Dr. Michael Stöhr: Was Europa jetzt braucht.
Michael Stöhr
ÖDP
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Frage von Roswitha B. •

Sollte sich die EU sozialpolitisch stärker einmischen und wenn ja wie?

Dr. Michael Stöhr: Was Europa jetzt braucht.
Antwort von
ÖDP

EU-weite soziale Mindeststandards

Die EU als Staatenbund mit gemeinsamen europäischen Werten gilt es auch im sozialen Bereich weiterzuentwickeln - über eine neoliberal ausgerichtete Freihandelszone hinaus. Analog zu demokratischen und rechtsstaatlichen Mindeststandards für alle Mitgliedsstaaten sollen auch soziale Mindeststandards festgelegt beziehungsweise weiterentwickelt und deren Einhaltung kontrolliert werden. Das betrifft die Gleichberechtigung von Frauen, die angemessene Bezahlung von Arbeit, den Gesundheitssektor u.a. Die national unterschiedlich gewachsenen Sozialsysteme der Mitgliedsländer sollen nicht ersetzt, aber Annäherungen angestrebt werden.

Das Ziel ist der Schutz der menschlichen Würde und elementarer Grundrechte. Sie sind einerseits zu schützen vor Aushebelung durch Machtgefälle und andererseits dann, wenn Menschen in Notlagen geraten. Darum fordert die ÖDP u.a.

  • soziale Mindeststandards, die Ziele und Werte der EU erfüllen und für alle Mitgliedsländer verbindlich sind,
  • eine Stärkung der Familien durch Verpflichtung zu einem angemessenen staatlichen Lasten- und Leistungsausgleich,
  • Generationengerechtigkeit durch gleiche öffentliche Leistungen für die Jugendsicherung einerseits und die Alterssicherung (Rente) andererseits in jedem EU-Land,
  • bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
  • das Recht, Gewerkschaften zu gründen, sowie Schutz und Erweiterung der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
  • eine gesetzliche Garantie existenzsichernder Löhne für alle Arbeitskräfte (Mindestlohn),
  • EU-einheitliche Verlängerung der Mindestdauer des Mutterschaftsschutzes auf 18 Wochen, davon mindestens zwei Wochen vor der Entbindung,
  • Fortzahlung von 100 % des sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelts während des Mutterschaftsschutzes,
  • eine enge Auslegung der Werkvertragsregelung, damit sie nicht mehr zur Umgehung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung genutzt werden kann,
  • die konsequente Einhaltung der Umwelt-, Sozial- und Beschäftigungsstandards (einschließlich Mindestlohn) des Mitgliedsstaates, in dem die Dienstleistung erbracht wird.

Weitere Ausführungen dazu enthalten das Kap. 10, Mindeststandards in der Familien- und Sozialpolitik und das Kap. 12, Arbeit, des ÖDP Europawahlprogramms 2024.

https://www.oedp.de/programm/europawahlprogramm/10-mindeststandards-in-der-sozial-und-familienpolitik 

https://www.oedp.de/programm/europawahlprogramm/12-arbeit

Maximale Lohnspreizung

Der Club of Rome hat in seinem Bericht „Earth for all“ von 2022 deutlich gemacht, dass neben den planetaren Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen, damit die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben, es auch soziale Grenzen gibt, die nicht unterschritten werden dürfen, damit Gesellschaften stabil genug bleiben, um neue Herausforderungen bewältigen zu können.

Zur Einhaltung dieser sozialen Grenzen ist u.a. erforderlich, dass die Unterschiede von Einkommen und Vermögen innerhalb einer Gesellschaft nicht zu weit auseinanderdriften. In Deutschland ist dieser soziale Boden bereits durchstoßen. Zu einem wachsenden Problem ist der enorme Reichtum weniger geworden, die immer mehr vom Rest der Gesellschaft abgekoppelt leben und auf Grund ihres Konsums maßgeblich für die Nicht-Einhaltung planetarer Grenzen verantwortlich sind. Eine Million Menschen hat in Deutschland ein so hohes Vermögen, dass es allein von den Kapitaleinkünften leben kann.

Die ÖDP hat diese Schieflage im Blick und fordert darum neben einer ökologisch-sozialen Steuerreform, welche Steuern und Abgaben auf Arbeit reduziert und solche auf den Verbrauch von Ressourcen und Emissionen einführt beziehungsweise erhöht, sowie einem Mindestlohn zusätzlich

  • die Wiedereinführung der Vermögenssteuer,
  • eine höhere Besteuerung von Einkommen aus Kapitalvermögen,
  • eine stark progressive Einkommenssteuer und
  • eine maximale Lohnspreizung von einem Faktor zwölf.

Sprich, wenn der Mindestlohn 15 Euro pro Stunde beträgt, gibt es einen Maximallohn von 180 Euro pro Stunde, der nicht überschritten werden darf.

Weitere Ausführungen dazu enthalten die folgenden Abschnitte des Bundespolitischen Programms der ÖDP:

  • 2.10 Sozial ausgewogene Besteuerung
  • 4.3 Ökologisch-soziale Steuerreform
  • 4.5 Faire Löhne für alle Beschäftigten

https://www.oedp.de/programm/bundesprogramm