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Frage von Petra H. •

Frage an Sebastian Blumenthal von Petra H. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Blumenthal,

in Ihrer Antwort vom 21.10.2010 an Herrn Thomas schreiben Sie: "Die Rentenzuzahlung wird deshalb gestrichen, weil sie den Betroffenen nachweislich nichts nützt." Das ist sicher richtig, was die Versorgung im Alter angeht.

Was aber ist mit denjenigen, die nach einem langen Arbeitsleben (mit regelmäßigen Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung!) jenseits des fünfzigsten Lebensjahres arbeitslos werden? Sofern diese länger als zwei Jahre arbeitslos bleiben, verlieren diese Arbeitslosen doch den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung im Falle einer Erwerbsminderung! Anstelle der erarbeiteten Erwerbsminderungsrente werden diese älteren Arbeitslosen also künftig nur den Regelsatz des ALG II erhalten. Gerade bei Menschen, die lange und kontinuierlich beschäftigt waren, ist damit eine erhebliche finanzielle Schlechterstellung verbunden.

Haben Sie diesen Punkt mit bedacht, als Sie den oben zitierten Satz verfassten? Finden Sie diese Konsequenz der Neuregelung wirklich akzeptabel?

Ich bin sehr gespannt auf Ihre Antwort!

Mit freundlichen Grüßen,
Petra Hartmann

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Hartmann,
 
vielen Dank für Ihre Nachricht.
 
Konkret verhält es sich folgendermaßen: Für den Bezug einer Erwerbsminderungsrente bzw. einer Teilerwerbsminderungsrente ist eine mindestens dreijährige Pflichtbeitragszeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung notwendig. Eine zweijährige Arbeitslosigkeit führt in dem von Ihnen beschriebenen Fall noch nicht zu einem Verlust der Rentenansprüche, da zunächst (was die von Ihnen angeführte Personengruppe „jenseits des fünfzigsten Lebensjahres“ angeht) für bis zu 24 Monate Arbeitslosengeld I gezahlt wird.
 
Die von Ihnen dargestellte Situation würde bei Arbeitslosen eintreten, die darüber hinaus mehr als 2 Jahre Hartz IV-Empfänger sind, d.h. bei einer Arbeitslosigkeit, die 39 bis 48 Monate andauert (abhängig vom Alter).
 
Hier ist festzustellen, dass die Zahlung der Rentenbeiträge für „Hartz IV“-Empfänger auch den Beziehern von Erwerbsminderungsrenten nicht geholfen hat. Die höchsten Erwerbsminderungsrentenzahlungen erhalten Männer in den alten Bundesländern. Selbst beim Bezug einer vollen Erwerbsminderungsrente beträgt der Höchstsatz bei dieser Gruppe durchschnittlich 643,- Euro (nach offiziellen Zahlen der DRV - Deutsche Rentenversicherung, Stand 2010) - bei Frauen in den alten Bundesländern liegt der durchschnittliche Höchstsatz bei voller Erwerbsminderung bei 602 Euro, bei Männern in den neuen Bundesländern liegt der durchschnittliche Höchstsatz bei voller Erwerbsminderung bei 570 Euro und bei Frauen in den neuen Bundesländern liegt der durchschnittliche Höchstsatz bei voller Erwerbsminderung bei 562 Euro. Die Renten bei teilweiser Erwerbsminderung liegen natürlich deutlich drunter.
 
Darüber hinaus gilt auch für die Erwerbsminderungsrente, dass für jeden Monat, den man früher als drei Jahre vor Erreichen der Regelaltersgrenze in Rente geht, ein Abschlag von 0,3 Prozent vorgenommen wird. Mit Erreichen der Regelaltersgrenze wird die Rente wegen Erwerbsminderung dann von Amts wegen in eine Altersrente umgewandelt. Ist bei der Rente wegen Erwerbsminderung ein Abschlag vorgenommen worden, so bleibt dieser auch über die Regelaltersgrenze hinaus bestehen.
 
Selbst die volle Erwerbsminderungsrente würde also nicht an die durchschnittliche „Hartz IV“-Leistung heranreichen (selbst dann nicht, wenn die betroffene Person Wohngeld beantragen würde). Nach den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit für das aus dem Jahr 2010 beträgt die durchschnittliche Leistung für einen unverheirateten und kinderlosen „Hartz IV“-Empfänger 801,- EUR (Regelsatz zzgl. Kosten der Unterkunft, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, Bedarfszulagen etc.). Um auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente im „alten“ System in dieser Höhe zu kommen, müsste ein heute 50jähriger Arbeitnehmer 30 Jahre lang jeden Monat ca. 2300 Euro (bzw. ca. 4600 DM) verdient haben. Dies gilt wohlgemerkt für diejenigen, die vor 1961 geboren worden sind und sich daher noch im „alten“ (vorteilhafteren) System der Erwerbsunfähigkeitsrente aufhalten. Im „neuen“ System der Erwerbsminderungsrente liegen die Leistungen (z.T. deutlich) drunter. Daher ist es auch der Regelfall, dass die Erwerbsminderungs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente von den Sozialhilfeträgern soweit aufgestockt werden muss, dass mindestens das Grundsicherungsniveau erreicht wird.
 
Insofern ist auch die Situation der potenziellen Bezieher von Erwerbsminderungsrenten berücksichtigt worden, Frau Hartmann. Die Abschaffung der Beitragszahlungen für „Hartz IV“-Empfänger führt in der Praxis lediglich zu einer Verschiebung der staatlichen Aufwendungen vom Rentenversicherungsträger zum Arbeitslosengeld II-Träger. An dem Umstand, dass bei den meisten Betroffenen die Erwerbsminderungsrente durch Leistungen der Grundsicherung ergänzt werden muss, ändert sich nichts.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Sebastian Blumenthal