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Susanne Bay
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Frage von Astrid B. •

Frage an Susanne Bay von Astrid B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Bay,

mich interessieren Ihre Antworten auf die folgenden Fragen:

1. GLEICHBERECHTIGUNG VON HOMOSEXUELLEN
In Baden-Württemberg werden Homosexuelle noch immer diskriminiert. So ist in vielen Gemeinden/Landkreisen die Verpartnerung nur im Landratsamt möglich, nicht im Standesamt. Und Landesbeamt/innen wird – im Gegensatz zu anderen Bundesländern - der Ortszuschlag nicht gewährt, wenn der/die eingetragene Lebenspartner/in das gleiche Geschlecht hat. Wie beurteilen Sie diese Zustände? Falls Ihre Partei an der zukünftigen baden-württembergischen Landesregierung beteiligt sein sollte, werden Sie und Ihre Partei diese Diskriminierung abschaffen?

2. GLEICHBERECHTIGUNG VON FRAUEN
Wie wollen Sie die in der Realität noch nicht gegebene Gleichberechtigung von Frauen in Baden-Württemberg vorantreiben? Z.B. mehr Frauen in Führungspositionen – gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit – Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Männer und Frauen

3. BILDUNGSPOLITIK
Welche Maßnahmen wollen Sie im Falle der Regierungsverantwortung ergreifen, damit der Beruf der/des Erzieher/in und Lehrer/in attraktiver wird, so dass z.B. auch mehr Männer erzieherische Berufe wählen und so Verantwortung für Kinder und Jugendliche übernehmen.

4. Als Lehrer/in an einer Schule arbeiten heißt Inhalte vermitteln, Mobbing-Opfer erkennen, Lernschwächen abfedern, ADHS unterstützen, fördern und fordern, unterschiedliche Gesellschaftschichten integrieren, Schüler/innen auf ein Leben im Beruf vorbereiten und das alles unter schwierigen Bedingungen: Klassenstärke 32, ausfallende Kolleg/innen werden nicht ersetzt, weil es keine Krankheitsreserve gibt. Wie wollen Sie diesem veränderten Anforderungsprofil Rechnung tragen, so dass nicht alles auf dem Rücken der Lehrkräfte ausgetragen wird.

Danke + freundliche Grüße
Astrid Blau

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Blau,

zuerst einmal vielen Dank für Ihre Fragen.

Zu 1.)
Sie haben völlig Recht: Die Landesregierung diskriminiert nach wie vor Menschen, die in eingetragenen Lebenspartnerschaften leben.
Wir GRÜNEN treten für eine völlige Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in Baden-Württemberg ein.
Wir wollen den sofortigen Ausstieg aus der Länderöffnungsklausel und damit die Öffnung der Standesämter für die eingetragene Lebenspartnerschaft und selbstverständlich die Angleichung der Gebühren auf die einheitlichen 40€. Auch beim Thema BeamtInnen sind LebenspartnerInnen nach wie vor gegenüber „verheirateten“ BeamtInnen benachteiligt: bis heute weigert sich die Landesregierung, notwendige Korrekturen an der im vergangenen Herbst beschlossenen Dienstrechtsreform durchzuführen, obwohl das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, dass Beamtinnen und Beamte, die in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft leben, Anspruch auf Familienzuschlag und Beihilfe haben. Zum wiederholten Mal setzt damit die Landesregierung eine höchstrichterliche Rechtsprechung nicht um.
Wir Grüne haben daher mehrere parlamentarische Initiativen zur Gleichstellung von BeamtInnen in Lebenspartnerschaften gestellt. Dies war auch einer der Gründe, weshalb wir das Dienstrechtsreformgesetz (DRG) abgelehnt und im Januar einen Fraktionsantrag zur Korrektur des DRG gestellt haben, der die Gleichstellung der BeamtInnen in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften fordert (s. DS 14/7369).

