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Ute Finckh-Krämer
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Frage von Oliver R. •

Frage an Ute Finckh-Krämer von Oliver R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Dr Finckh-Krämer,

rechtsextreme Parteien in europäischen Ländern wie zum Beispiel Frankreich haben in letzter Zeit erheblichen Zuwachs bekommen. Inwiefern sehen Sie darin eine Gefahr für Deutschland und denken Sie, dass das eine dauerhafte Entwicklung ist oder nur ein Trend, verursacht durch die Flüchtlingskrise?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Rischke,

vielen Dank für Ihre Frage.

Aus meiner Sicht ist es sinnvoll, zwischen "Rechtsextremismus" und "Rechtspopulismus" zu unterscheiden, auch wenn die Übergänge fließend sind. Als "rechtsextrem" sehe ich Personen bzw. Parteien an, die ein geschlossenes antidemokratisches Weltbild haben, das auf ethnisch-völkischer Homogenität und autoritären Führungsstrukturen (analog zum Führerprinzip der NS-Zeit) basiert und alle Menschen, die nicht zum Nationalvolk gehören, als minderwertig abqualifiziert und physische Gewalt bis hin zum Mord gegen die so Ausgegrenzten rechtfertigt. Insbesondere haben rechtsextremistische Parteien das Ziel, die Demokratie abzuschaffen, auch wenn sie das nicht so deutlich sagen, um nicht sofort verboten zu werden. Wer rechtspopulistische Positionen vertritt, möchte innerhalb des bestehenden mehr oder weniger demokratischen Systems an die Macht kommen und durch Mehrheitsentscheid gesellschaftliche Regeln festlegen, die dann auch von den jeweiligen Minderheiten eingehalten werden müssen. Rechtspopulistische Parteien stellen "nur" bestimmte Minderheitenrechte in Frage, nicht die Zugehörigkeit bereits im Land lebender Minderheiten zur Gesellschaft insgesamt. Dabei greifen sie auch das Asylrecht oder die Freizügigkeit innerhalb der EU an und versuchen, wenn sie es - wie in Ungarn oder jüngst in Polen - geschafft haben, an die Regierung zu kommen, die demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen so in ihrer Kontrollfunktion einzuschränken, dass sie möglichst lange an der Macht bleiben können. Rechtspopulistische Parteien und Organisationen sind oft für Menschen attraktiv, die hoffen, dass sie gesellschaftliche oder politische Veränderungen, die sie als bedrohlich empfinden, verhindern oder rückgängig machen können.

Der Front National in Frankreich hat sich sukzessive von einer rechtsextremen zu einer überwiegend rechtspopulistischen Partei entwickelt. Parteien mit geschlossenem rechtsextremistischem Weltbild haben - zum Glück - in Europa keine Chance, Mehrheiten zu gewinnen. Allerdings ist - und so verstehe ich Ihre Frage - der Zuwachs rechtspopulistischer Parteien in vielen europäischen Staaten besorgniserregend. Er hat lange vor der augenblicklichen Flüchtlingskrise begonnen und basiert nach meiner Einschätzung vor allem auf wachsenden sozialen Gegensätzen in den jeweiligen Ländern und immer komplizierter werdenden gesellschaftlichen und politischen Strukturen. Durch die internationale Bankenkrise, die in Europa zur Eurokrise umgedeutet wurde und deren Kosten in den meisten EU-Ländern der ärmeren Hälfte der Bevölkerung aufgebürdet wurden, konnten EU-kritische, nationalistische Positionen, die einfache Antworten auf komplizierte Fragen versprechen, an Boden gewinnen.

Ob das für Deutschland insgesamt eine Gefahr darstellt, ist schwer zu sagen. Da Deutschland es dank seiner wirtschaftlichen Stärke geschafft hat, die wesentlichen Grundlagen des Sozialstaates zu erhalten und die nach Deutschland eingewanderten Menschen wesentlich besser in die Gesellschaft integriert hat als Frankreich oder die Niederlande, dürfte das Wählerpotenzial für rechtspopulistische Parteien in Deutschland begrenzt bleiben. Die wirtschaftspolitischen Grundprinzipien der EU wurden bisher von allen EU-Staaten eingehalten, auch von denen, in denen rechtspopulistische Parteien (mit-)regieren. Schaden leiden derzeit die menschenrechtlichen Grundsätze der EU bzw. des Europarates, in dem ja alle EU-Staaten Mitglied sind. Das betrifft Deutschland indirekt - es wird schwieriger, bestimmte Grundsätze aufrecht zu erhalten, wenn andere es nicht (mehr) tun.

So sehr ich hoffe, dass in absehbarer Zeit nicht mehr so viele Menschen aus Syrien, Afghanistan, dem Irak, afrikanischen Krisenländern oder den Ländern des Westbalkans ihre letzte Chance in einer Flucht nach Mittel- oder Nordeuropa sehen (müssen): ein Nachlassen der Fluchtbewegungen wird die eigentlichen Ursachen für das Erstarken rechtspopulistischer Positionen in Europa nicht beseitigen. Die EU wird zur Unterstützung der demokratischen Strukturen in ihren Mitgliedsstaaten mehr für soziale Gerechtigkeit und eine faire steuerliche Belastung der internationalen Konzerne, die in der EU aktiv sind, tun müssen.

Mit freundlichen Grüßen

Ute Finckh-Krämer