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Stephan Mayer
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Frage von Uwe G. •

Frage an Stephan Mayer von Uwe G. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Mayer,

Ich komme mir vor wie eine Weihnachtsgans. Während alle aus der EU rausholen was sie kriegen können, lassen wir (deutsche Steuerzahler und Bürger) uns ausnehmen wo es nur geht. Und unsere Politiker sehen nur zu und machen gute Miene zum bösen Spiel.

Zuerst päppeln wir alle, insbesondere die Iren, auf, lassen uns vorhalten was für eine tolle, zukunftsfähige Wirtschaft, niedrige Steuersätze und Wachstumsraten sie haben und nun dürfen wir sie entschulden. Das wo wir selbst kein Geld haben (1,7 Billionen EUR Staatsschulden!).

Zuvor retten wir französische Banken ( http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,697511,00.html , http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,697489,00.html ) und lassen uns durch Frankreich ausspielen wo es nur geht.

Jeder kann unsere Unternehmen, die besser aufgestellt sind, als die übernehmenden Firmen (z. B. http://www.wsws.org/de/2004/feb2004/sano-f04.shtml oder jetzt Hochtief) kaufen, ohne dass diese sich wehren können, wie dies offensichtlich in anderen EU-Ländern, z. B. Spanien und Frankreich möglich ist ( http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,475317,00.html ).

Und was machen unsere Politiker?

"Für Wirtschaftsminister Rainer Brüderle ist das freie Marktwirtschaft. Man kann es aber auch anders sehen: als Perversion der Marktwirtschaft. Belohnt wird nicht der Tüchtige, der erfolgreich gewirtschaftet hat, sondern der Trickreiche, der die laschen deutschen Gesetze nutzt, um seinen Konkurrenten zu einem Spottpreis zu übernehmen." ( http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-74735305.html )

Mein Mitgefühl geht an die Hochtiefmitarbeiter und uns deutsche Bürger.

Was tun Sie um auch die Interessen der deutschen Bürger und Steurzahler zu schützen und weshalb setzen Sie sich nicht dafür ein die Übernahmeregeln denen anderer EU-Länder anzupassen und deutsche Arbeitnehmer und Steuerzahler besser zu schützen!?

Uwe Geißendörfer

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CSU

Sehr geehrter Herr Geißendörfer,

vorab möchte ich mich sehr herzlich für Ihre Nachricht auf abgeordnetenwatch.de bedanken, in der Sie sich nach den Maßnahmen zum Schutz der deutschen Bürger und Steuerzahler im Hinblick auf die wirtschaftlichen Vorgänge in der Europäischen Union erkundigen. Gerne beantworte ich Ihre Fragen.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass Deutschland seit dem Start der christlich-liberalen Koalition einen großen Schritt aus der Krise getan hat. Kein anderes europäisches Land konnte im zurückliegenden Jahr mit 3,6% des Bruttoinlandprodukts ein so hohes gesamtwirtschaftliches Wachstum ausweisen wie Deutschland. Auch die Zahl der Arbeitslosen ist 2009 deutlich zurückgegangen und jahresdurchschnittlich unter die drei-Millionen-Grenze gefallen - 2,93 Millionen Arbeitssuchende laut Statistischem Bundesamt vom 03. Januar 2011. In der Konsequenz ist die Zahl der Erwerbstätigen gestiegen: bundesweit erreichte sie im Jahr 2010 einen neuen Höchststand von rund 40,37 Millionen. Auch das Einkommen ist im Vorjahr durchschnittlich um ca. 3% gestiegen. Erfreulicherweise kommt der Aufschwung spürbar bei den Bürgern an.

Gleichzeitig hat die christlich-liberale Koalition unmittelbar nach der Regierungsübernahme, um die Wachstumskräfte zu stärken, Bürger und Wirtschaft um 8,5 Milliarden € jährlich entlastet. Zusammen mit den bereits zuvor beschlossenen Maßnahmen konnten damit zum Jahreswechsel 2010/2011 Entlastungen von über 22,5 Milliarden € durchgesetzt werden.

Ich kann Ihre Befürchtungen nachvollziehen, die damit verbunden sind, dass Deutschland insolventen EU-Ländern Geld zur Verfügung stellt. Auch kann ich Ihre Sorge verstehen, dass durch diese gewährten Bürgschaften die deutschen Bürger benachteiligt werden. Dazu möchte ich feststellen, dass ein stabiler Euro und eine Währungsunion mit möglichst vielen EU-Mitgliedsstaaten im ureigenen deutschen Interesse liegen. Während der Finanzmarkt- und Konjunkturkrise sind nun in einigen Mitgliedsstaaten massive Budgetprobleme entstanden. Es hat sich als dringlich und notwendig erwiesen, die Eurozone zu stabilisieren, denn ein stabiler Euro sichert die Kalkulationsgrundlagen für Unternehmen, Tarifpartner, Staatshaushalte, Sozialsysteme, Verbraucherinnen und Verbraucher. Ferner schafft er mehr Nähe und Vertrauen zu den europäischen Partnerländern in der Währungsunion und bietet Investoren die attraktive Perspektive einer großen Weltwirtschaftsregion. Binnenwirtschaftlich darf keine Inflation entstehen, außenwirtschaftlich ist auf stabile Wechselkurse ohne übermäßige Schwankungen zu achten. Zur Stabilisierung des Euros wurde in der Folge ein Euro-Rettungsschirm gespannt; die Erkenntnisse, die die christlich-liberale Koalition aus der Krise in Griechenland und Irland erlangt hat, bietet nun eine nochmals verbesserte Entscheidungsgrundlage, um künftig sicher agieren zu können.

