sich auch die entsprechenden Bundestagsausschüsse (Agrausschuss und Haushaltsausschuss) mit der BVVG. Der Petitionsausschuss ist vor allem dann die richtige Adresse, wenn es um Beschwerden einzelner Bürger über konkrete Privatisierungsfälle geht.

Der Ausschuss für Ernährung, Verbraucherschutz und Landwirtschaft hat sich im Juni sehr wohl einer Sitzung mit der Anzeige der AbL gegen die BVVG-Führung befasst.

Eine Konsequenz wurde aus dem Bundesrechnungshofbericht bereits gezogen. Der zusätzliche 10-%-ige Abschlag vom Kaufpreis bei Verkäufen von BVVG-Flächen nach Entschädigungs- und Leistungsausgleichs-Gesetz (EALG) – der zusätzlich zu dem im EALG verankerten 35 % gewährt wurde – ist bereits abgeschafft worden. Allerdings wurde dieser zusätzliche Abschlag im Einvernehmen mit dem BMF gewährt. Hier ist der BVVG-Spitze offensichtlich kein Vorwurf zu machen – genau so wenig wie bei dem vom damaligen Gesetzgeber – der schwarz-gelben Bundestagsmehrheit - gewollten 35-%-igen Abschlag beim begünstigten Verkauf von BVVG-Flächen. Insoweit umfassen die Vorwürfe der AbL schon einmal Beträge, die nicht der BVVG anzulasten sind, sondern die politisch gewollt waren.

Insofern bleibt nur noch die Frage zu klären, ob die von der AbL erhobenen Vorwürfe, dass die regionalen Wertansätze systematisch nach unten gedrückt wurden, zutreffend sind, und ob hierfür die BVVG-Spitze verantwortlich gemacht werden kann. Allerdings ist uns auf der Grundlage der uns vorliegenden Unterlagen (dies ist der Bundesrechnungshofbericht) nicht möglich zu beurteilen, ob diese Vorwürfe der AbL tatsächlich gerechtfertigt sind. Allerdings erscheint es uns als unangemessen, dass die Bundesregierung die Vorwürfe bereits heute einfach als haltlos bezeichnet. Hierzu bleibt letztlich das Urteil des Gerichts abzuwarten, dem offensichtlich noch weiteres Material vorgelegt wurde.

Uns ist nicht bekannt, ob Mitglieder der AfA entgegen den Regelungen im EALG eine bevorzugte Behandlung bei der BVVG erhalten. Man muss aber feststellen, dass kleine Betriebe im Vergleich zu größeren Betrieben beim Verkauf von BVVG-Flächen systematisch benachteiligt wurden. Die Schuld hieran trägt aber nicht die BVVG, sondern der Gesetzgeber. Denn die Benachteiligung liegt in den gesetzlichen Voraussetzungen für einen vergünstigen Erwerb begründet. Vergünstigt erwerben können in bestimmten Grenzen neben den Alteigentümern nur aktuelle Pächter. Und das wurden Anfang der neunziger Jahre fast ausschließlich Großbetriebe.

Aus heutiger Perspektive kann man bereits heute feststellen, dass die gesamte Privatisierung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen durch die BVVG - so wie sie im EALG vorgesehen war - kein gelungenes Kapitel der Wiedervereinigung war. Allerdings kann man dies nicht der BVVG-Spitze anlasten, sondern dies war der politische Wille der Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP Anfang der neunziger Jahre.

Mit freundlichen Grüßen
Cornelia Behm