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Frage von Reinhard S. •

Frage an Renate Gradistanac von Reinhard S. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Gradistanac,
das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist, wie der Name schon sagt, für alle zuständig, nur nicht für Männer zwischen 18 und 65. Es zeigt sich aber immer mehr, daß es Bereiche gibt, in denen gerade diese Bevölkerungsgruppe entscheidend diskriminiert wird, zum Schaden der gesamten Bevölkerung.
Beispiele: Kindern wird nach Trennung und Scheidung in erschreckendem Maße ihr Umgang zum erziehungswilligen und erziehungsfähigen Vater eingeschränkt oder gar vorenthalten. Obwohl Männer statistisch gesehen 7 Jahre früher sterben, wird nur ein Frauengesundheitsbericht, aber kein Männergesundheitsbericht erstellt. Der Gewaltschutzparagraph wird ausgiebig mißbraucht nach dem Motto: „Gewalt im Haus: Mann muß raus“, selbst wenn die Frau die Gewalttäterin ist.
Nötig wäre die Einrichtung einer männerpolitischen Abteilung in o.g. Ministerium (wie z.B. in Österreich). Werden Sie sich hierfür engagieren?
Der § 1626a BGB sorgt dafür, daß bei nichtverheirateten Paaren der Mann nur dann das gemeinsame Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder erhält, wenn die Frau dies will. Dies verstößt gegen die Grundgesetzartikel 3 Abs.2 („Männer und Frauen sind gleichberechtigt“) und 6 Abs.5 (Gleichbehandlung von nichtehelichen und ehelichen Kindern). Das Bundesverfassungsgericht hat sich um diese Tatsache am 29.1.2003 herumgemogelt, indem es zwar festgestellt hat, daß der entsprechende Passus möglicherweise grundgesetzwidrig ist, die Überprüfung dieser Frage und ggfls. Änderung des Gesetzes aber dem Gesetzgeber aufgetragen hat. Seither ist in diesem Punkt nichts Entscheidendes passiert.
Werden Sie sich für eine Streichung der diskriminierenden Passage in § 1626a BGB einsetzen?

Mit freundlichen Grüßen,
Reinhard Schöller

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schöller,

das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) ist dann für Männer im Alter von 18 bis 65 Jahren zuständig, wenn diese Väter sind. Eigentlich müsste ich Sie jetzt zurückfragen: Warum glauben Sie, dass der Begriff Familie nur Mütter und Kinder, nicht aber auch Väter umfasst?

So lange aber Frauen gegenüber Männern in weiten Bereichen unserer Gesellschaft noch immer Benachteiligungen erfahren, halte ich es durchaus für angebracht, in der Bezeichnung eines Ministeriums sichtbar zu machen, dass aktive Gleichstellungspolitik - leider immer noch - betrieben werden muss.

Dies bestätigt auch das Grundgesetz (GG). Sie haben Art. 3 Abs. 2 GG nicht zu Ende zitiert: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Die SPD-geführte Bundesregierung hat auf der Grundlage dieses Staatsziels die Gleichstellung von Frauen und Männern als durchgängiges Leitprinzip ihres Handelns anerkannt und beschlossen, diese Aufgabe mittels der Strategie des Gender Mainstreaming zu fördern. Gender Mainstreaming bedeutet, bei allen gesellschaftlichen Vorhaben, so auch bei den Vorhaben des BMFSFJ - die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen, da es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt.

Die SPD-geführte Bundesregierung hat sich die Bekämpfung von Gewalt als ein vordringliches Ziel auf ihre Fahnen geschrieben. Das Gewaltschutzgesetz, das Anfang 2002 in Kraft trat, gilt für Frauen und Männer, als Opfer und als Täter. Erfahrungen zeigen jedoch, dass Männer häufiger Täter und Frauen häufiger Opfer von Gewalt, vor allem im häuslichen Bereich, sind.

Im Juli 2004 erschien die nicht repräsentative Pilotstudie „Gewalt gegen Männer“, die im Auftrag des BMFSFJ erstellt wurde. Sie ist international die erste Studie zu diesem bislang wenig erforschten Themenbereich. Die Pilotstudie wurde in Auftrag gegeben um festzustellen, ob und wie Männer befragt werden können, um überhaupt wissenschaftlich solide über ihre Gewalterfahrungen zu sprechen und um erste Hinweise auf relevante Gewaltbereiche zu erhalten.

Die Befunde für die Gewalterfahrungen von Männern in den einzelnen Lebensphasen fallen unterschiedlich aus: Eine positive Entwicklung lässt sich im Bereich Kindheit und Jugend feststellen. Obwohl die Belastung mit körperlicher Gewalt in der Kindheit und Jugend insgesamt offenbar zunimmt, scheint die körperliche Gewalt in der Erziehung abzunehmen. Die Gewaltbelastung von Männern ist im Erwachsenenalter deutlich geringer als in der Kindheit und Jugend. Die Ergebnisse dieser Studie weisen darauf hin, dass ein Großteil der körperlichen Gewalt gegen erwachsene Männer in der Öffentlichkeit stattfindet. Im Bereich Gewalt in der Partnerschaft spielt vor allem psychische Gewalt und soziale Kontrolle, die Frauen gegen bzw. über ihre Beziehungspartner ausüben, eine Rolle.