Mit dem Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus wurde die Bundesregierung ermächtigt, Gewährleistungen für Mitgliedstaaten der Eurozone bis zu einer Höhe von 123 Mrd. Euro zu übernehmen.

Diese Garantien beziehen sich auf die Europäische Finanzstabilisierungsfaszilität (EFSF) als intergouvernementale Zweckgesellschaft mit einem Gesamtrahmen von 440 Mrd. Euro für Liquiditätsnothilfen. Die EFSF-Mittel wurden vom Internationalen Währungsfonds (IWF) mit 250 Mrd. Euro und aus dem Gemeinschaftshaushalt mit 60 Mrd. Euro (Europäischer Finanz-stabilisierungsmechanismus EFSM) aufgestockt. Damit erstreckt sich der Euro-Rettungsschirm über 750 Mrd. Euro. Etwaige Liquiditätshilfen werden im Zusammenspiel von Zweckgesellschaft, EU-Kommission und IWF bereit gestellt. Weiteren Garantiegebern steht die Beteiligung offen.
Griechenland und Irland haben diese Hilfe in Anspruch genommen und haben somit einschneidende wirtschafts-, struktur- und haushaltspolitische Vorgaben zu erfüllen. Die Kreditauszahlungen erfolgen nur in Notlagen, tranchenweise nach Reformfortschritt und bei Einstimmigkeit der Garantiegeber. Es handelt sich nicht um Transferleistungen, sondern um verzinste Notkredite mit strenger Konditionalität insbesondere in Form von Sparvorgaben.

Der so gespannte Euro-Rettungsschirm war ein Provisorium, das Griechenlands und Irlands Liquiditätsprobleme gemildert hat. Als Folge dieser Krise hat der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs nun Ende Oktober beschlossen, dass an Stelle des bis 2013 befristeten Rettungsschirms ein ständiger Krisenmechanismus etabliert werden soll. Bis März 2011 sollen die Finanzminister einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten. Das Beistandsverbot, die sogenannte No-Bailout-Klausel des Artikels 125 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV), bleibt ausdrücklich unangetastet. Demzufolge dürfen die Europäische Union und ihre Mitgliedsländer nicht für die Schulden anderer Mitgliedsländer haften. Folglich wird daran gearbeitet, private Gläubiger wie Banken oder Fonds in die Haftung zu nehmen. Der IWF soll ebenfalls wieder einbezogen werden. Der Krisenmechanismus liegt im deutschen Interesse, weil Krisen anderer Mitgliedstaaten sich bei uns unmittelbar auswirken.

Ergänzend wird der „vorgeschaltete“ Stabilitäts- und Wachstumspakt verschärft. In Kraft ist bereits das sogenannte Europäische Semester, mit dem die EU-Partner vor Abschluss der nationalen Haushaltsverfahren die Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten. Das sanktionsbewehrte Defizitverfahren soll künftig auch dann eingeleitet werden, wenn der Gesamtschuldenstand die 60-Prozent-Schwelle überschreitet. Die Sanktionen werden verschärft und können vom Rat nur mit qualifizierter Mehrheit abgelehnt werden.

Die bisherigen Maßnahmen sind ein Erfolg. Die aktuellen sogenannten „Zinsspreads“, das heißt der aktuelle Vergleich von Zinssätzen zwischen Mitgliedstaaten unterschiedlicher Bonität, geben keinen Anlass zu neuen Sorgen. Mehrere Mitgliedstaaten haben dies erfolgreich zum Schuldenmanagement genutzt. Der Rettungsschirm wird derzeit nur von Irland zu etwa einem Zehntel in Anspruch genommen. Griechenland hat Zeit gewonnen und geht seine Reformen glaubwürdig an. Hier muss die temporäre Stabilisierung in eine dauerhaft selbsttragende Lösung überführt werden. Wie dieses Beispiel zeigt, könnte eine nationale Schuldenbremse in Ergänzung zum Maastrichter Vertrag der Stabilitätskultur der Gemeinschaft zuträglich sein.

Weiter sprechen Sie die Übernahme der HOCHTIEF AG durch ausländische Investoren, namentlich dem spanischen Investor ACS, an.
Auch, wenn ich Ihre Bedenken nachvollziehen kann, ist wohl zu konstatieren, dass hier keine Schutzlücke im geltenden Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) existiert. Das WpÜG dient nicht dazu, Übernahmeversuche zu verhindern oder zu erleichtern. Es ist daher weder „übernahmefreundlich“ noch „übernahmefeindlich“. Die Vorschriften zu öffentlichen Übernahmeangeboten sollen den Aktionären im Falle des Kontrollwechsels die Möglichkeit bieten, aus der Zielgesellschaft zu einem angemessenen Preis auszusteigen. Diese Möglichkeit wird im vorliegenden Fall durch das freiwillige Angebot der ACS zum Erwerb aller Anteile an der HOCHTIEF AG zu einem angemessenen Preis gewährleistet.
Das WpÜG ist die nationale Umsetzung der EU-Übernahmerichtlinie, die derzeit revidiert wird. Ferner ist es fraglich, ob eine jetzige Gesetzesinitiative im Fall der HOCHTIEF AG noch Wirkung entfalten könnte. Die Bundesregierung hat es sich daher vorbehalten, diese Revision abzuwarten, bevor sie in diesem Fall gesetzgeberisch aktiv wird.

Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen behilflich gewesen zu sein und stehe Ihnen für eventuelle Nachfragen selbstverständlich gerne jederzeit zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr

Stephan Mayer, Bundestagsabgeordneter

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