Dr. Michael Stöhr: Was Europa jetzt braucht.
Michael Stöhr
ÖDP
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Frage von Daniela G. •

Wie stehen Sie zum Krieg (Ukraine), Waffenlieferungen, Aufrüstung?

Dr. Michael Stöhr: Was Europa jetzt braucht.
Antwort von
ÖDP

Die Angriffe Russlands auf die Ukraine und der von Katar und Iran unterstützten Hamas auf Israel haben dreierlei gezeigt: (1) Enge wirtschaftliche Verbindungen alleine sichern noch keinen Frieden, (2) Deutschland hat durch seine Abhängigkeit von fossilen Energien und Uran aus autoritären Ländern deren Aufrüstung mitfinanziert und tut es weiterhin, (3) militärische Verteidigung ist zwar immer das letzte Mittel, aber sie ist nach Ausschöpfung aller anderen Möglichkeiten und Wege auch ein Mittel, das ergriffen werden muss. Die Angriffe sind außerdem ein weiterer Beleg, dass auf verschiedenen politischen Feldern dringend ein Umsteuern erforderlich ist:

1. Freihandel ohne Berücksichtigung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Beachtung der Menschenrechte missachtet nicht nur, dass diese Werte universal sind, und missachtet nicht nur die Würde der Menschen in den Ländern, mit denen wir ungeachtet der Nichteinhaltung dieser Werte Handel betreiben, sondern gefährdet letztendlich auch unsere eigene Sicherheit. Ein Grund mehr für die Forderung der ÖDP nach FAIR-Handelsabkommen anstelle von FREI-Handelsabkommen.

2. Zentrale Versorgungsstrukturen insbesondere für Energie können mit wenigen erfolgreichen militärischen Angriffen oder Sabotageakten so stark beschädigt werden, dass großflächig und langfristig die Versorgung massiv beeinträchtigt ist. Dem gegenüber führen solche Angriffe auf dezentrale Versorgungsstrukturen wie z. B. sektorintegrierte Quartierenergiesysteme für Strom, für Wärme, für Mobilität und chemische Grundstoffe immer nur lokal zur Beeinträchtigung der Versorgung. Der militärische Aufwand oder die Zahl der Sabotageakte, die für eine nennenswerte Beeinträchtigung der Versorgung eines ganzen Landes erforderlich sind, ist um ein Vielfaches höher als bei zentralen Versorgungsstrukturen. Dieser Aufwand kann einen Angreifer abschrecken, zumal, wenn er auf einen schnellen Sieg aus ist. Dezentrale Versorgungsstrukturen sind ein Mittel der passiven Verteidigung. Dies ist ein weiteres Argument für die Forderung der ÖDP nach dezentraler Versorgung, vor allem für Energie aus regionalen erneuerbaren Quellen, für Lebensmittel aus der Region, für Medikamente und für weitere Güter der Grundversorgung.

3. Europa muss sich auch militärisch besser verteidigen können, und zwar besser, als dies aktuell möglich ist. Da die künftige Unterstützung der USA nach einer möglichen Wiederwahl von Donald Trump zum Präsidenten ungewiss ist, muss eine effiziente militärische Verteidigung auch ohne die USA möglich sein. Sie ist aber immer die letzte Option. Vor einer militärischen Verteidigung müssen die Möglichkeiten von Diplomatie und wirtschaftlichen Sanktionen vollständig ausgereizt werden. Im Fall des Krieges Russlands gegen die Ukraine heißt das insbesondere, dass bei aller Unterstützung der Ukraine durch finanzielle Mittel und Waffenlieferungen, welche legitim und notwendig sind, die Wege und Mittel der Diplomatie dennoch immer im Fokus bleiben und wirtschaftliche Sanktionen konsequent umgesetzt werden müssen. Erste Bestrebung und Ziel des Einsatzes der diplomatischen und materiellen Mittel Europas muss ein Friedensplan für die Ukraine sein. Friedensverhandlungen dürfen niemals Nebensache sein.

4. In Krisen, in denen schnell Entscheidungen gefällt werden müssen, gibt es immer einige wenige, die hohe Gewinne machen auf Kosten vieler. Im Fall kriegerischer Auseinandersetzungen gehören dazu Rüstungsunternehmen. Die Forderung der ÖDP nach strikter Lobbykontrolle sollte gleichrangig mit der notwendigen militärischen Geheimhaltung berücksichtigt werden. Zu erwägen ist in diesem Zusammenhang eine Begrenzung der Gewinnausschüttungen von Rüstungsunternehmen zumindest in Krisenzeiten, nicht zuletzt, damit privatwirtschaftliche Interessen nicht zum Grund für militärische Aktionen werden können.

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