Frage an Sabine Sütterlin-Waack von Peter L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dr. Sütterlin-Waack,
ich habe eine Frage zu dem Thema Ceta / TTIP-Abkommen und den damit verbundenen Möglichkeiten der Investorenklagen. Ist es wahr, dass die Bundesregierung einem vorzeitigen Inkraftsetzen dieser Abkommen ohne vorherige Abstimmung im Bundestag zustimmen will und dass damit Investorenklagen gegen Deutschland möglich wären, ohne dass jemals die Deutsche Legislative dem Abkommen zugestimmt hat?
Ist der Bundesregierung nicht bewußt, dass nicht nur die Hunderttausende Demonstranten, sondern ein großer Teil der Bevölkerung dieses Abkommen NICHT WILL? Warum werden laut und deutlich und auch sachlich geäusserte Bürgerwünsche wie die Abschaffung bzw. das Verbot von Glyphosat und auch der Wunsch, diese Abkommen nicht in Kraft treten zu lassen sowie für eine Transparenz zu sorgen, die den Namen verdient und nicht die Lachnummer mit dem Leseraum als Transparenz bezeichnet, nicht ansatzweise berücksichtigt? Wundern Sie sich in Anbetracht solcher Ignoranz des Wählerwillens wirklich über die Politikverdrossenheit?
Sehr geehrter Herr Lassen,
vielen Dank für Nachfrage zum Thema Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP).
Das Freihandelsabkommen mit der USA (TTIP) wird nach Abschluss der Verhandlungen dem Europäischen Parlament und – da es sich bei TTIP europarechtlich um ein sogenanntes gemischtes Abkommen zwischen der EU und den Mitgliedsländern handeln wird - auch den nationalen Parlamenten aller 28 EU-Mitgliedstaaten zur Genehmigung vorgelegt. Ohne deren Zustimmung wird TTIP nicht in Kraft treten.
Wenn Sie von der „Möglichkeit der Investorenklage“ reden, dann meinen Sie sicherlich die privaten Schiedsgerichte. Auch ich stehe den Investitionsschutzregeln kritisch gegenüber. Dass Schiedsgerichte in Freihandelsabkommen verankert werden, ist allerdings eine übliche Praxis und durchaus sinnvoll. Ich will Ihnen auch erklären warum: Der Investorenschutz soll sicherstellen, dass Ausländer (Investoren) nicht diskriminiert oder enteignet werden. Für einen gesonderten Rechtsweg in einem Freihandelsabkommen spricht der unterschiedliche Grad der Rechtssicherheit in der EU und Ländern mit denen man ein Abkommen verhandelt. Ich bin der Meinung, dass man TTIP zum Anlass nehmen sollte, die Schiedsgerichte zeitgemäß weiterzuentwickeln. Ein Vorschlag der EU-Kommission ist daher die Einrichtung eines Investitionsgerichtshofs, der aus Richtern besteht, öffentlich verhandelt und über ein Berufungsgericht verfügt.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen habe ich sehr wohl Verständnis für die Sorgen und Ängste der Bevölkerung. Diese nehme ich auch sehr ernst. Grundsätzlich bin der Meinung, dass Freihandel sehr wichtig ist. TTIP ermöglicht uns die zukünftigen Standards mit den Amerikanern zu verhandeln. Dies ist vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung Chinas Wirtschaft ein wichtiger Schritt in eine Zukunft des wirtschaftlichen Erfolgs.
Nichtsdestotrotz müssen wir unsere errungenen Standards in Europa schützen. Das Vorsorgeprinzip ist wichtig und garantiert, dass sowohl gesundheitliche Schäden, als auch Umweltbelastungen im Vorfeld vermieden werden. Des Weiteren, dürfen Lebensmittelstandards nicht zur Debatte stehen. All dies steht auch für mich außer Frage. Dennoch möchte ich darum bitten, TTIP nicht von vorneherein abzulehnen und zu verteufeln.
Derzeit befindet man sich noch in den Verhandlungen, wir als Parlament sind aktuell nicht miteingebunden. Dennoch steht uns seit kurzer Zeit ein TTIP-Leseraum im Bundeswirtschaftsministerium zur Verfügung, in dem Abgeordnete Einsicht in TTIP-Verhandlungsdokumente bekommen. Ich persönlich werde dieses Möglichkeit nutzen und am 02. Juni den Leseraum im Bundeswirtschaftsministerium besuchen, um mich vor Ort mit den Verhandlungsdokumenten vertraut zu machen.
Alle wichtigen EU-Verhandlungsdokumente werden übrigens durch die EU-Kommission ins Internet gestellt, so dass sich jedermann direkt informieren kann (siehe unter http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/index_de.htm). Dennoch ist es wichtig, dass weitere Schritte in Richtung Transparenz und Einbeziehung der Parlamente gemacht werden und die Ängste der Bürger ernst genommen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Sütterlin-Waack