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Ute Kumpf
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Frage von Hartmut M. •

Frage an Ute Kumpf von Hartmut M. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Kumpf,

heute sagten Sie im Sender SWR 4 Baden-Württemberg, dass Sie skeptisch sind, was finanzielle Hilfen aufgrund der hohen Energiekosten angeht.
Sie argumentierten, dass dafür möglicherweise kein Geld da sei. Ich finde das unmöglich?

Ist es nicht so, dass Deutschland viel zu viel für die Bürokratie im Sozialbereich ausgibt? Hat nicht gerade Ihre Partei mit Hartz IV alles sehr viel bürokratischer gemacht?

Warum soll Geld für die 2,2%ige Erhöhung der Pensionen da sein, nicht aber etwas mehr wie die äußerst mageren 1,1% Anpassung für Rentner? Und warum nicht etwas mehr für die ALG II Empfänger? Diese müssen die Mehrkosten von 3% MwST-Erhöhung, von hohen Lebensmittel-und Energiepreisen aus ihrem Regelsatz bestreiten. Für das Essen sind für einen Empfänger gerademal 128 Euro vorgesehen. Das können Sie in der Wikipedia mit der Eingabe Hartz IV nachlesen.
Ist es Ihrer Meinung nach sozialdemokratisch, wenn man so argumentiert wie Sie?

Ist es nicht skandalös, dass unsere Kanzlerin nicht mal weiß, dass der Strom vom ALG II Satz bezahlt werden muss?

Ich bin 81 Jahre alt. Aber aseit den 1950er Jahren habe ich eine solche soziale Schieflage nicht mehr erlebt!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Hartmut Mayer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Mayer,

vielen Dank für Ihr Schreiben bezüglich meines Interviews im Sender SWR 4 Baden-Württemberg zum Thema Energiepreise. Zunächst einmal möchte ich die von Ihnen zitierten Radiopassagen richtig stellen. Ich habe nicht gesagt, dass ich skeptisch bin, was generelle finanzielle Hilfen für die Bürgerinnen und Bürger aufgrund der hohen Energiekosten angeht, sondern, dass ich skeptisch bin, dass wir finanzielle Hilfen mit dem Koalitionspartner CDU/CSU ohne weiteres durchsetzen können. Des weiteren habe ich ausgeführt, dass die SPD-Bundestagsfraktion im Oktober eine Konzeption vorlegen wird, wie den Verbrauchern angesichts der steigenden Energiekosten mit Zuschüssen zu den Heizkosten bzw. mit Energieeffizienzmaßnahmen geholfen werden kann. Einzelheiten prüft derzeit eine SPD-Arbeitsgruppe unter der Leitung des Fraktionsvorsitzenden Peter Struck. Dabei geht es unter anderem darum zu klären, ob niedrige Grundtarife für den Basis-Energiebedarf von Normalhaushalten möglich sind. Außerdem wird nach Wegen gesucht, weniger Energie zu verbrauchen und die Abhängigkeit von Öl und Gas durch die Nutzung regenerativer Energien zu reduzieren. Um die richtigen Rahmenbedingungen für geringeren Energieverbrauch zu schaffen, prüft die Arbeitsgruppe beispielsweise auch, ob Mieter das Recht haben könnten, die Miete zu reduzieren, wenn der Vermieter nicht die gebotenen Energiesparmaßnahmen ergreift. Darüber hinaus wird für 850.000 Wohngeldempfänger, darunter Geringverdiener und Rentner das Wohngeld ab 2009 durchschnittlich von 90€ auf 150€ erhöht.

Der Paulschalvorwurf wir haben mit der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und der ehemaligen Sozialhilfe "alles bürokratischer" gemacht, stimmt nicht. Mit den Arbeitsmarktreform-Gesetzen Hartz I-IV, darunter der Zusammenlegung der Arbeitslosen- u. Sozialhilfe, haben wir bürokratische Hemmnisse und Doppelungen abgeschafft. 400.000 Menschen haben dadurch den Zugang zu den Arbeitsmarktinstrumenten bekommen. Ehemalige Sozialhilfeempfänger wurden beispielsweise in den Schutz der Sozialversicherung einbezogen und profitieren gegenüber der alten Sozialhilfe von der günstigen Vermögensanrechnung und der aktiven Teilnahme an den Arbeitsmarktinstrumenten. Vor allem für Alleinerziehende Mütter und Väter die Arbeitslosengeld II (ehemals Sozialhilfe) erhalten, wurde die Möglichkeit geschaffen, überhaupt wieder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Eine Frau, die früher Sozialhilfe erhielt, bekam keinen Krippen- bzw. Betreuungsplatz, weil sie ja für die Betreuung zur Verfügung stand. Das diese Frauen sich nun wieder aktiv um eine Arbeit bemühen können, ist ein großer Schritt. Wir haben die verdeckte Armut sichtbar gemacht. Menschen, die sich früher schämten, ergänzende Sozialhilfe zu beantragen, weil sie den Gang zum Sozialamt scheuten, beantragen diese Hilfe heute. Dies hat dazu geführt, dass auch verlässliches Zahlenmaterial darüber vorliegt, wie viele Menschen trotz voller Erwerbstätigkeit, nicht von Ihrem Einkommen leben können. Die Lösung sehen wir in der Einführung eines branchenübergreifenden Mindestlohns.

Noch etwas zur Transparenz am Arbeitsmarkt: Im letzten Jahr hat die Bundesregierung die Evaluierung über die ersten drei Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz I-III) beauftragt. Der aus mehreren Gutachten bestehende Bericht mit ca. 2000 Seiten ist die umfangreichste Erhebung zur Arbeitsmarktpolitik überhaupt. Mit der Untersuchung haben wir die Möglichkeit geschaffen, die Instrumente und Mechanismen der Arbeitsmarktpolitik empirisch zu überprüfen und ggf. Nachbesserungen vorzunehmen. In der Kurzfassung des Berichtes heißt es: "Die Forschungsergebnisse zeigen : Zentrale Reformelemente der ersten drei Gesetze für moderne Dienstleitungen am Arbeitsmarkt und der arbeitsmarktpolitischen Regelungen des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt haben die Eingliederungsaussichten der Arbeitslosen in eine Erwerbsarbeit verbessert sowie zur Erhöhung der Beschäftigung beigetragen - sich also als wirksam erwiesen". Indem Bericht wird besonders der Umbau der Bundesagentur für Arbeit zu einem modernen und effizient agierenden Dienstleister hervorgehoben.

Bezüglich der von Ihnen monierten Rentenanpassung im Verhältnis zu den Pensionen verweise ich auf mein Antwortschreiben an Herrn Neundorf vom 18.06.2008 in diesem Portal. Dem allgemeinen Vorwurf, dass Sie seit den 1950er Jahren solch eine soziale Schieflage nicht erlebt haben, kann ich nicht nachvollziehen. Wenn ich die Historie der Sozialgesetzgebung der letzten fünfzig Jahre betrachte, gab es sehr wohl sehr viele Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Mütter und vor allem Familien.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Vorwürfe entkräften und lege als Anlage das Papier der SPD-Fraktion zur Energiepreispolitik bei.

Mit freundlichen Grüßen
Ute Kumpf