Ralf Kapschack
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Frage von Brigitte K. •

Frage an Ralf Kapschack von Brigitte K.

Sie haben den gewaltigen Grundgesetzänderungen am 1.6. zugestimmt. Sie wissen, dass diese Entscheidung ohne jede öffentliche Debatte und Zustimmung des Volkes erfolgt ist. Eine große Mehrheit spricht sich gegen die Privatisierung unseres Gemeingutes aus.
In einer Demokratie gehört es zum Selbstverständnis, das Grundgesetz- und Verfassungsänderungen nur mit Zustimmung des Volkes gültig sind

Der Zeitpunkt dieser gewaltigen Grundgesetzänderungen am 1.6. und 2.6. ist sehr perfide ausgesucht. Pfingstferien und Feiertage, dazu das Schweigen der öffentlichen Medien.

In einer wirklichen Demokratie ist das Volk der oberste Souverän. So steht es auch im Grundgesetz. " Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen…ausgeübt", Artikel 20, Absatz 2.
Die Wahlen wurden sofort geregelt, die Abstimmungen nicht. Seit Jahrzehnten verschleppt das Parlament die Ausführung der im Grundgesetz verankerten bundesweiten Abstimmungsrechte, obwohl sich in allen Umfragen mehr als 70% für die Volksabstimmung aussprechen. Im Gegensatz dazu, stimmen sie gegen den erklärten Mehrheitswillen der Bevölkerung im Eilverfahren dieser gewaltigen Grundgesetzänderung zur Privatisierung unserer Gemeingüter zu, ohne dass wir als Bevölkerung das Recht haben, in einer Abstimmung Ja oder Nein dazu zusagen.

Seit Jahren verschleppen die Regierungen die Regelung der im Grundgesetz verankerten bundesweiten Abstimmungsrechte. Wie lange glauben Sie, werden Ihre WählerInnen diese Politik noch mittragen?

Sind Sie für die Einführung von bundesweiten Volksabstimmung, wie es im Grundgesetz Artikel 20, Absatz 2 verankert ist?

Was wollen sie im nächsten Bundestag zur Verwirklichung tun, damit wir - der Souverän - selbst unsere Verfassung schützen und bestimmen können?

Danke
Brigitte Krenkers

Ralf Kapschack
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Krenkers,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema „Schaffung einer zentralen Gesellschaft für Autobahnen und Bundesstraßen“. Da Sie zwei verschiedenen Themen ansprechen, gehe ich im Folgenden nacheinander darauf ein.

Zu Ihrer ersten Anmerkung, die SPD und ich als Abgeordneter hätten für die Privatisierung von deutschen Autobahnen gestimmt:

Die SPD hat sich immer gegen eine Privatisierung der deutschen Autobahnen und Bundesstraßen gestellt und diese Position auch im Gesetzgebungsverfahren zur Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen durchgesetzt. Übrigens wurde, nach Konsultierung mit verschiedenen Interessensgruppen und Bürgervereinigungen, bereits vor Pfingsten abgestimmt. Diesem Gesetz habe ich ebenfalls zugestimmt.

Ausgangspunkt dieses Gesetzgebungsverfahrens war eine Einigung zwischen allen 16 Landesregierungen und der Bundesregierung im Oktober und Dezember 2016 über ein Paket von Maßnahmen, die zum Teil Änderungen des Grundgesetzes erfordern, zum Teil einfachgesetzlich geregelt werden. Kernpunkt des Pakets ist die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs ab dem Jahr 2020. In dem Paket enthalten ist auch eine Lockerung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich, die es dem Bund ermöglicht, Geld für Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen zur Verfügung zu stellen.

Des Weiteren wird im Rahmen des Pakets der Unterhaltsvorschuss neu geregelt, den Alleinerziehende erhalten, wenn der eigentlich unterhaltspflichtige Elternteil nicht zahlt: künftig wird nicht nur bis zum 12. Geburtstag des Kindes gezahlt, sondern bis zum 18. Geburtstag, und während bislang maximal 6 Jahre lang gezahlt wurde, entfällt diese Befristung künftig komplett.
Ein weiteres Element des Paketes sind die Gesetzentwürfe, mit denen Verwaltung und Bau von Autobahnen und sonstigen Bundesfernstraßen in Deutschland neu geordnet werden. Schon innerhalb der Bundesregierung ist es der SPD gelungen, eine doppelte Privatisierungsschranke im Gesetzentwurf der Regierung zur Änderung des Grundgesetzes durchzusetzen. Im Grundgesetz selbst wird deswegen in Artikel 90 geregelt werden, dass nicht nur die Bundesfernstraßen selbst im unveräußerlichen, 100prozentigen Eigentum des Bundes stehen, sondern auch die Infrastrukturgesellschaft, die für deren Planung, Bau und Betrieb zuständig sein wird. CDU-Finanzminister Schäuble und CSU-Verkehrsminister Dobrindt wären bereit gewesen, 49 Prozent dieser Gesellschaft an private Investoren zu verkaufen. Das haben wir schon verhindert, noch bevor das Gesetzgebungsverfahren den Bundestag erreicht hat. Bisher mögliche Privatisierungen sind nun erstmals gesetzlich ausgeschlossen.

Im Ergebnis haben wir als SPD also die doppelte Privatisierungsschranke des Regierungsentwurfs (Bund ist 100prozentiger Eigentümer erstens der Autobahnen und zweitens der Autobahngesellschaft) mit weiteren Privatisierungsschranken verstärkt.

Zusammengefasst bedeutet das also, dass 1. eine Privatisierung der Autobahnen und Bundesstraßen nicht stattfindet, 2. die berechtigten Interessen der Beschäftigten geschützt werden und 3. der Einfluss des demokratisch gewählten Parlaments auf die Verkehrsinvestitionen gewahrt bleibt.

Die Frage, ob ich der Einführung einer bundesweiten Volksabstimmung zustimmen würde, kann ich nur mit „Ja“ beantworten. Die SPD spricht sich für die Volksabstimmung auf Bundesebene aus. Allerdings ist für die Einführung eine Grundgesetzänderung nötig, die wiederrum nur mit einer 2/3 Mehrheit erfolgen kann. Da sich die Union klar dagegen ausspricht, kann es momentan im Parlament zu keiner Mehrheit kommen. Übrigens hat die SPD bereits in der vergangenen Legislaturperiode (Juni 2013) zwei Entwürfe zur Gesetzesänderungen zum Thema „direkte Demokratie“ im Plenum vorgelegt. Diese beinhalteten eine Ergänzung des Grundgesetzes um Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid, Referenden und das Bundesabstimmungsgesetz. Leider wurde von der damaligen schwarz-gelben Regierungsmehrheit der Antrag bis zum Ende der 17. Legislaturperiode hinausgezögert, weshalb es nicht mehr zu einer Abstimmung kommen konnte.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Anfragen hinreichend beantworten.

Mit freundlichen Grüßen
Ralf Kapschack