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Frage von Klaus S. •

Frage an Swen Schulz von Klaus S. bezüglich Finanzen

Sehr gehrter Herr Schulz,

nachfolgende Fragen zu Ihrem Abstimmverhalten in der laufenden Legislaturperiode:

Akzeptanz von Politik und Politikern resultiert unter Anderem aus Glaubwürdigkeit und Umsetzungsvermögen. Wieso haben Sie für die Erhöhung der MWST um 3 %-Punkte gestimmt, nachdem die SPD die von der CDU propagierte Erhöhung um 2 %-Punkte als sog. "Merkelsteuer" im Wahlkampf massiv bekämpft hat? Welchen Vertrauensverschuß erwarten Sie vom Wähler, wenn Sie jetzt im Wahlkampf wieder eine Erhöhung der MWSt negieren? Welche Konzepte haben Sie zur Gegenfinanzierung der exorbitanten Staatsverschuldung?

Mit Blick auf die Belastung nachfolgender Generationen durch die hohe Staatsverschuldung und den nachvollziehbaren Druck, ineffiziente Administrationen zu straffen, sehe ich Ihr Abstimmverhalten am 29.05.09 (Stichwort: Schuldenbremse) für wenig akzeptabel. Welche Gründe haben Sie bewogen?

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Scheunemann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Scheunemann,

vielen Dank für Ihre Fragen, auf die ich in meiner weiteren Antwort an Sie teilweise schon eingegangen bin.

Vor der Bundestagswahl 2005 hat sich SPD gegen eine Mehrwertsteuererhöhung ausgesprochen mit den Argumenten, dass eine Erhöhung in der damaligen Situation der Konjunktur schaden sowie Arbeitsplätze in Handwerk, Gastronomie und Einzelhandel gefährden würde. Zudem ist die Mehrwertsteuer gegenüber einer direkten Besteuerung von Einkommen, Gewinnen und Vermögen ungerechter.

Allerdings hat das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2005 eine vollständige Umsetzung des Wahlprogramms der SPD unmöglich gemacht. Eine Regierungsbildung war faktisch nur in Form der großen Koalition mit der CDU/CSU möglich. Damit war auch klar: Wer in einem solchen Bündnis 50 Prozent darstellt, kann seine Positionen nicht zu 100 Prozent durchsetzen. Für uns war der Weg zu einem konsolidierten Haushalt über die Stärkung des Wachstums und den Abbau von Steuersubventionen weiterhin richtig und realistisch.

Die Mehrwertsteuererhöhung war jedoch das zentrale Projekt der CDU/CSU und damit nicht verhandelbar. Sie beharrte auf eine Mehrwertsteuererhöhung. Die Erhöhung dieser Steuer war also die schwarze Kröte, die die SPD schlucken musste. Mit diesem Zugeständnis waren für uns jedoch wichtige Verhandlungserfolge im Bereich der Steuerpolitik, der Arbeitnehmerrechte, der Familienpolitik, der Bildungspolitik und in vielen anderen Politikbereichen verbunden.

Zudem konnten wir im Zusammenhang mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer erreichen, dass die Erhöhung statt 2006 erst 2007 umgesetzt wurde. Auch wurde der ermäßigte Steuersatz auf Lebensmittel, Personennahverkehr, Bücher und Zeitungen von 7 Prozent nicht angehoben. Die von uns befürchteten Auswirkungen auf das Handwerk wurden durch die Möglichkeit kompensiert, Handwerkerrechnungen anteilig auf die Steuerschuld anzurechnen. Darüber hinaus wurde ein Prozentpunkt der Mehrwertsteuer dafür genutzt, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung zu senken.

Ja, Sie haben Recht, wir haben die Mehrwertsteuererhöhung mitgemacht, trotzdem wir dagegen waren. Allerdings haben wir diese Erhöhung an gewisse Bedingungen geknüpft. Zudem war dies der Preis für die Erfolge, die wir in anderen Politikfeldern verzeichnen konnten.