2. GLEICHBERECHTIGUNG VON FRAUEN

Wir GRÜNE sind für eine verbindliche Frauenquote, um eine Gleichstellung in Führungspositionen herzustellen.
Wir wollen dafür sorgen, dass in Baden-Württemberg als letztem Bundesland endlich die gesetzliche Grundlage zur Verankerung von Frauen- und Chancengleichheitsbeauftragten als Pflichtaufgabe der Kommunen geschaffen wird. Bereits bei der Einbringung des Landesgleichberechtigungsgesetzes 1995 in den Landtag wie auch bei dessen Novellierung zum Landeschancengleichheitsgesetz 2005 (ChancenG) hat die Grüne Fraktion Änderungsanträge eingereicht und für eine Ausweitung des Geltungsbereichs des Gesetzes auf die Kommunen votiert. 15 kostbare Jahre wurden vertan, mit dem Ergebnis, dass nur wenige größere Städte und Kommunen heute eine hauptamtliche kommunale Frauen- bzw. Gleichstellungsbeauftragte haben, Tendenz rückläufig. Dort, wo Stelleninhaberinnen kündigen oder in Ruhestand gehen, werden die Stellen vielfach nur mit Vakanz wiederbesetzt bzw. gekürzt und mit anderen Aufgaben befrachtet. Eine gesetzliche Verpflichtung ist aus grüner Erfahrung notwendig, um die vielfältigen Aufgaben der Frauen- bzw. Chancengleichheitsbeauftragten nicht nur in der Verwaltung, sondern auch im gesellschaftlichen Leben in der Kommune vorantreiben zu können.
Zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind aus meiner Sicht folgende Punkte die wichtigsten:
1. Ausbau der Kleinkindbetreuung
2. Mehr Ganztagsangebote/-betreuung in Kita und Schulen
3. Veränderung in Gesellschaft und Unternehmen bzgl. Des Rollenbildes des Mannes als „Familienernährer“

3. BILDUNGSPOLITIK

Der Anteil des männlichen Personals in Kitas liegt aktuell bei nur 2 Prozent, weshalb gezielt junge Männer als Erzieher angeworben werden müssen. Um die Attraktivität des Berufs zu steigern und die Professionalität des pädagogischen Fachpersonals zu erhöhen, setzen wir uns dafür ein, die Studiengänge mit Bachelorabschluss an den Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen zügig auszubauen und auf die Dualen Hochschulen auszudehnen. Auch der Übergang von der Fachschule für Sozialpädagogik zur Hochschule muss erleichtert werden. Ein konsequenter Kita-Ausbau sollte zudem mit einer intensiven Imagekampagne für den ErzieherInnenberuf gekoppelt werden. Wir setzen uns dafür ein, dass die Arbeit des Fachpersonals in Kitas angemessen bezahlt wird, seine Arbeitsbedingungen verbessert und ihm berufliche Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten eröffnet werden.

4.

