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Frage von Gerda F. •

Frage an Walter Scheuerl von Gerda F. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Förderzentren für Kinder mit Beeinträchtigungen im Lernen, der Sprache und des Verhaltens waren lange geplant. Wie halten Sie es damit ?

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Antwort von
SCHEUERL

Sehr geehrte Frau Frese,

vielen Dank für Ihre Frage zu den "Integrativen Förderzentren", mit denen Sie ein sehr wichtiges Thema ansprechen:

Bei den "Integrativen Förderzentren" (IF) handelt es sich um die kleineren Vorläufer (nur für sonderpädagogische Förderung in den Bereichen Sprache und/oder Lernen) der jetzt schon in Vorbereitung befindlichen sog. "Sonderpädagogischen Bildungszentren" (die dann für alle Förderbereiche zuständig sein sollen).

Hinter der Einrichtung der IF stand der Plan einer sukzessiven Abschaffung der Sprachheil- und Förderschulen sowie der I-, IR- und Kombiklassen zugunsten von ressourcenreduzierten und -gedeckelten integrativen Maßnahmen über die IF. Ein Sparmodell also, das damals auch von der GEW noch massiv bekämpft wurde. Ich stehe diesem Konzept sehr kritisch gegenüber. Diese IF sollten eigentlich 2006/07 flächendeckend eingeführt werden. Zum Glück entschied sich der Senat damals gegen eine flächendeckende Einführung und für zunächst zwei Pilotversuche:
1. IF Eimsbüttel Nord (ehem. Förderschule Bindfeldweg, Niendorf) und
2. IF Hamburg Nord-Ost (ehem. Anne-Frank-Schule, Bramfeld),
die im August 2007 starteten, also gerade mal 3 1/2 Jahre laufen. Diese beiden Pilot-IF sind nur für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Bereichen Sprache und Lernen zuständig, die dort gemeinsam diagnostiziert, vorwiegend integrativ bzw. in besonders schweren Fällen auch in temporären Kleingruppen am IF beschult werden - das gleiche Konzept also wie jetzt bei den Sonderpädagogischen Bildungszentren, allerdings damals besser ausgestattet. Beide Pilotschulen sollten nach den Plänen der ehemaligen Schulsenatorin Goetsch (GAL) im Zuge der Inklusionswelle bereits zum Schuljahr 2010/11 enden, ebenso wie die I- und IR-Klassen. Das wurde nach dem erfolgreichen Volksebntscheid nun verschoben, und Senator Wersich hat sowohl den IF als auch den I- und IR-Standorten den Bestand bis zum Ende des laufenden Schuljahres zugesagt. Was danach kommt, hängt vom Ausgang der Wahl am 20. Februar 2011 ab.

Das seit 20 Jahren äußerst erfolgreiche KOMBIKLASSEN-Modell (integrative Förderung von reinen Sprachheil-Schülern) hingegen läuft mehr oder weniger ohne Informationen an die Öffentlichkeit (soweit mir bekannt ist, wurden weder Eltern noch Regelschulleitungen noch Sonderpädagogen informiert) bereits seit diesem Schuljahr aus - d. h.: es durften keine Kombi-Schüler mehr in Klasse 1 bzw. Klasse 5 aufgenommen werden. Diese gelten schon ab diesem Schuljahr als §12-Kinder (Stichwort: Inklusion).

Die Gefahr, die ich sehe, ist folgende: Die IF sollen wie die I- und IR-Klassen aufgegeben werden zugunsten des Inklusionsmodells mit drastisch reduzierte Ressourcen: Bislang gab es für integrativ beschulte Sprachheil- und Förderschüler 3 Std./Woche/Kind zusätzlich - in der Inklusion sollen es ausgerechnet in Klasse 1 nur noch 1 für Sprachheilschüler und 1,5 für Förderschüler sein! Da auch die allermeisten der jetzt noch an den Sonderschulen unterrichteten Schüler inklusiv beschult werden sollen, fällt der Spareffekt noch viel heftiger aus: An Sonderschulen ist aller Unterricht auch Therapie, so dass dort pro Kind und Woche 25 - 30 Wochenstunden Förderung stattfanden. Das unter der ehemaligen Senatorin Goetsch eingeführte Inklusionsmodell spart pro Kind, das in die Inklusion statt an die Sonderschule geschickt wird, bis zu einer vollen Lehrerstelle! Das relativiert sich lediglich in denjenigen Fällen etwas, wo neben der sonderpädagogischen Förderung noch billige Hilfskräfte (für nicht-pädagogische Tätigkeiten, wie z. B. zum Windelnwechseln usw.) benötigt werden.

Fazit: Ich befürworte und unterstütze jedes Modell, bei dem die Sprachheil- und Förderschulen sowie der I-, IR- und Kombiklassen erhalten bleiben. Daneben für all diejenigen Kinder, bei denen dies pädagogisch sinnvoll ist, auch Inklusionsklassen zu haben, ist kein Problem, darf aber nicht zum Dogma und Zwang für alle Kinder werden, denen in den Sprachheil- und Förderschulen sowie in I-, IR- und Kombiklassen sehr viel besser geholfen werden kann.

Herzliche Grüße

Ihr
Walter Scheuerl