Das Regierungsprogramm der SPD sieht auch für die nächste Legislaturperiode keine Mehrwertsteuererhöhung vor. Allerdings muss etwas gegen die wachsende Staatsverschuldung unternommen werden. Im Zuge der Diskussionen über mögliche Maßnahmenpakete stellt eine erneute Mehrwertsteuer für die SPD-Fraktion keine Alternative dar. Die SPD hat sich vor und während der letzten Wahlperiode gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ausgesprochen und wir sind auch weiterhin nicht für eine Erhöhung.
Dennoch kann aufgrund der hohen Neuverschuldung des Staates, ausgelöst durch die Wirtschafts- und Finanzkrise, nicht abgesehen werden welche Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung ergriffen werden müssen.

Bis 2008 ist es uns gelungen, den Bundeshaushalt erfolgreich zu konsolidieren. Dann kam die Wirtschafts- und Finanzkrise. Das Bruttoinlandsprodukt ist drastisch zurückgegangen und wir haben einen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Nach aktuellen Steuerschätzungen haben wir bis 2012 mit Mindereinnahmen von 316 Milliarden Euro zu rechnen, davon entfallen 153 Milliarden Euro allein auf den Bund. Die Haushaltssituation bei den Ländern hat sich massiv verschlechtert und auch den Kommunen brechen die Einnahmen weg.
Die gesamte Neuverschuldung des Bundes wird allein im Jahr 2010 auf 100 Milliarden Euro geschätzt. Auch die von uns auf den Weg gebrachten Maßnahmen zur Bekämpfung der aktuellen Krise machen diese Neuverschuldung unumgänglich. Es wäre aber der falsche Weg, in dieser Situation hinein zu konsolidieren und die vorliegende Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts durch spezielle Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen noch zu verstärken.

Eine der wichtigsten Aufgaben in der kommenden Legislaturperiode wird die nachhaltige Konsolidierung der Staatsfinanzen sein. Oberstes Ziel ist und bleibt ein ausgeglichener Haushalt. Deshalb halte ich die Steuersenkungsversprechungen der CDU/CSU sowie der FDP auch für absolut unmöglich. Dies wäre nur mit immensen Einschnitten im sozialen Bereich verbunden. Und das würde dann alle Bürgerinnen und Bürger treffen: ganz besonders diejenigen, die auf diese Leistungen angewiesen sind - diejenigen mit niedrigen und mittleren Einkommen.

Ich bin schon in meiner anderen Antwort an Sie hier auf abgeordnetenwatch auf die Vorstellungen der CDU/CSU eingegangen und möchte mich nicht wiederholen, warum ich diese Versprechungen für unverantwortlich halte. Abschließend lässt sich festhalten, dass momentan die SPD die einzige Partei ist, die die tatsächlich vorliegende Haushaltssituation realistisch sieht, wenn man sich die Steuerpläne der anderen Parteien mal genauer anschaut. Für die SPD ist klar, dass für weitere Entlastungen nur dann eine Möglichkeit der Realisierung besteht, wenn sie auch solide gegenfinanziert wird. Dementsprechend wollen wir auf der einen Seite den freiwilligen Lohnsteuerbonus, die Absenkung des Eingangssteuersatzes, die Erhöhung des Kinderfreibetrages und die Erhöhung der Bildungsausgaben. Dieses werden wir auf der anderen Seite solide gegenfinanzieren durch die Einführung einer Börsenumsatzsteuer, die Bekämpfung der Steuerhinterziehung bzw. Steueroasen sowie die Anhebung des Spitzensteuersatzes von 45 auf 47 Prozent.
Wir versprechen keine blühenden Steuersenkungs-Landschaften, die lediglich zu massiven Kürzungen im Sozialbereich führen.

