Bundestag engagierte Anwälte für mehr als 100.000 Euro, um Transparenz zu verhindern

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Trotz einer eigenen Rechtsabteilung hat der Bundestag in zwei aktuellen Gerichtsprozessen mehr als 100.000 Euro an Steuergeldern für externe Anwälte ausgegeben. Das berichtet die Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de, der die Honorarrechnungen der Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs an den Deutschen Bundestag vorliegen.

Konkret geht es um die Verfahren auf Offenlegung der Bundestagshausausweise von Lobbyisten sowie um die Herausgabe von Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Im ersten Fall hatte abgeordnetenwatch.de die Parlamentsverwaltung verklagt, im zweiten Fall ein Bürger und ein Journalist.

"Allein, dass Bürger und Journalisten Transparenz vom Bundestag einklagen müssen, ist ungeheuerlich", so abgeordnetenwatch.de-Sprecher Roman Ebener am Dienstag. "Dass der Bundestag zehntausende Euro an Steuermitteln ausgibt, um mithilfe externer Anwälte Transparenz zu verhindern, ist ein Skandal. Ein solches Verhalten fördert Politikverdrossenheit."

Laut Honorarrechnungen vom 2. Juli und vom 30. Oktober 2015 musste die Parlamentsverwaltung der Kanzlei Redeker Sellner Dahs im Verfahren um die Offenlegung der Lobbyisten-Hausausweise bislang 21.652,05 Euro an Honorar zahlen. Am Ende halfen ihr die externen Anwälte jedoch nichts: Nach mehreren Niederlagen vor Gericht musste die Parlamentsverwaltung schließlich offenlegen, welche Lobbyisten über die Fraktionen Zugang zum Bundestag erhalten haben.

Noch sehr viel höher waren die Anwaltshonorare im Prozess um die Herausgabe von Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes. Laut Rechnungen der Kanzlei Redeker Sellner Dahs summieren sich die Honorare auf 91.228,96 Euro. Und auch in diesem Verfahren verlor die Parlamentsverwaltung. Im Juni 2015 urteilte das Bundesverwaltungsgericht, dass der Bundestag den Klägern - einem Bürger und einem Journalisten - die eingeforderten Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes herausgeben müsse.

"Die horrenden Anwaltsrechnungen in den beiden Fällen dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein", so Roman Ebener. "Denn der Bundestag ließ und lässt sich auch in anderen Prozessen von teuren Großkanzleien vertreten."

Weiterführende Informationen:

  • Hintergrundartikel zu den Anwaltsrechnungen sowie alle Rechnungskopien:
    https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/2015-12-08/anwaltsrechnungen-hausausweise-gutachten
  • Prozess um Lobbyisten-Hausausweise: Liste veröffentlicht: Diese Lobbyisten haben Zugang zum Bundestag
    https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/lobbyliste
  • Bundestag muss Zugang zu Dokumenten des Wissenschaftlichen Dienstes gewähren (fragdenstaat.de):
    http://blog.fragdenstaat.de/2015/bundestag-muss-zugang-zu-dokumenten-des/