Das Schulsystem in Baden-Württemberg ist durch soziale Ungerechtigkeit und Sortierwahn geprägt, die für Eltern, Lehrkräfte und SchülerInnen viel Stress und Druck bedeuten. Das frühe Aufteilen der Kinder auf verschiedene Schularten nach der 4. Klasse erzeugt bei vielen SchülerInnen Versagensängste, entmutigt sie und hat negative Auswirkungen auf ihr Lernverhalten und ihre Lernfreude. Die Einführung des Turbo-Gymnasiums (G8) hat den Druck in den Gymnasien enorm erhöht – vielfach über die Grenzen des Erträglichen hinaus.
Daher wollen wir die Einführung von Basisschulen, die eine Gemeinschaftsschule für alle Kinder ist. Sie baut auf einer oder mehreren vierjährigen Grundschule/-n auf und soll in der Regel mindestens zweizügig sein, um die fachliche Spezialisierung der Lehrkräfte zu nutzen und eine vielfältige Profilbildung zu ermöglichen.
Alle Basisschulen entwickeln eine neue Lehr- und Lernkultur. Dabei setzen wir auf eine Schulentwicklung von unten. Überall wo es die für das Schulleben Verantwortlichen dies wollen und entsprechende Anträge stellen, können solche Schulen, ihre Arbeit bewegt sich natürlich im Rahmen der geltenden Bildungspläne, geschaffen werden. Gruppen von eigenständig lernenden SchülerInnen in offenen Räumen prägen das Bild der Schulen, nicht Frontalunterricht hinter verschlossenen Klassenzimmertüren im 45-Minuten- Takt. Arbeit in Kleingruppen, individuelles Erarbeiten sowie Projektarbeit werden von der Ausnahme zum Regelfall. Damit ergeben sich Verbesserungen der Lernsituation und des Lernerfolgs für die leistungsstarken wie auch für die leistungsschwachen SchülerInnen, was die Situation in der Klasse entspannt. Darüber hinaus wollen wir für bessere Lernbedingungen durch kleinere Klassen sowie Differenzierungskontingente an allen bestehenden Schularten sorgen. Auch wollen wir mit der Einführung eines Stufenplans das Unterrichtsdefizit insbesondere an den beruflichen Schulen und den Sonderschulen in den nächsten Jahren reduzieren und mit dem Abbau der Bugwellen von Überstunden an den beruflichen Schulen und Gymnasien beginnen. Um die Unterrichtsversorgung verlässlich zu garantieren, wollen wir außerdem die Krankheitsreserve erhöhen. Fortbildungen sollen möglichst in die unterrichtsfreie Zeit verlagert werden, um den dadurch bedingten Unterrichtsausfall gering zu halten.
Die von der Landesregierung zur Absenkung des Klassenteilers geschaffenen zusätzlichen Lehrerstellen sollen gerecht und effizient eingesetzt werden. Deshalb wollen wir von der Zuweisung nach dem Klassenteilerprinzip auf eine Pro-Schüler-Zuweisung von Lehrerstunden umstellen. Dabei soll jeweils ein Sozialindex berücksichtigt werden. Eine extreme Spanne zwischen sehr kleinen und sehr großen Klassen kann durch die neue Regelung vermieden werden. Schulen mit einem hohen Anteil an besonders förderbedürftigen SchülerInnen können zusätzliche Stunden für Kleingruppenbildungen oder Einzelförderung erhalten.
Wir setzen uns dafür ein, dass Lehrerstunden für Ganztagsschulen mit besonderen pädagogischen und sozialen Aufgabenstellungen nicht reduziert werden, sondern dauerhaft erhalten bleiben. Die Landesregierung sieht für den Ausbau der Ganztagsschulen 1.850 neue Lehrerstellen vor. Wir wollen zusätzlich 1.000 Deputate zur Verfügung stellen – wahlweise entweder als ergänzende Lehrerstunden oder als Lehrbeauftragtenmittel.
Zur Umstellung auf individuelle Förderung und zum raschen Ausbau der Ganztagsschulen passt die Festlegung der Lehrerarbeitszeit über die Deputatsstunden nicht mehr. Wir GRÜNEN setzen uns deshalb dafür ein, dass endlich neue Arbeitszeitmodelle, die sich an allen pädagogischen Aufgaben der Lehrkräfte orientieren, eingeführt werden. Eine Vorreiterrolle für diese Entwicklung können neue Basisschulen als Gemeinschaftsschulen für alle Kinder übernehmen.
Die neue Schulkultur kann nur erfolgreich sein, wenn LehrerInnen intensiver zusammenarbeiten und effektive Teamstrukturen aufbauen. Fest etablierte Teamstrukturen entfalten eine unmittelbare Wirkung auf die Unterrichtsqualität, gerade wenn komplexe Aufgaben bewältigt werden sollen. Teamstrukturen sollen LehrerInnen entlasten; sie dürfen nicht zu zusätzlichen Belastungen führen.

Mit freundlichen Grüßen

Susanne Bay