Ebenfalls 2004 fand ein großer europäischer Kongress "Gewalt im Leben von Frauen und Männern" statt. Der Kongress, der vom BMFSFJ finanziert wurde, bot die Gelegenheit, die Themen Gewalt gegen Frauen und Gewalt gegen Männer gemeinsam zu betrachten.

Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich dafür ein, dass die Geschlechterbelange in der Gesundheitsforschung, Gesundheitsvorsorge und -versorgung sowie in der Gesundheitsberichtserstattung in geeigneter Weise verstärkt umgesetzt werden.

Das Präventionsgesetz, das von den Koalitionsfraktionen vorgelegt wurde, sieht vor, Prävention und Gesundheitsförderung in den Lebenswelten der Menschen anzusiedeln. Die gesundheitliche Lage der Menschen soll nicht nur bezogen auf das individuelle Gesundheitsverhalten, sondern im Zusammenhang mit den Gegebenheiten eines bestimmten Ausschnitts ihrer sozialen und natürlichen Umwelt aufgegriffen werden. Es wird ausdrücklich die unterschiedliche Situation von Frauen und Männern sowie Jungen und Mädchen berücksichtigt, auf die mit spezifischen Angeboten der Prävention und Gesundheitsförderung zugegangen werden muss. Das Präventionsgesetz wurde von der Mehrheit des Deutschen Bundestages beschlossen, wird jedoch zurzeit, obwohl nicht zustimmungspflichtig, von der Unionsmehrheit im Bundesrat blockiert.

Grundsätzlich steht Eltern, die bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet sind, nach geltendem Recht die elterliche Sorge nur dann gemeinsam zu, wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen oder einander heiraten. Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge. Die Regelung gibt der Mutter insoweit eine stärkere Rechtsstellung, als sie ohne Abgabe einer entsprechenden Erklärung Inhaberin der Alleinsorge bleibt.

Hintergrund dieser Regelung ist, dass nichteheliche Kinder nicht nur in intakten nichtehelichen Lebensgemeinschaften geboren werden, sondern auch im Rahmen flüchtiger und instabiler Beziehungen. Der Gesetzgeber hat deshalb angenommen, dass unverheiratete Eltern nicht immer die für die gemeinsame elterliche Sorge notwendige Kooperationsfähigkeit besitzen. Er hat die gemeinsame Sorge davon abhängig gemacht, dass die Eltern ihre Bereitschaft durch die Abgabe übereinstimmender Sorgeerklärungen dokumentieren.

Für mich als Familienpolitikerin steht beim Kindschaftsrecht immer das Kindeswohl im Mittelpunkt.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Regelung in seinem Urteil vom 29. Januar 2003 im Wesentlichen für verfassungskonform erklärt. Es hat jedoch festgestellt, dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, die tatsächliche Entwicklung zu beobachten und zu prüfen, ob die gesetzlichen Annahmen auch vor der Wirklichkeit Bestand haben. Zu diesen Annahmen gehört, dass eine Mutter, die mit dem Vater und dem Kind zusammenlebt und gleichwohl keine Sorgeerklärungen abgeben will, dafür schwerwiegende Gründe hat, die von der Wahrung des Kindeswohls getragen werden. Dem Beobachtungsauftrag ist die SPD-Bundestagsfraktion durch eine Expertenanhörung nachgekommen.

Der Vergleich mit anderen Rechtsordnungen ergab, dass wir bei der Erlangung der gemeinsamen Sorge für Nichtverheiratete im europäischen Vergleich mit die höchste Hürde errichtet haben. Viele europäische Nachbarstaaten gewähren nicht verheirateten Eltern die gemeinsame Sorge unabhängig vom Familienstand. In einigen Fällen ist die gemeinsame Sorge an das Zusammenleben der Eltern geknüpft.

Aufgrund der vielfältigen Kritik an § 1626 a BGB haben wir die Anhörung auch zum Anlass genommen zu erörtern, ob die Regelung politisch weiterhin wünschenswert ist. Von der Diskussion umfasst war auch die Regelung des § 1672 Abs. 1 BGB, wonach auch die Übertragung der Alleinsorge von der Mutter auf den Vater ihrer Zustimmung bedarf. Die große Mehrheit der Sachverständigen forderte Korrekturen bei der gemeinsamen Sorge nicht verheirateter Eltern.

Wir werden auch zukünftig intensiv prüfen, ob eine Änderung des Rechts der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern sinnvoll ist.

Mit freundlichen Grüßen

Renate Gradistanac