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Frage von Robert K. •

Frage an Renate Schmidt von Robert K. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Ministerin Schmidt,

bei eingehender Beschäftigung mit den Auswirkungen der Politik Ihres Ministeriums zu Gewalt in Familien habe ich gesehen, dass für die größte und am stärksten betroffene Opfergruppe - Kinder - bisher die geringste Unterstützung erreicht wurde.

Aus dem Frauengesundheitsbericht der Bundesregierung wissen wir, dass ca. 5 % der Frauen von schwerer häuslicher Gewalt betroffen sind. Viel größer ist aber der Anteil der an Misshandlungen und schweren Züchtigungen leidenden Kinder. Er wird vom Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen mit 25 % beziffert (Quelle: http://www.kfn.de/fb80.pdf).

Während aufgrund Ihrer Sensibilisierungspolitik bundesweit inzwischen jährlich über 100.000 Männer wegen Gewalt gegen die Partnerin angezeigt werden, weist die polizeiliche Kriminalstatistik nur ca. 3000 Anzeigen jährlich gegen Eltern wegen Gewalt gegen ihre Kinder aus. Aus aktuellen Fällen (Jessica, Pascal) sowie auch aus der Kriminalstatistik ist bekannt, dass Gewalt gegen Kinder maßgeblich auch von Müttern zu verantworten ist (siehe auch die Broschüre Ihres Ministeriums "Gewaltfreie Erziehung").

Meine Fragen dazu:

1. Ist Ihre Gewaltschutzpolitik für Kinder zu zurückhaltend, weil Ihre frauenpolitische Ausrichtung dem entgegensteht?

2. Rechtfertigt die Rettung von Kindern nicht eine Politik zur behördlichen Intervention wie bei gewalttätigen Männern?

3. Ist strafrechtliche Zurückhaltung bei Eltern – welchen Geschlechts auch immer – angesichts des Leidens der Opfer nicht unverzeihlich?

4. Was werden Sie tun, um die Strafverfolgung gewalttätiger Mütter und Väter zu intensivieren?

Mit freundlichen Grüßen
Robert Koch

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Kioch,

Gewalttaten gegen Kinder schockieren und empören zu Recht. Es ist schwer nachzuvollziehen, wie Menschen gerade gegenüber Kindern, die auf den Schutz von Erwachsenen angewiesen sind, Gewalt ausüben können. Noch schwerer nachzuvollziehen ist dies, wenn es sich bei den Gewalttätern bzw. -täterinnen um nahe Angehörige der Opfer handelt. Diese Menschen sind doch gerade für den Schutz ihrer Kinder verantwortlich. In diesem Geflecht familiärer Bindung und physischer als auch psychischer Gewalt übernimmt der Staat eine schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe. Das Grundgesetz weist der staatlichen Gemeinschaft die Rolle des so genannten "staatlichen Wächteramts" zu. Die gesetzliche Ausgestaltung durch das Kinder- und Jugendhilferecht sieht daher vor, dass die Jugendhilfe Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen und dazu beitragen soll, gute Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien zu schaffen.

Dennoch haben schreckliche Fälle von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung Anlass gegeben, mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (KICK), das zum 1. Oktober 2005 in Kraft tritt, das Kinder- und Jugendhilferecht zu qualifizieren, indem der Schutzauftrag der Jugendhilfe weiter konkretisiert wird. Mit der neuen Vorschrift werden den Fachkräften in der Jugendhilfe gesetzliche Grundlagen gegeben, die ihnen zu einer größeren Sicherheit im Umgang mit Fällen von Kindeswohlgefährdung verhelfen und damit zusätzlich zum Schutz von Kindern und Jugendlichen beitragen.
Der wichtigste Grundsatz ist und bleibt jedoch der, dass jeder Eingriff von außen im Interesse der misshandelten und vernachlässigten Kinder und Jugendlichen erfolgen muss. Dieser Maxime steht im Einzelfall häufig eine strafrechtliche Verfolgung der Täter bzw. Täterinnen entgegen. Zum Teil gilt dies, um Kindern die Belastungen eines Strafverfahrens zu ersparen, welches nach den bereits erlittenen Qualen zu weiteren schwerwiegenden seelischen Verletzungen führen kann. Zudem müssen die seelischen Bindungen der Kinder ihren Eltern gegenüber berücksichtigt werden. Anders als die Bindung unter erwachsenen und damit gleichberechtigten Partnern, ist die kindliche Bindung gegenüber den Eltern tief verwurzelt. Die psychologische Forschung zeigt, dass diese Bindung gerade bei den Kindern und Jugendlichen am stärksten ist, die besonders wenig Aufmerksamkeit oder gar nur negative Aufmerksamkeit in Form von physischen oder psychischen Misshandlungen von ihren Eltern erhalten haben.

Misshandelte und vernachlässigte Kinder und Jugendliche müssen die Chance erhalten, die belastenden Erlebnisse mit ihren Eltern in einem geschützten und verlässlichen Rahmen aufzuarbeiten. Soweit dies möglich ist, müssen im Interesse der Kinder und Jugendlichen deren Eltern in diesen Prozess einbezogen werden. Dieses Ziel wird mit den Leistungen der Jugendhilfe verfolgt. Wenn es den Interessen der Kinder und Jugendlichen dient, gehört hierzu auch ihre Unterstützung und Begleitung in strafrechtlichen Verfahren gegen die Täter bzw. Täterinnen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Renate Schmidt