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Frage von Tobias H. •

Frage an Wolfgang Tiefensee von Tobias H.

Sehr geehrter Herr Tiefensee,

mit Bedauern habe ich und mein privates und berufliches Umfeld festgestellt, dass Sie und andere Abgeordnete sich eine Diätenerhöhung beschlossen haben. Ich kann verstehen, dass man für sich und seine Familie immer die besten Verdienstmöglichkeiten sucht. Demnach verstehe ich auch, dass Sie nicht der Versuchung widerstehen konnten und sich selbst mit Ihren Rechten als Abgeordneter insgesamt eine Diätenerhöhung von prognostizierten 5,2 Millionen Euro allein für die nächsten zwei Jahre zugesagt haben. Lohnerhöhungen können sich die über 40 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland nicht selber zusprechen. In der Regel werden Erhöhungen als Inflationsausgleich durch Arbeitgeber gewährt oder für überdurchschnittliche Arbeitsleistungen ausgesprochen, jedoch nur wenn solche Erhöhungen auch für die Unternehmen wirtschaftlich vertretbar sind. Ihre beschlossene Erhöhung liegt über den Inflationsraten der letzten Jahre. In diesem Zusammenhang habe ich vier Fragen an Sie.

1) Welche speziellen zusätzlichen Aufgaben werden Sie persönlich im Gegensatz zu Ihren vorherigen Bundestagsmandaten übernehmen, die eine Erhöhung Ihrer Diät rechtfertigen können?
2) Halten Sie es für demokratisch, dass Sie sich selber Diäten erhöhen können?
3) Haben Sie keine Bedenken, dass durch diesen Beschluss die Nichtwähler in diesem Land weiter an Zulauf gewinnen könnten ?
4) Inwieweit sind generell Ausgabenerhöhungen für Sie vertretbar, wenn gleichzeitig der Schuldenstand der Bundesrepublik einen neuen Höchststand in Ihrer Legislaturperiode erreicht hat und dieser von den nächsten Generationen abgebaut werden muss?

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie jeweils zu den einzelnen Fragen Stellung nehmen würden.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Tobias Horn

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Horn,

2011 hat der Deutsche Bundestag eine unabhängige Kommission damit beauftragt, Fragen des Abgeordnetenrechts zu prüfen, dessen Ergebnisse im März 2013 vorgestellt wurden. In den Empfehlungen rät die unabhängige Kommission dazu, die Höhe der zu versteuernden Abgeordnetenentschädigung an der Besoldung von Richtern (Besoldungsgruppe R 6) zu orientieren. Das wird in zwei Stufen erfolgen.

Begründet wird das damit, dass die Tätigkeit eines Abgeordneten als Mitglied eines obersten Verfassungsorgans laut Kommission am ehesten mit einem Richter an einem obersten Gerichtshof des Bundes vergleichbar ist und beide ihre Tätigkeit unabhängig wahrnehmen. Mit dieser Orientierungsgröße erhalten Abgeordnete zukünftig eine Entschädigung wie Landräte und Bürgermeister mittelgroßer Städte mit ca. 250 000 Einwohnern.

Die Besoldungsgruppe R 6 als Orientierungsgröße ist allerdings nicht neu, da sie bereits seit 1995 den bestehenden gesetzlichen Regelung entspricht. Allerdings haben die zu versteuernden Abgeordnetenbezüge diesen Betrag nie erreicht, da die Abgeordneten des Deutschen Bundestages wiederholt auf eine Diätenerhöhung verzichtet haben. So gab es beispielsweise in den Jahren 2003 bis 2007 und 2009 bis 2011 keine Anhebung. So liegt die derzeitige Differenz zwischen der Abgeordnetenentschädigung und der Besoldung von Richtern an obersten Bundesgerichten bei ca. 830 Euro.

Ein weiterer Aspekt, der an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben soll, dient der Orientierung der Bürgerinnen und Bürger in der Frage der angemessenen Höhe von zu versteuernden Abgeordnetendiäten. Denn die Ergebnisse der unabhängigen Kommission geben einen nachvollziehbaren und zuverlässigen Bezugsrahmen vor, der fassbarer ist, als z. B. die große Bandbreite der Bezüge von freiberuflich Tätigen, Geschäftsführern und Vorständen.