Ende Mai 2009 wurde im Deutschen Bundestag im Rahmen der Föderalismusreform II eine neue Regel für die Schuldenbegrenzung, die so genannte Schuldenbremse, im Grundgesetz verankert. Ziel ist es, die Relation zwischen dem Schuldenstand und dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) wieder kontinuierlich zurückzufahren, in dem die Verschuldung des Bundes nicht über 0,35 Prozent des BIP liegen darf. Zudem wurde eine Verbindlichkeit der Rückführung der Verschuldung in konjunkturell günstigen Zeiten geschaffen.
Einfach gesagt, der Staat soll mit seinen Staatseinnahmen auskommen und nicht ständig neue Schulden machen. Die Schuldenbegrenzung ist nicht nur eine unmittelbar einsichtige Forderung, sie ist auch absolut sinnvoll.

Trotz allem habe ich gegen die Grundgesetzänderung gestimmt. Ich bin nicht der Ansicht, dass der gefundene Weg, also die Ausgestaltung der Schuldenbremse, richtig ist. Denn die vereinbarte Schuldenbremse ist insbesondere für die Länder zu hart. Demnach sollen die Länder in 10 Jahren ohne strukturelle Neuverschuldung auskommen müssen. Für Ausnahmesituationen soll es zwar Verschuldungsmöglichkeiten geben. Doch auch in normalen Zeiten brauchen die Länder Geld. Eine Nullverschuldung für die Länder halte ich für unrealistisch - im Osten insbesondere angesichts des Wegfalls der Mittel aus dem Solidarpakt bis 2020. In diesem Jahr erhält Berlin noch 1,8 Milliarden Euro jährlich aus dem Solidarpakt. Wie wird es dann weitergehen mit der Bezahlung von Polizisten und Lehren, mit dem Bau von Straßen, der Pflege von Grünanlagen?

Darüber hinaus halte ich die beschlossene Regelung für ökonomisch und gesellschaftlich unklug. Denn der Staat benötigt Geld um in Infrastruktur, in energetische Sanierung und in Bildung finanzieren zu können. Das sind gute, notwendige Investitionen, für die eine Verschuldung in maßvollem Rahmen sinnvoll und gerechtfertigt ist.

Doch wie soll das ohne Schulden gehen? Schließlich müssen und sollen ja auch die Renten bezahlt, Gehälter von Polizisten überwiesen und Krankenhäuser finanziert werden. Ich plädiere in keiner Weise für eine Verschuldung auf Teufel komm raus, ganz im Gegenteil. Aber wenn wir auf die Ausgaben schielen, dann müssen wir uns gleichzeitig auch die Einnahmeseite anschauen und die Möglichkeit einbeziehen, diese durch eine gerechte Besteuerung zu erhöhen. Dann muss an beiden Rädern justiert werden. Es geht eben nicht alles zusammen: Steuern senken, keine Schulden machen und mehr Ausgaben des Staates für die guten und wichtigen Dinge.

Ich bin Unterstützer des vorgeschlagenen "Generationengerechtigkeitsgesetzes". Der Begriff der Generationengerechtigkeit wird zwar auch in Teilen meiner Partei als neoliberal angesehen. Doch eigentlich wird im Gesetz vorgeschlagen, dass in der Gesetzgebung die Belange künftiger Generationen berücksichtigt werden: in der Umwelt- und Energiepolitik, bei Infrastrukturinvestitionen, in Bildung und Forschung, beim Umgang mit den öffentlichen Haushalten. Es darf nicht sein, dass wir die Zukunft verfrühstücken. Doch wir dürfen auch nicht der Politik gerade im Interesse künftiger Generationen Ketten anlegen, die wichtige Investitionen verhindern.

Ich bin nicht gegen eine Schuldenbremse an sich. Ich habe aber trotz allem mit Nein gestimmt, weil ich mit der gefundenen Regelung nicht einverstanden bin. Ich hätte für eine etwas flexiblere Ausgestaltung gestimmt, eben gerade mit Blick auf nachfolgende Generationen.

An dieser Stelle kann ich mein Angebot nur wiederholen: Falls Sie Lust haben, dieses Thema nochmals in einem persönlichen Gespräch zu vertiefen, können wir gerne einen Termin vereinbaren. Rufen Sie einfach an unter 030 / 36 75 70 90.

Mit den besten Grüßen

Swen Schulz, MdB