Frage an Sascha Raabe von Alexander H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Raabe,
für das Zugeständnis des "Ja" der SPD-Fraktion zum EFSF gaben Sie ein Einlenken der Bundesregierung in Sachen Einführung einer Finanztransaktionssteuer an.
Fühlen Sie sich nach den Äußerungen von Herrn Pofalla und Schäuble ( http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-06/streit-finanzmarktsteuer-schaeuble ) jetzt veralbert?
Ich fühle mich veralbert - und zwar von jedem Ihrer Fraktionskollegen, der bei der Abstimmung über den ESM für ja votieren wird.
Darf ich Sie fragen, wie Sie abstimmen werden?
mfG
Alexander Hild
Sehr geehrter Herr Hild,
vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema ESM und Fiskalpakt.
Kein Thema bewegt die Menschen derzeit so wie die Krise des Euro. Angesichts der unglaublichen Milliardensummen, die im Raum stehen, ist verständlicherweise die Angst groß, dass der Wohlstand und die wirtschaftliche Stärke unseres Landes auf dem Spiel stehen. Die Menschen hier in Deutschland müssen in der Regel hart für ihr Geld arbeiten. Für mich heißt das, dass der Staat die klare Pflicht hat, mit den Steuergeldern äußerst sorgsam umzugehen. Sie können sich daher sicher vorstellen, dass mir die im Bundestag zu treffenden Entscheidungen über die Rettungsmaßnahmen sehr schwer gefallen sind. Nach reiflicher Überlegung habe ich dem ESM wie auch dem Fiskalpakt aber letztlich zugestimmt.
Meine Maßgabe für alle notwendigen und sicher nicht risikolosen Schritte war: Der deutsche Steuerzahler darf am Ende nicht der Dumme sein. Die viel zitierte europäische Solidarität kann keine Einbahnstraße sein. Ich halte es zwar für richtig, dass wir versuchen, den kriselnden Staaten in Europa, ob nun Griechenland, Portugal oder Spanien, nach unseren Möglichkeiten zu helfen. Aber es kann keine einseitigen Leistungen ohne entsprechende Eigenanstrengungen der betreffenden Länder geben. Staaten wie Griechenland müssen ihre Hausaufgaben machen, also sparen und dafür sorgen, dass endlich ordnungsgemäß Steuern erhoben werden. Es kann nicht sein, dass reiche Griechen verschont werden und deutsche Steuerzahler am Ende die Zeche zahlen. Nur wenn diese Anstrengungen ernsthaft unternommen werden, kann überhaupt erst ein Anspruch auf Hilfe von außen bestehen. Der vom Bundestag verabschiedete Fiskalpakt, mit dem sich die EU-Staaten zur Erreichung ausgeglichener Haushalte verpflichten, ist in Verbindung mit dem Stabilitätsmechanismus ein richtiger Ansatz, um das zu gewährleisten.
Bei aller berechtigten Sorge und Kritik dürfen wir nicht vergessen, dass die Rettung der Krisenstaaten in der Eurozone in unserem ureigensten Interesse liegt. Ich höre oft das Argument, Deutschland sei der Zahlmeister Europas und es könne nicht alle Last auf unseren Schultern abgeladen werden. Das ist nur die halbe Wahrheit. Genauso ist Deutschland der Export-Europameister und hat in der Vergangenheit in hohem Maße vom Euro und dem Zusammenhalt des europäischen Wirtschaftsraumes profitiert. Manchmal vielleicht sogar auf Kosten der jetzt schwächelnden Länder. Etwa 40 Prozent der deutschen Exporte gehen in die Eurozone. Das sichert in Deutschland Arbeitsplätze. Wir haben also allen Grund, den anderen europäischen Ländern faire Chancen für eine Rückkehr zur Normalität zu eröffnen. Griechenland etwa wird ohne Hilfe bei allen Sparbemühungen auf absehbare Zeit am freien Markt keine normalen Kredite, sondern nur solche zu Wucherzinsen aufnehmen können. Damit hätten die Griechen auch bei bestmöglichen Eigenanstrengungen keinerlei Chancen wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Der ESM wird helfen, Griechenland Kredite zu fairen Zinsen zu ermöglichen. Es sollte jedem klar sein: Wenn wir es in Europa nicht schaffen, ein vergleichsweise kleines Land wie Griechenland wieder auf die Beine zu bringen, ist weltweit die generelle Kreditwürdigkeit Europas in Frage gestellt. Die Ansteckungsgefahr ist ein erhebliches Risiko auch für unsere deutsche Volkswirtschaft. Diese Gefahr gilt es einzudämmen. Es ist trotz aller finanziellen Risiken, die für Deutschland zweifellos mit dem ESM einhergehen, ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft, jetzt Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Ausschlaggebend für meine Zustimmung war am Ende, dass wir als SPD in den Verhandlungen zu ESM und Fiskalpakt viele Maßnahmen durchsetzen konnten, die Europa -- und damit auch Deutschland -- helfen können, die Krise zu überwinden. So werden die Sparauflagen des Fiskalpakts nun durch einen Pakt für Wachstum und Beschäftigung ergänzt. Das ist sinnvoll, um den schwächelnden Volkswirtschaften neue Impulse zu verleihen. So können wir es den Krisenstaaten ermöglichen, auf längere Sicht wieder höhere eigene Steuereinnahmen zu erzielen. Dazu gehört u.a., dass nicht abgerufene Mittel aus den Strukturfonds der laufenden Finanzperiode rasch und gezielt für wachstums- und beschäftigungsfördernde Maßnahmen eingesetzt werden. Außerdem darf es bei den Verhandlungen über den neuen mittelfristigen Finanzrahmen 2014-2020 zu keinen Kürzungen bei den Investitionen in den Struktur- und Kohäsions- und im Sozialfonds kommen. Weiter wird die Bundesregierung eine Kapitalaufstockung der Europäischen Investitionsbank um 10 Mrd. Euro anstreben, was zu Investitionen von bis zu 180 Mrd. Euro führt. Auch das Programm für europäische Projektanleihen soll bei Bedarf bis Ende 2013 auf bis zu 1 Mrd. Euro aufgestockt werden, womit Investitionen von 18 Mrd. Euro zu erreichen sind. Schließlich wird das Recht der Jugendlichen auf Ausbildung und Arbeit gestärkt, wozu ein Ausbildungsplatz oder ein Arbeitsangebot gehört.
Besonders wichtig war mir, dass wir bei der von mir seit langem maßgeblich mit vorangetriebenen Einführung einer Finanztransaktionssteuer einen Durchbruch erzielen konnten. Nur so kann es gelingen, die Finanzjongleure und Börsenspekulanten, die wesentlich für die Krise verantwortlich sind, gerecht an den Kosten zu beteiligen.
Die Eurokrise ist trotz der beschlossenen Maßnahmen noch nicht überstanden, da von Anfang an hätte konsequenter gegengesteuert werden müssen. Nicht zuletzt die zögerliche Haltung der Bundeskanzlerin hat uns in eine bedrohliche Situation gebracht, in der wir nun schmerzliche Schritte unternehmen müssen -- wohlwissend, dass es in Europa bislang keine vergleichbare Lage gab, an der wir unser politisches Handeln orientieren könnten.
Als Abgeordneter des Deutschen Bundestages habe ich mir die Entscheidungen sicher nicht leicht gemacht. Meiner Verantwortung auch für die nachkommenden Generationen bin ich mir sehr wohl bewusst.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Sascha Raabe