Frage an Angela Kalnins von lambert s. bezüglich Bildung und Erziehung
Erziehungsziele sollen in NRW in der Verantwortung vor Gott erreicht werden, so lautet das neue Schulgesetz.
Ich bin der Meinung, dass wir gegenüber unseren Mitmenschen Verantwortung tragen und übernehmen müssen. Als Agnostiker kann ich dieses Ziel nicht teilen und sehe die Freiheit der Religion (nicht nur für LehrerInnen) unzulässig eingeschränkt. Wie stehen Sie zu dem Erziehungsziel?
Sehr geehrter Herr Schauen,
diese Formulierung "Verantwortung vor Gott" ist zumindest diskussionswürdig. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Menschen, die mit dem Gottesbegriff nichts anfangen können, wächst, hätte man seine Intention neutraler ausdrücken können. Sicher sind unsere hiesigen Wertvorstellungen von 2000 Jahren Christentum geprägt und zumindest theoretisch dient ein Begriff wie Nächstenliebe auch dazu, die Menschen zu Toleranz anzuhalten.
Auch Ehrfurcht vor der Schöpfung sollte damit gemeint sein. Das sind die beiden Dinge, die mir bei Ihrer Frage als erste durch den Kopf gegangen sind. Ich verzichte an der Stelle auf weitere Aufzählungen. Ich bin der Meinung, dass man solche Grundsätze auch in einem Werk wie dem Schulgesetz formulieren darf, vielleicht sogar muss, um das Ziel eines gedeihlichen Miteinanders zu beschreiben.
Aber ich stimme Ihnen zu, dass eine "Verantwortung den Mitmenschen gegenüber" eine neutralere Formulierung gewesen wäre. Damit ist niemand in seiner persönlichen Lebensführung und seinem Glauben eingeschränkt und es werden trotzdem ethische Richtlinien prägnant formuliert.
Zum Religionsunterricht als Folge dieser Frage: Die neutrale Lösung ist ein Ethikunterricht für alle, in dem über Religionen, über Werte, über Lebensansätze und anderes Austausch stattfindet. Ziel muss Akzeptanz und Toleranz dem Nächsten gegenüber sein. Wenn Religionsunterricht angeboten wird, dann muss er den gegebenen Umständen Rechnung tragen und alle Richtungen abdecken, christliche, jüdische, muslimische, buddhistische, atheistische.... Und er muss auf jeden Fall in deutscher Sprache erteilt werden. Ob Ihre Formulierung aber alles, was ich mir vorstelle ( z.B. auch Ehrfurcht vor der Natur ) mit einbezieht, glaube ich nicht. Da ist dann mehr Definition notwendig.
Um meine Gedanken dazu zusammenzufassen: Der Gottesbegriff schränkt die Zielgruppe ein, da stimme ich Ihnen zu. Aber Ihr Vorschlag umfasst nicht alles, was mit dem Gottesbegriff gemeint ist. Ich würde also eine Änderung sinnvoll finden, wäre aber mit Ihrem Vorschlag noch nicht zufrieden. Ihre Frage ist eine harte Nuss. Das würde ich gern weiter mit Ihnen diskutieren.
Mit freundlichen Grüßen
Angela Kalnins