Ab 2016 wird die Entwicklung der zu versteuernde Entschädigung der Abgeordneten an die Brutto-Lohnentwicklung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gekoppelt. Damit wird der von der unabhängigen Kommission empfohlene sogenannte Nominallohnindex Maßstab für die Diät-Höhe. Dieser Index wird stets vom Statistischen Bundesamt ermittelt und stellt zugleich die prozentuale Veränderung zum Vorjahr fest. Diese prozentuale Veränderung muss natürlich nicht zwangsläufig positiv, sondern kann auch negativ sein. Dieses neue Anpassungsverfahren ist kein Automatismus. Es kann auch zu einer Absenkung der Diät kommen. Das finde ich richtig so.

Die unabhängige Kommission kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass es zur Sicherung der Unabhängigkeit der Abgeordneten und ihrer wirtschaftlichen Existenz auch ein hinreichend ausgestattetes Alterssicherungssystem geben muss. Dementsprechend hält sie die Höhe des geltenden Versorgungsniveaus für angemessen und verfassungskonform.

Die geltenden Regeln wurden kritisch überprüft. Ich hätte mir hier durchaus vorstellen können, dass die Parlamentarier künftig einen Rentenversicherungsbeitrag von ihrer Abgeordnetenentschädigung leisten. Der getroffene Beschluss geht einen anderen Weg: Es wird spürbare Absenkungen bei der Altersversorgung geben. Bisher konnten langjährige Abgeordnete schon mit 55 bzw. 57 Jahren ohne Abschlag eine Altersversorgung beziehen. Da dies nicht mehr zeitgemäß ist, gelten die Regeln der Rente mit 67 demnächst auch für Abgeordnete. Dabei gilt für erworbene Ansprüche Bestandsschutz.

Des Weiteren kann eine vorzeitige Altersentschädigung fortan – wie in der gesetzlichen Rentenversicherung – nur mit Abschlägen und frühestens mit 63 Jahren in Anspruch genommen werden. Dabei beträgt der Abschlagsbetrag wie in der gesetzlichen Rentenversicherung 0,3 Prozent pro vorzeitig in Anspruch genommenen Monat. Schließlich soll der Höchstsatz der Altersversorgung von 67,5 Prozent auf 65 Prozent abgesenkt werden.

Neben der Anpassung bei der Abgeordneten-Diät sind auch verschärfende Maßnahmen gegen Abgeordnetenbestechung geplant: Abgeordnete sind Vertreterinnen und Vertreter des ganzen Volkes, sie sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. So besagt es Artikel 38 unseres Grundgesetzes.

Politik und damit auch jeder Abgeordnete ist auf Informationen, Meinungsaustausch, dem Werben für Positionen und der Artikulation unterschiedlicher Interessen angewiesen. Der Austausch von Meinungen und die Durchsetzung von Auffassungen und Interessen sind Kernbestandteile unserer pluralistischen Gesellschaft. Ist transparent und nachvollziehbar, wie die Gesetze entstehen und von wem welche Interessen vertreten und Einfluss genommen wird, erhöht das die Akzeptanz der Ergebnisse bei den Bürgerinnen und Bürgern.

Wenn allerdings die Durchsetzung von Interessen gegenüber des Parlaments mit nicht legitimen Vorteilen oder Geldzahlungen einhergeht, werden die Regeln einer fairen Wahrnehmung von Interessen verletzt. Korruption, Klüngelwirtschaft und undurchsichtige Mauscheleien beschädigen die demokratischen Institutionen und zerstören das Vertrauen in die Politik.

Bislang war in Deutschland nur der Kauf bzw. Verkauf der Abgeordnetenstimme bei Wahlen und Abstimmungen verboten. Alles andere blieb straffrei. Wir haben im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vereinbart, das zu ändern. Strafwürdige Manipulationen bei der Wahrnehmung des Abgeordnetenmandats können künftig geahndet werden. Zugleich haben wir die Voraussetzung geschaffen, dass Deutschland die bereits 2003 unterzeichnete UN-Konvention gegen Korruption endlich umsetzen kann.

Künftig wird bestraft, wer einem Mandatsträger einen ungerechtfertigten Vorteil als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass der Abgeordnete bei Mandatswahrnehmung eine vom „Auftraggeber“ gewünschte Handlung vornimmt bzw. unterlässt. Umgekehrt trifft es die Abgeordneten, wenn sie für solche Handlungen einen Vorteil fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. „Vorteile“ meint materielle genauso wie immaterielle Vorteile. Die Straftat kann mit bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe sanktioniert werden.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Tiefensee